TATblatt


888 - keine Freiheit unter dieser Nummer

Grazer Polizei startet durch

Seit nunmehr mehreren Monaten verschärft die Staatspolizei ihre Repressionen gegen die linke und antifaschistische Szene in Graz. Durch absurde Konstruktionen, in fadenscheinige Anzeigen verpackt, werden Leute und deren völlig legale Arbeit massiv unter Druck gesetzt. Der Phantasie der ermittelnden BeamtInnen sind dabei anscheinend keine Grenzen gesetzt. Willkürlich werden einzelne Gruppen und AktivistInnen herausgegriffen, um sie in ein "terroristisches" Eck zu rücken und mundtot zu machen.

einige Leute von der Gewi-Graz

Eines haben die Staatsschützer deutlich gemacht  statt Tatsachen zählen für sie politische Ansichten und Aktivitäten. Allein die reale oder auch nur vermeintliche Zurechnung zur linken Szene reichen mittlerweile aus, um von der Grazer Staatspolizei eine angebliche Nähe von strafbaren Handlungen gerückt zu werden  was die Grazer Justiz nur allzu bereitwillig aufnimmt. Artikel in links-alternativen Zeitungen zu aktuellen (und nicht nur solchen) Themen werten die BeamtInnen der Abteilung I in Anzeigen als Indizien für Straftaten, die in irgendeiner Weise irgendwie oder auch ganz anders mit diesen Themen zu tun haben könnten.

Unter anderem genügt ein Artikel in der "Rotcrowd", der Zeitung der "Linken Liste/KSV Graz", über eine Veranstaltung mit einem ehemaligen Kärntner Partisanen, um diese Zeitung und einen Aktivisten der "Linken Liste" in Zusammenhang mit der Sachbeschädigung am Ulrichsberg im August 1997 zu bringen. Äußerst wackelige Begründung der ErmittlerInnen: "Diese Publikation beschäftigt sich mit dem Thema Rechtsextremismus und in der Ausgabe Nr. 2/1997 auffallend intensiv [Anm.d.A.: "intensiv" bedeuted eine halbe DIN A5-Seite] mit der Situation in Kärnten [...] Als einer der Verantwortlichen der Herstellung und des Vertriebes dieser Publikation ist [Name] anzusehen." (Zitat aus Akten zu den Ulrichsberg-Ermittlungen).

Unabhängig davon, daß es nicht nachvollziehbar ist, wie die staatspolizeilichen ErmittlerInnen die im Akt genannte Person mit dem Artikel in Verbindung bringen, fällt hier besonders auf, daß bereits die Befassung mit der jüngeren österreichischen Geschichte ausreicht, um als VerdächtigeR in Strafsachen eingestuft zu werden. Daß damit zugleich jede Erinnerung an AntifaschistInnen verunmöglicht wird, dürfte  gewolltes  Nebenprodukt sein.

Noch schärfer fiel die Einschätzung für das anonym erscheinende Grazer Infoblatt "Antifaschistische Quelle" aus, das einer anderen Person zugeschrieben wurde  ohne einen einzigen Beweis: die Staatspolizei selbst räumt im Akt ein, daß es sich dabei um eine "Annahme" handelt...

In phantasietrunkener Eintracht "nimmt" die Stapo Graz zusammen mit ihren Klagenfurter KollegInnen dann weiter "an", "daß einzelne Personen rund um die Publikation Antifaschistische Quelle mit den gegenständlichen Anschlägen in einem direkten oder indirekten Zusammenhang stehen können." Besonders aufschlußreich in bezug auf die geistige Befindlichkeit unserer staatlich geprüften Anti-Antifas: Diese Publikation befasse sich "intensiv" (schon wieder; aber einmal gelernt, so ein Fremdwort...) mit allen Formen des Rechtsextremismus, Personen des nationalen Lagers usw. (aus den Akten).

Was sich auf den ersten Blick liest wie ein schlechter Groschenroman wird zur Tragödie, wenn die oben aufgelisteten Konstrukte dann in den Polizeiakten als "reale Verdachtsmomente" dargestellt werden.

Auch die Zeitung der "Grünen und Alternativen StudentInnen (GRAS)" wird sorgfältig auf Staatskosten gelesen. Einen Artikel, der sich mit dem Begriff der "Inneren Sicherheit" beschäftigt, präsentiert die Grazer Stapo der Staatsanwaltschaft als Indiz für die Beteiligung an einer illegale Aktion gegen die Rasterfahndung im Herbst 1997. Zitat: "Außer [...] belastete [Name] der Umstand, daß sie vor Inkrafttreten der Rasterfahndung in den div. Studentenmedien massiv gegen diese Maßnahme aufgetreten ist (siehe Beilage Zeitschrift GRAS)."

Hoffentlich erinnert sich die Stapo auch an ihre Logik, wenn Innenminister Schlögl demnächst die Unfallstatistik für das Jahr 1997 verlautbart.

Aber auch durch eine immer stärker werdende Präsenz versucht die Staatspolizei Druck auf linke bzw. antifaschistische AktivistInnen auszuüben.

Ein Antifa-Treffen wurde nicht nur von bisher nicht politisch aktiven Jugendlichen besucht, auch zwei Stapos luden sich selbst ein. Sie drangen dabei in einen nicht-öffentlichen Raum der Grazer KPÖ ein, holten zwei Personen raus und befragten sie.

Ausgerechnet bei der Präsentation des Buches "Delikt: Antifaschismus" bauten sich die StaatsschützerInnen vor einem Büchertisch auf und begannen, die Personalien einer Schülerin aufzunehmen, die zufällig hinter dem Büchertisch stand. Dem nicht genug versuchten sie, die betreffende Schülerin mündlich vorzuladen. Grund für die Aufregung: Auf dem Büchertisch lagen auch die Zeitschriften "Lotta Dura" und "Antifaschistische Quelle" auf ... Zu letzterer wußten die Beamten zu berichten: In diesem "Schmierblatt" mit "nicht-gültigem Impressum" würden "angesehene" Persönlichkeiten "angegriffen". Wir wollen nicht wirklich wissen, wen die Stapo denn nun als "angesehene" Persönlichkeiten bezeichnen, auch ihr sonstiges Vorgehen stellt sie schon eindeutig genug ins rechte Eck.

Alles in allem paßt das  zugegebenermaßen "etwas" frechere  Vorgehen der Grazer Staatspolizei in das politische Konzept, das sich seit mehreren Jahren immer stärker eingerichtet hat. Linke und antifaschistische Arbeit soll kriminalisiert und damit verhindert werden.

(Anm. des TATblatts: Nach intensiven Recherchen fanden wir heraus, dass sich hinter der Nummer 888 die Telefonnummer der Bundespolizeidirektion Graz verbirgt.)


aus: TATblatt Nr. +100 (12/98) vom 18. Juni 1998
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