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zur "Chronologie des Widerstands" (täglich aktualisiert)

AKTUELL: Postzeitungsversand-Kompromiss:
Aus "nur" mehr für Alternativzeitschriften
Moderate Preiserhöhungen für bürgerlich-kommerzielle Medien - finanzieller Todesstoß für zahlreiche Alternativmedien

Seit 27. April ist's beschlossene Sache: Der verbilligte Postzeitungsversand ist gestorben - nicht freilich für bürgerliche Massenblätter, sehr wohl aber für zahlreiche Alternativzeitschriften.
Ab 1. Juli 2000 müssen nicht mehr wie bisher 300 sondern 1000 Zeitschriften mit der Post verschickt werden, um den ermäßigten Preis für den Postzeitungsversand in Anspruch nehmen zu können. Eine Auflagenhöhe, die zahlreiche alternativen Zeitschriften nicht erreichen. Sie müssen ab Juli zu dem um rund 500% teureren Preis für Massendrucksachen versendet werden.
Damit wurde das vielleicht wichtigste Ziel dieser Neuregelung zumindest teilweise erreicht, nämlich die Bedingungen für die Herstellung kritischer Öffentlichkeiten zu erschweren, oppositionelle Kommunikation und Organisierung zumindest mal über Printmedien weitestgehend zu unterbinden - und das ohne den bürgerlichen Medien wehzutun. Denn für die größeren Zeitschriften und freilich alle kommerziellen Medien gibt es vorerst lediglich moderate Preiserhöhungen um jeweils 15 Prozent im Juli 2000 und im Jänner 2001. Die endgültige Abschaffung der derzeitigen Regelung wurde auf Ende 2001 verschoben.



NICHT MEHR GANZ AKTUELL (Artikel von Anfang April):
Stopp dem Angriff auf Alternativzeitschriften!
Postzeitungsversand:
Begünstigte Preise sollen fallen

Eine Streichung der Subventionierung des Postzeitungsversands ab vsl. Juli 00 wird derzeit von der Regierung vorbereitet. Ein entsprechender Initiativantrag wurde Ende März im Nationalrat eingebracht. Am 5. April soll das Vorhaben vom zuständigen parlamentarischen Budgetausschuss abgesegnet werden. Der endgültige Beschluss im Nationalrat wird für 26. oder 27. April erwartet. Die Post kündigte bereits an, dass diesfalls das ermäßigte Entgelt für Zeitungen und Zeitschriften aufgelassen werden soll. Für Alternativzeitschriften, gemeinnützige Vereine und Kulturinitiativen würde dies teuer und existenzbedrohend.

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Während hochauflagige, kommerzielle Zeitungen und Zeitschriften, wenn für sie nicht ohnehin noch Ausnahmen beschlossen werden, zumindest im städtischen Bereich eigene Vertriebsstrukturen aufbauen könnten, gefährdet eine solche Maßnahme massiv die Existenz von alternativen Zeitschriften, die Informationstätigkeit gemeinnütziger Vereine und die Ankündigungspraxis von freien Kulturinitiativen.

Während derzeit zum Beispiel pro versendetem TATblatt 60 Groschen gezahlt werden muss, würde die Aufgabe als Massensendung mindestens ATS 3,30 pro TATblatt kosten. Bei den alternativen Zeitschriften müssten die Abo-Preise entsprechend angehoben werden, was zu massivem LeserInnenschwund und damit zur Einstellung vieler Titel zu führen droht. Gemeinnützige Vereine müssten ihre Informationsaussendungen in Zahl und Umfang stark einschränken und verlören die wichtigste Form des Spendenkeilens. Kulturinitiativen könnten ihre Veranstaltungen nur mehr in stark eingeschränktem Ausmaß bewerben.

Dementsprechend protestierten in den letzten Tagen sowohl die IG Kultur, die Interessensvertretung österreichischer gemeinnütziger Vereine und die Vereinigung alternativer Zeitungen und Zeitschriften gegen diese Maßnahme.

