TATblatt    

Kommentare, Stellungnahmen ...
zur Kundgebung am 16. März 2001
(siehe auch >>WiderstandsChronologie-Eintrag vom 16. März 2001)

Inhalt dieser Seite:
von nach der Kundgebung:
>>"sie riefen und wir kamen" von OWO (one woman oposiotion), 17. 3. 2001
>>"OWO 'darf' nicht" Replik auf die Kritik von OWO – von ballhausplatz.at, 18. 3. 2001
von vor der Kundgebung:
>>"Gesicht zeigen ist zu wenig! Gleiche Rechte für alle!" Stellungnahme von ANAR, 11. 3. 2001


sie riefen und wir kamen...

von: OWO (one woman oposiotion)

Gestern, den 16.3.2001 war es wieder mal so weit. Der wanderzirkus is back in town.

Als erstes, sehr geehrte D. und H., möchte ich mich bedanken, dass sie so zahlreich erschienen sind. Auch wenn ich eher das gefühl hatte, bei einer begräbnisfeier zu sein, anstatt bei einer parteiunabhängigen demonstration. Nicht nur, dass mir die reden wie aus den jahren so und so vorkamen, aber auch noch die gleichen heldinnen! Es war niedlich, ihnen zu- zuhören, wie sie sich gegenseitigen hof machten. lecki, lecki an heller. noch mehr lecki an eckhart, lecki da an jelinek, lecki dort an ort, leck, leck an muzikant und viele lecks an viele geleckt werden wollende.

Aber dann... persönlichkeiten aus der black comunity unterbrachen diese ach so typische öschi lahmarsch-lecki-stimmung. Fast schon staatstragend sprach der bruder aus sudan seine rede gegen rassistische gewalt. Seine stimme füllte den ganzen stevensplace. Bei seiner rede wachte ich auf und fühlte mich das erste mal an dem abend angesprochen. Natürlich nur für kurze zeit...

Dann ging es mit der lecki lecki partie weiter.

Ich weiss, dass es unfair ist, über eine relativ gut organisierte, antirassistische veranstaltung herzuziehen....auch möchte ich mich bei allen tapferen rednerinnen bedanken für ihren mut...

aber ich darf es!

Für die, die wissen wollen, wieso ich mir das recht nehme zu meckern:

Das hochstilisierte gequatsche über antisemitismus, rassismus, faschismus, gleiche rechte für alle... ist schööön- gemeint... schööön- eingepackt...

schööön- begabt, stilisiert... schööön fad...

Die realität, von der die meisten, durch geld, also wohlgemeinten wohlstand, nur dank ihres intellekts was mitbekommen, die realität, in der sich x migrantinnen, asylantinnen, von der armut betroffene österreicherinnen, mich angeschlossen, befinden: die realität ist tödlich! Ihre streicheleinheiten fielen von mir wie die schuppen von mistik. Zwischen hochstilisiertheit und dem tod ist der tod ...

Meiner meinung nach hatte das publikum das recht, ungeschminkte reden zu hören!

Diese arroganz seitens der selbsternannten wiener intellektuellen ist eine ignoranz gegen

die beamtin... die krankenschwester... die automechanikerin... die fabrikarbeiterin... die hausmeisterin... die ... usw..

Es gab aber auch einen höhepunkt, als der demoguru rabinovic eine ankündigung machte, bei der ich zuerst an einen scherz dachte : magenta aus der orf produktion txo lässt sich entschuldigen blablabla ... Dann rief er uns zum spenden auf, da sie die veranstaltung aus eigenen mitteln bezahlen. Bei der einschaltung für den orf dachte ich, soll der orf zahlen, für ein wirklich angemessenes productplacement, bzw. der jörg haider, der in der zib2 daraus gleich eine belanglosensendung machte.

Meine stimmung hat den tiefpunkt erreicht, als ich die sibylle sommer ersuchte, spontan die rede eines schubhäftlings einzuspielen. Ich fragte sie was falsches?! Weil sie vor meinen augen eine metamorphose durchmachte. Zuerst lief sie ganz rot an, dann begann sie wie ein dromedar mit dem kopf zu wackeln und neinen: Nein, nein, das machen wir prinzipiell nicht... nein, nein das machen wir prinzipiell nicht... nein..! Sie konnte nicht aufhören. Ich machte mir ernsthaft sorgen, also stoppte ich sie : Stopp! beruhige dich! Okay, nein ist nein, aber was ist das für ein prinzip? , fügte ich noch schnell dazu.

Sie war so aufgebracht, the poor red-woman.

