TATblatt


Leserinnenbrief

Liebe Leute,

ihr schreibt etwas abfällig (in der Chronologie) über Neuwahltag & Widerstandsnacht - von wegen, dicht gedrängtes Programm, wenig Zeit für Diskussion und das, was Widerstandsnacht genannt wurde, und dem ungehinderten Monarchistenaufmarsch....

Massive Kritik gab es dann gestern [28. 5.] bei der Diskussion im Depot, und so wichtig es ist, Unterschiede auch zu artikulieren und sich miteinander kritisch zu beschäftigen - aber ist es nicht an sich ganz toll, was sich jetzt alles abspielt und bewegt? Es gibt ja genug Platz für alle Arten von Widerstand, und die einen setzen auf Demos oder linke Konzepte, während die anderen gerne auch Symposien veranstalten oder größere Breitenwirkung erreichen wollen.

Jede diese Strategien hat ihre Vor- und Nachteile und spricht unterschiedliche Menschen an, die sich davon entweder aktivieren oder zumindest doch zum Nachdenken bringen lassen. Absurd finde ich es, mangelnde "Gesinnung" oder fehlenden Mut etc. zu unterstellen, nur weil einige die Herren und wenigen Damen in Kostümierung als eine Art Faschingseinlage betrachtet haben. Jene, die drüber eher lachen als die antifaschistische Spontanaktion zusammenzutrommeln, sind deswegen nicht weniger politisch bewußt oder engagiert.

Ich habe viel Verständnis dafür, der Demokratischen Offensive und ihr näherstehenden Gruppen Mainstream-Orientierung vorzuwerfen, weil mir manchmal auch auf Wichtiges zu wenig reagiert wird. Allerdings wird es dann seltsam, wenn - siehe gestern im Depot - unterstellt wird, etwa mit der Operation Spring einverstanden gewesen zu sein, die FPÖartige Ausländerpolitik Schlögls zu decken.  Ich habe auch kritisiert, daß manche zuerst mal sicherheitshalber auf Distanz zu Ofoedu gegangen sind - allerdings ist niemand davor gefeit, selbst mal vorschnell etwas zu glauben, das via Medien suggeriert wird, oder zu zögern und nicht zu wissen, was sie/er sagen soll.

Und die von manchen bevorzugte Auseinandersetzung auf der intellektuellen Ebene bedeutet ja nicht, daß diese Menschen nicht demonstrieren oder nicht zu konkreter Solidarität bereit sind. Sondern es ist jeweils aus der individuellen Geschichte erklärbar, welche Aktionsformen gewählt werden - und da ist auch nichts von vornherein besser oder schlechter.  Was nochmal den Ablauf des 27. betrifft, so war für mich auch zuwenig an Diskussionszeit - allerdings kamen doch viele neue Ansätze und Betrachtungsweisen, die sicherlich eine gute Grundlage für weitere Diskussionen sind. An Gelegenheiten, sich darüber auszutauschen, wird es ja wohl nicht mangeln - und es gibt neben Veranstaltungen doch die Möglichkeit, sich im Internet zu artikulieren. Ich habe daher nicht die Befürchtung, daß das am 27. aus Zeitgründen Ungesagte nie geäußert werden wird.

Eine breite Bewegung kann es ja nur dann geben, wenn auch Vielfalt zugelassen wird - und nicht untereinander weit strengere Maßstäbe angelegt werden als an jede/n außerhalb oder in der Regierung.

Alexandra B.
http://www.ceiberweiber.at


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