Der Postzeitungsversand war auch ein zentrales Thema bei der von sozialen Betreuungseinrichtungen organisierten Demonstration am 31. März und einer Kundgebung anlässlich von MinisterInnenrat, Budgethearing und Budgetausschusssitzung am 5. April vor dem Parlament. Sie wird auch Gegenstand des Protests bei der "Volkstanz"-Demo am 15. April werden, bei der auch gegen Subventionskürzungen für freie Radios und Netzinitiativen demonstriert werden soll.

ÖVP-Klubobmann Khol wurde am 1. April in Tageszeitungen mit der Aussage zitiert, dass  Zeitschriften künftig durch Direktsubventionen gefördert werden und damit die "Böcke von den Schafen" getrennt werden sollen. In diesem Zusammenhang kam auch eine Kommission ins Gespräch, welche künftig über eine derartige Subventionen entscheiden soll. Dies deutet auf den Versuch massiver inhaltlicher Einflussnahme auf die Medienlandschaft hin. Vor dem Hintergrund der kholschen Bemühungen der vergangenen Jahre mit Ausnahme von 1999, ihm nicht genehme Zeitschriften von der Publizistikförderung auszuschließen, wird deutlich, dass eine solche Regelung vor allem gegen linke Zeitschriften zielt.

Während die staatliche Förderung von Medien wegen ihrer Möglichkeit der inhaltlichen Einflussnahme international umstritten ist, gilt die indirekte Subventionierung vor allem in medienwissenschaftlichen Diskussionen als für Meinungsfreiheit und -vielfalt förderlich, da sie ungeachtet des Inhalts nur an formale Bedingungen geknüpft ist.

In Österreich stand auch die direkte Presseförderung lange Zeit wegen der starken Medienkonzentration außer Diskussion, obwohl sie als Mittel der Konzentrationsbekämpfung eindeutig versagte. Die verhältnismäßig geringe Publizistikförderung für vor allem kleine Zeitschriften geriet dafür umso mehr ins Gerede, als 1994 die FPÖ und danach verstärkt die ÖVP die Förderung als terroristisch und gewalttätig denunzierter Zeitschriften wie dem TATblatt anprangerten und in den meisten Fällen entgegen den Empfehlungen des zuständigen Beirats im Bundeskanzerlamt verhinderten.

Die jetzt geplante Streichung des ermäßigten Postzeitungsversandentgeltes gefährdet freilich auch die Medienkonzentration im kommerziellen Zeitungs- und Zeitschriftensektor, drängt kleinere kommerzielle, vielleicht noch formal unabhängige Publikationen in die Hände von Vertriebsfirmen wie der Mediaprint, die über die Mittel zum Ausbau eigener Vertriebsstrukturen verfügen.

Vor allem aber ist diese Maßnahme ein Angriff auf all jene Gruppen, Initiativen und Medien, welche sich außerhalb des von den meinungsführenden kommerziellen und öffentlich-rechtlichen Medien ziemlich eng gehaltenen diskursiven Bezugsrahmen für politische, soziale und kulturelle Belange positionieren. Sie ist ein Angriff auf jede Form von nicht instrumentalisierbarer Opposition. Sie ist ein Angriff auf die Meinungsfreiheit. Ohne wenn und aber. Daran ändert auch nichts, dass bereits 1996 der damalige Verkehrsminister Einem ähnliche Pläne hegte.

Die Vereinigung alternativer Zeitungen und Zeitschriften (VAZ) lädt in diesem Zusammenhang AlternativzeitschriftenmacherInnen für Freitag, den 7. April um 18.00 Uhr in die Bürogemeinschaft Schottengasse (Wien 1, Schottengasse 3a/Stiege 1/ 4. Stock/Tür 59) zur Besprechung dieses Themas und von möglichen Aktivitäten dagegen ein. Kontakt: vaz@mediaweb.at
 
STOPP DEM ANGRIFF AUF ALTERNATIVE KOMMUNIKATION UND GEMEINNÜTZIGE VEREINE!

aktuelles zu diesem Thema auf der TATblatt-Site:

Online-Protestmöglichkeit sowie weitere Infos auf der Site der Interessensgemeinschaft Österreichischer Gemeinnütziger Vereine

Oberösterreichische Protestseite gegen die Streichung des Zeitungsversandtarifs: vielfalt.servus.at


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