Viele reden...viel schminke... viel blabla...orewuar...

lg OWO (one woman oposiotion)

ps: ich werde weiter veranstaltungen dieser art unterstützen, aber kritik muss sein.

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Replik auf die Kritik von OWO:
OWO "darf" nicht

von ballhausplatz.at

Jemand, der laut eigenem Bekunden "one woman opposition" betreibt, sollte es eigentlich wissen. Daß es ja hierzulande nicht wenige Dinge gibt, denen widerstanden werden muß. Und daß die meisten Widerstandsformen nun mal arbeitsintensiv und unangenehm sind. Arbeitsintensiv für alle, außer den wenigen wirklich Privilegierten, die sich vielleicht nicht höchstpersönlich zum Plakatekleben auf die Straße begeben. Was ihnen nicht vorzuwerfen ist.

Die dann, nur am Rande erwähnt, so privilegiert wieder auch nicht sind. Für Berühmte folgt persönliches Bedrohtwerden und öffentliches Diffamiertwerden auf solche Events, wie das Amen im Gebet. Wer vor "Lecki-Lecki"-Haß trieft, vergißt lieber, daß auch eine berühmte Person ein Mensch ist, lieber ohne Bedrohtwerden leben würde, dennoch durch solche Auftritte bewußt all dies in Kauf nimmt. Auch für Berühmte ist einfach kommen und Rede halten nicht die lockere, unverbindliche Angelegenheit, die sie zu sein schein.

Weil das alles nicht zählt, macht der "Lecki-Lecki"-Haß macht alle Berühmten oder Privilegierten zu Unmenschen. Das Engagement dieser Unmenschen ist nicht wertzuschätzen, also darf abqualifiziert werden. Ohne weitere Argumente. Reich, berühmt, privilegiert, daher: Lecki-Lecki. *Das* sagt das doch schon *alles*. Für alle, die den "Lecki-Lecki"-Haß teilen. Dieses blinde Einteilen in WIR, die OWO´s und SIE, die "Lecki-Lecki´s", die PrivilegiertReichBerühmten, die nix wissen können von UNS, die wir ja ARBEITERINNEN auf die Bühne gestellt hätten. WIR, die wir lieber rundweg übersehen, daß damit auch alle anderen, keineswegs Privilegierten und Berühmten, die am Zustandekommen dieses Events gearbeitet haben, auch zu DENEN werden, den Lecki´s. Oder zu dummen Lecki-Nachläuferinnen. Deren Arbeit rundweg abqualifiziert werden kann. Weil "Lecki", eh schon wissen, DIE. Unter diesen auch VertreterInnen von MigrantInnenorganisationen, die auf diese Art auch unter "Lecki" fallen. Als wären sie nur StatistInnnen auf der Bühne gewesen und nicht MitveranstalterInnen.

Jemand, der laut eigenem Bekunden "one woman opposition" betreibt, sollte eigentlich wissen, wie menschenverachtend diese "Lecki"-Argumentation nach allen Seiten wirklich ist. Nichts ist offenbar zu tief und zuviel, um sich zu rächen, daß im letzten Moment das eigene Tonband nicht eingebracht werden durfte, daß Frau OWO höchstpersönlich nicht gehört wurde, das ego nicht befriedigt bekam. Dann schon lieber allen anderen ans Zeug flicken, was geht. Vorurteile schüren, wo es geht. Guru, österreichische Intellektuelle, "Lecki", DIE. Und nebenbei noch eine andere Frau öffentlich bloßstellen, die nach einigen wegen eventbedingten (freiwilligen) Arbeitsaufwandes durchwachten Nächten am Ende ihrer Kräfte und Nerven war. Die übrigens BEAMTIN ist.

Muß nach einem Jahr Widerstand wirklich noch darüber geredet werden, daß die einen einen guten, die anderen einen mittelklassigen die nächsten einen schlechten Job haben, der dem eigenen Lebensunterhalt bzw. dem der oft vorhandenen Angehörigen dient. Bedingt durch die sattsam bekannte Tatsache, daß der Widerstand hierzulande in einem kapitalistischen System stattfindet, sollte eigenltich jede "one woman" oder sonstwas Opposition wissen, daß die meisten Widerständischen nicht reich, nicht einmal besonders privilegiert sind, und daß mit den wenigen Privilegierten allein keine Kundgebung zu machen wäre. Und schließlich tun KünstlerInnen wie Elisabeth Orth am Stephansplatz stehend genau das, was ihre Elterngeneration unterlassen hatte, wofür man diese zu Recht kritisierte. Absurd, solchen Leuten jetzt zur Vorwurf zu machen, daß sie zu "schön" reden und keine Büroangestellten sind...

