TATblatt


Gelegenheit macht...

...Fremdenpolizisten

Zwei vorerst unbekannte Männer "spielten" vergangene Woche in Bad Radkersburg/Nordwestslowenien Fremdenpolizei: Mit einer nur flüchtig vorgezeigten Scheck-Karte und der Behauptung, sie seien Polizisten, verschafften sie sich Zutritt zu einer Wohnung einer eingebürgerten Österreicherin und ihres Mannes, der die slowakische Staatsbürgerschaft besitzt. Im Zuge dieser "fremdenpolizeilichen Aktion" durchsuchten die Männer die Wohnung, kontrollierten Ausweise und bedrohten die BewohnerInnen mit der Feststellung, sie mögen verschwinden, da ihnen widrigenfalls "Schwierigkeiten" drohten.

Nach einer Schrecksekunde erkundigte sich das betroffene Ehepaar bei der ortlichen Behörde, was denn gegen sie vorläge.

Diese war schwer verwundert ob des "mysteriösen Vorfalls". An der Aktion war nach Auskunft der steirischen Sicherheitsbehörden "keiner unserer Beamten beteiligt".

...Tempelstürmer?

Wenn schon demonstrieren, dann gegen die, die wirklich intolerant agieren, befand am vergangenen Wochenende der neue Generalsekretär der Wiener FPÖ, Michael Kreissl, und hatte dabei die Israelitische Kultusgemeinde im Visier. Ihr wirft Kreissl vor, ein Tempelverbot für FPÖ-SympathisantInnen erlassen zu haben.

Alles Unsinn, widersprach IKG-Vorstand Muczikant: ein Tempelverbot für JüdInnen stünde im Widerspruch zur jüdischen Religion. Die IKG habe vielmehr beschlossen, religiöse Einrichtungen nicht zur Bühne politischer Aktionen der FPÖ werden zu lassen.

Muczikant hat eine Klage gegen Kreissl angekündigt. Der FPÖ-Politiker ist wohl der erste Politiker der zweiten Republik, der öffentlich über die Möglichkeit von Demonstrationen gegen die jüdische Religionsgemeinschaft "nachgedacht" hat.

...Putzmänner

"Alt-linke Zellen", "Rotfunk" und "Hinterfotzigkeit" wirft der freiheitliche Klubchef im Nationalrat und ORF-Kurator Westenthaler dem ORF vor. Die öffentlich-rechtliche Anstalt führe "Demonstrationsregie" bei den Demonstrationen gegen die neue, sogenannte Bundesregierung.

Ein erstes Beispiel schwarz-blauen Putzwahns lieferten Westenthaler und ÖVP-Klubchef Kohl vergangenen Sonntag im Rahmen der Sendung "Zur Sache". Obwohl nicht Teilnehmer der Diskussion mit dem neuen SPÖ-Chef Gusenbauer bestimmten sie mittels E-Mail und Fax über weite Teile den Charakter der Sendung.

Inzwischen hat sich auch das ORF-Redakteurskollegium zu Wort gemeldet und sich gegen Einschüchterungsversuche der neuen Regierung, zur Wehr gesetzt. Dennoch hat die Strategie der Blauschwarzen bereits Erfolg: In vorauseilendem Gehorsam berichteten die ORF-Nachrichten an den letzten beiden Wochenenden jeweils von gewalttätig ausufernden Demonstrationen, und mussten sich in der Folge jeweils von Polizeisprechern (!) korrigieren lassen. Die Sprachwissenschafterin Ruth Wodak beschwerte sich, dass ein mit ihr vorbereiteter Beitrag über Rassismen in der politischen Auseinandersetzung Stück für Stück inhaltlich demontiert wurde, bis von ihrer Grundaussage nichts mehr übrig blieb.

...Theaterstürmer

Andreas Mölzer hat sich wieder einmal das Stadttheater Klagenfurt vorgenommen: In einem Beitrag in der FPÖ-Zeitung "Kärntner Nachrichten" wirft er "am Kärntner Beispiel die Frage" auf, "ob man Kulturpolitik künftig nicht völlig anders betreiben könne". Ohne Förderungen nämlich, "könnte sie ... der Politik völlig entzogen werden".

Gemeint ist dabei selbstverständlich nicht die Kulturpolitik der FPÖ, sondern jene des "seinerzeitigen sozialdemokratischen Kulturreferenten", der Förderungszusagen "in ideologischer Verbundenheit, in landesväterlicher Spenderlaune, oder auch nur unter Druck des Wahlkampfes gegeben" haben soll.

