TATblatt    

Rezension:
Europäisches Bürgerforum:
z.B. El Ejido
Anatomie eines Pogroms

Bericht über die rassistischen Ausschreitungen in El Ejido

Nach den tagelangen Ausschreitungen eines rassistischen Mobs im andalusischen El Ejido, über die an dieser Stelle mehrfach berichtet wurde, besuchte eine Delegation des Europäischen Bürgerforums El Ejido zum Zweck einer Untersuchung der Vorfälle. Der Bericht ist vor kurzem als Buch veröffentlicht worden.

Das Buch enthält nicht nur eine Chronik des Pogroms und Interviews mit Betroffenen, sondern auch eine Analyse der europäischen Landwirtschafts- und Migrationspolitik und deren Folgen mit besonderer Berücksichtigung (Süd-)Spaniens. Vor einigen Tagen sind bei einem Unfall mehrere illegalisierte MigrantInnen aus Venezuela in Spanien auf dem Weg zur Erntearbeit ums Leben gekommen. Knapp ein Jahr nach den rassistischen Ausschreitungen in El Ejido, die europaweit Schlagzeilen machten, reagierte die spanische Öffentlichkeit wieder mit Überraschung über die Berichte, unter welchen Bedingungen die MigrantInnen zu leben haben. Die ErntearbeiterInnen von El Ejido und Umgebung waren nach den Ausschreitungen des Mobs in Streik getreten und beendeten diesen, nachdem ihnen von UnternehmerInnenseite etliche Verbesserungen zugesagt worden waren. Geschehen ist bis heute nichts. Die Landwirtschaftsbetriebe brauchen die MigrantInnen zwar dringend, haben aber kein Interesse daran, dass diese ein legales Aufenthaltsrecht etc. bekommen, weil sie dann weniger leicht ausbeutbar wären. Der Zusammenhang von Rassismus und Kapitalismus wird sehr gut dokumentiert. Viele MigrantInnen, die als ErntehelferInnen arbeiten, leben neben den Feldern in desolaten Hütten ohne Strom und Wasser oder unter Plastikplanen.

Die Delegation des Europäischen Bürgerforums konnte feststellen, dass die Ausschreitungen gar nicht so spontan waren, wie bisher allgemein dargestellt worden war. Ganz gezielt wurden z.B. Büros von NGOs zerstört, die MigrantInnen unterstützen. Eines der ersten Angriffsziele war ein Lokal, das gerne von MarokkanerInnen besucht wurde. Die große Zahl von Baseballschlägern, die innerhalb kürzester Zeit auftauchte, ist ein weitere Beweis dafür, dass die Ausschreitungen zumindest nicht nur ein spontaner "Ausbruch des Volkszorns" waren, sondern dass die Aktion geplant war. Im Zentrum der Kritik des Europäischen Bürgerforums steht der Bürgermeister von El Ejido und das Verhalten der lokalen Polizei, die den Ereignissen die längste Zeit zugeschaut hatte. Der Bürgermeister ist Mitglied der in Spanien regierenden Partido Popular. Zur extremen Rechten hat er keinerlei Berührungsängste. Er drohte schon öfter, mit der rechtsextremen GIL eine Koalition einzugehen. Er ist immer wieder für eine Segregation und gegen auch nur die kleinsten Rechte für MigrantInnen aufgetreten. Nur eine Woche vor den Ausschreitungen hatte er eine Demo gegen die marokkanische Bevölkerungsgruppe organisiert.

Bis heute gab es keine Maßnahmen zur Versöhnung oder der Verurteilung von Schuldigen durch ein Gericht. Keine juristische Sanktion wurde gegen die Personen verhängt, die Gewalttaten gegen MarokkanerInnen verübt hatten. Kein Anwalt der Provinz akzeptierte es, marokkanische ArbeiterInnen zu vertreten.

Europäisches Bürgerforum. Anatomie eines Pogroms. z.B. El Ejido. Basel 2000. In Österreich für ATS 100.- inkl. Versand erhältlich bei Europäisches Bürgerforum, Lobnik 16, 9135 Eisenkappel.

aus TATblatt +158, S. 10

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