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Prag: Ladronka geräumt

 

Am Morgen des 9.11. wurde, völlig überraschend für die BewohnerInnen, das besetzte Prager Wohn- und Kulturzentrum Ladronka geräumt. Dabei wurden 4 Leute vorübergehend festgenommen, die sich jedoch inzwischen wieder auf freiem Fuß befinden. Das Eigentum der BewohnerInnen wurde beschlagnahmt und zum Teil bis heute noch nicht zurückgegeben. Nach der Räumung wurde einem Sympathisanten des Ladronka von der Polizei aufgelauert. Er wurde derart zusammengeschlagen, dass er bis heute im Krankenhaus liegt. Die PolizeibeamtInnen bestreiten diesen "Vorfall", von Seiten des Opfers sind rechtliche Schritte eingeleitet.

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Das Ladronka gibt es seit mehr als 7 Jahren. Es ist Wohnraum für ca. 15 Leute und ein in seiner Größe und überregionalen Bedeutung nicht zu ersetzendes Kulturzentrum für Prag - ironischerweise europäische Kulturhauptstadt 2000.
Die Räumung steht im krassen Widerspruch zur rechtlichen Situation des Ladronka. Seit 1994 gibt es eine Übereinkunft zwischen der Stadt und dem Ladronka, die den BetreiberInnen die Möglichkeit des Aufbaus und Betriebes des Zentrums rechtlich zusichert. 1999 gab es Versuche von Seiten der Stadt die Vereinbarung einseitig zu brechen. Das hierzu angestrengte Gerichtsverfahren ist noch nicht abgeschlossen ! Als offizieller Räumungsgrund wird von der Stadt Stromklau vorgeschoben. Nebenher soll es auch eine ominöse Unterschriftenliste der NachbarInnen geben, die eine Räumung verlangt hätten. Abgesehen davon, dass niemand diese Liste bis dato gesehen hat, ist ihre Existenz sehr unwahrscheinlich. In der Vergangenheit hatten sich die AnwohnerInnen wiederholt auf die Seite des Ladronka gestellt.
Vielmehr besteht ein offensichtlicher Zusammenhang mit den Anti-IWF Protesten im September. Die bereits im Vorfeld und im noch mehr im Nachhinein betriebene Hetze durch Politik und Medien haben das politische Klima und die Einstellung großer Teile der Bevölkerung gegenüber linken Bewegungen nachhaltig verändert (siehe auch TATblatt +153). Der für die Räumung hauptverantwortliche Lokalpolitiker Martin Dvorák kandidierte für die Senatswahlen in Tschechien am Sonntag, 12.11. Der Senat ist die 2. Kammer des Parlaments. Der Verdacht liegt nahe, dass sich einmal mehr ein Politiker auf Kosten anderer mit populistischen Maßnahmen zu profilieren versucht hat.

Die illegale Räumung des Ladronka muss rückgängig gemacht werden ! Dazu gab und gibt es vielfältige Protestaktionen. Am Sonntag, den 12.11. gab es eine Kundgebung in der Prager Altstadt mit ca 400 TeilnehmerInnen. Die nunmehr obdachlosen BewohnerInnen haben dazu Zelte mitgebracht um in der Innenstadt zu übernachten und somit auf ihre Situation aufmerksam zu machen. In Brünn, Stockholm, Bratislava, London und Berlin kam es zu spontanen Solidaritätskundgebungen.
Im Verlaufe der vergangenen Woche gab es diverse Konzerte und andere kulturelle Ereignisse zu Gunsten des Ladronka. Am 17.11., der schon zuvor zum internationalen Tag gegen Repression ausgerufen wurde (siehe TATblatt +153), fand eine Demonstration mit ca. 500 TeilnehmerInnen statt. Dabei wurde die sofortiger Rücknahme der illegalen Räumung in Prag gefordert. Während das Ladronka selbst zur Zeit von Riot-Police besetzt ist, haben die BewohnerInnen alle ihre Sachen verloren. Mit der Demonstration wurde Solidarität mit dem Ladronka ausgedrückt und der Rücktritt der für die Räumung verantwortliche Politiker Filip Dvorak und Rudolf Blazek, und des Chefs der Prager Stadtpolizei, Radim Chyba, der den Einsatz leitete, gefordert.

laufende Infos:
http://www.ladronka.cz
http://squat.net/koepi/ladronka.htm
http://www.prague.indymedia.org
http://www.no-racism.net/s26

TATblatt +154, S. 8

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