Politische Einflussnahme habe nämlich "Subventionsprofis" geschaffen, die "ihr gedeihliches vormärzliches - nämlich vor dem März 1999 - Auskommen durch das beste Einvernehmen mit der seinerzeitigen Kulturpolitik und Kulturbürokratie zu sichern" wusste. Das Kärntner Kulturbudget solle daher "zur Gänze einem Expertengremium, einer Stiftung, einem Beirat oder dergleichen, übertragen werden, der damit ausschließlich Nachwuchsförderung, Ausbildung und Rahmenbedingungen für junge Kunstschaffende unterstützen sollte."

Der fast schon bilderstürmerisch-altachtundsechzigermäßig klingende Vorschlag, der das Klagenfurter Stadttheater und Veranstaltungen wie den Carinthischen Sommer völlig ohne Landesmittel zurücklassen würde, hat jedoch einen Haken: "Jener, der nach solcher, möglichst effizienter Starthilfe am freien Markt nicht reüssieren kann, müsste wie jeder andere Freischaffende das Ganze dann eben als Liebhaberei betreiben, und in einem anderen Brotberuf sein Glück suchen."

Und ganz, ganz deutlich: "Nutznießer der vormalig etablierten Kulturpolitik, die ihre Mittelmäßigkeit heute in larmoyanter Klage gegen die neuen kulturpolitisch Verantwortlichen ausleben, stehen dann vor der Alternative, sich entweder auf eben dem selben freien Markt zu behaupten oder sich auf die Hausmusik und die Hobbymalerei zurückzuziehen."

...Zahlenspiele

"120 000 Teilnehmer bei Demonstration" titelte der Freiheitliche Pressedienst am 22. Februar. Die plötzliche Verdoppelung der von der FPÖ gesehenen TeilnehmerInnen führt der Pressedienst auf den Bericht Innenminister Strassers zurück. "Was die sehr unterschiedliche Schätzung bezüglich der Teilnehmer an der Demonstration betrifft, so lag FPÖ-Klubobmann Westenthaler mit geschätzten 60 000 wesentlich näher an dem nun offiziell bekanntgegebenen Ergebnis von 120 000 als die Veranstalter, die die Teilnehmerzahl auf 300 000 geschätzt haben."

Zur Erläuterung: Der Heldenplatz hat grob 64 000m2. Laut FPÖ nahm also jedeR DemonstrantIn einen Quadratmeter Platz ein, nach Polizeischätzung einen halben (etwa 3000m2 sind bewachsen oder anderswie "verstellt"). Eine Annahme, über die Anwesende lediglich milde lächeln können... und aufatmen, dass dieses Gedränge endlich vorüber ist.

...Idioten

"Wir sind die Patrioten", tönte Grünen-Boss Van der Bellen im Zuge einer Klubklausur am 22. Februar, "nicht die Mitglieder der österreichischen Regierung."

Das freiwillige Outing steht in deutlichem Kontext zu einem Sticker, der zu tausenden auf der Demonstration vom 19. Februar Verteilung fand, mit dem Text: "patriots are idiots"

Gott schütze Österreich vor allen, die es retten wollen!
Nieder mit allen Verglimpfungsversuchen!

...Gelegenheit

Eine wie es scheint effektive Möglichkeit zur Bekämpfung rassistischer und antisemitischer Beiträge in Chatrooms haben findige Angehörige der von der sogenannten Bundesregierung aufs heftigste bekämpften Internetgeneration entwickelt: In zunehmenden Maße werden ebensolche Beiträge mit dem Kommentar "weitergeleitet an Meldestelle-NS@bmi.gv.at" versehen. Konsequenz: empörte Herzinfarkte derart bedachter Chatroom-TeilnehmerInnen,...

...und WebbetreuerInnen, die in Windeseile bemüht sind, die inkriminierten Beiträge aus ihren Datenträgern zu entfernen. Beobachtet bereits in Chatrooms des Standard, der Kronenzeitung und des ORF...

Meldestelle-NS ist eine vom Innenministerium geschaffene Einrichtung zur Beobachtung rassistischer, antisemitischer, verhetzender und neonationalsozialistischer Umtriebe im Internet. Zumindest theoretisch ist sie auch anonymisiert erreichbar. In der Praxis reicht jedenfalls allein schon der Hinweis auf die Möglichkeit einer Weiterleitung, um offen rechtsextremistische Web-User zumindest kurzfristig zu vertreiben.



mehr zum Widerstand gegen die österreichische Rechts-Rechtsextrem-Koalition
sowie weitere Beiträge zu Rassismus in Österreich und diverse andere Artikel aus aktuellen und älteren TATblatt-Ausgaben siehe Inhaltsübersicht auf der
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aus: TATblatt nr. +134  (5/2000) vom 24. februar 2000
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