Jemand, der laut eigenem Bekunden "one woman opposition" betreibt, sollte es eigentlich wissen: Ob Demokratische Offensive, Wiener Wahl Partie, Botschaft der Besorgten BürgerInnen, Ottakring gegen Schwarzblau - Es ist immer und für alle dasselbe: Veranstaltung planen, hoffen und zweifeln, ob Leute kommen werden, BündnispartnerInnen sichen, Texte machen, Flugzettel herstellen, Flugzettel kleben, Plakate desgleichen, SponsorInnen suchen. BündnispartnerInnen, die einander gefunden haben, müssen einander unter einen Hut bringen. Was auch gelingt, wenn sich alle rechtzeitig erinnern, daß die ganze Mühe nicht dem Selbstzweck, sondern der Vermittlung einer Botschaft nach außen dienen soll. Daß einer Botschaft Gehör verschafft werden soll. Oder wenigstens einem Teil davon.

Von dem vielen, dem widerstanden werden muß in diesem Land kann immer nur ein einen Teil zu Wort kommen. und dieser Teil nur ein ein paar der möglichen Arten. Nämlich möglichst verständlich für die Menschen, die "gerufen" werden. Wenn die Demokratische Offensive "ruft", kommen andere Leute als zur Donnerstagsdemo. Oder zu einer Veranstaltung der Linkswende. Welcher Teil wie vermittelt werden soll, damit er von den Erwarteten verstanden wird, darüber wird hier wie dort lange diskutiert. Die MigrantInnen haben das mit den "osterreichischen Intellektuellen" und den AktivistInnen diskutiert. Als gemeinsame VeranstalterInnen. Wie überall, wo Menschen versuchen, anderen Botschaften zu übermitteln. Jede und jeder, der dies klaren Verstandes versucht, wird je nach Publikum seine Worte anders wählen, und andere RednerInnen auswählen. Niemand spricht vor AktivistInnen gleich wie vor einem Publikum, das sich mit Politik größtenteils nicht aktiv beschäftigt.

Und es wird lieber vergessen, daß derzeit kein ArbeiterInnenaufstand stattfindet, weswegen es auch schwerfallen muß, RednerInnen aus diesem Kreis hervorzuzaubern, auch wenn das klassenpolitisch wunderschön korrekt klingt. Ist ja auch Nebensache. Hauptsache OWO gegen Lecki´s.

Jemand, der laut eigenem Bekunden "one woman opposition" betreibt, sollte es eigentlich wissen: Fast keiner, der sich widerständisch engagiert, tut dies "ungestraft". Alle werden angegriffen, wo sie eben angreifbar sind: Öffentlich verhöhnt werden Juden/Jüdinnen, WissenschaftlerInnen oder PhilosophInnen, die man kennt. In ihrer Existenz angegriffen werden FreiberuflerInnen und Angestellte. Vertreter der African Community wurden kriminalisiert, EKH-BewohnerInnen und Opernballdemonstrantinnen durch Polizeiübergriffe verletzt und öffentlich kriminalisiert. (Letzteres wurde angesprochen, für alle, die nur Lahmarschigkeit sehen wollen).

Man könnte sagen, daß wir alle mittlerweile so etwas wie Subkultur sind: Nicht nur alle, die es immer waren, Minderheiten aus Gründen der Hautfarbe, aus kulturellen, sexuellen oder religiösen Gründen. Sondern seit Schwarzblau auch alle, die Aktiven genauso wie alle, die sich nicht vom Widerstand distanziert haben, die damit assoziiert werden, oder konsequent daran "anstreifen". Das trifft nicht nur Leute, die geklagt werden (Heller war von vor Schwarzblau darunter, für die, die sich erinnern wollen). Seit Schwarzblau mußten PublizistInnen ihre Verträge lösen (auch Charim war unmittelbar nach Schwarzblau darunter, für alle, die sich erinnern wollen) oder wurden gegangen, ÜbersetzerInnen, verloren ihre KundInnen, oder verzichten von vornherein auf einen Teil ihres Kundenkreises, indem sie sich exponierten, desgleichen kommerzielle Provider, die einschlägige sites hosten - die Liste kann beliebig fortgesetzt werden. Die Jelinek, für alle, die es vergessen wollen, hat sich selbst von einem Teil ihrer Aufführungsmöglichkeiten abgeschnitten, führte dafür lieber bei der BBB auf: Sehr lahmarschig in der Tat - für alle, die glauben wollen, daß eine Autorin die Aufführung ihrer Stücke an renommierten Theatern nichts bedeutet. Oder die auch das lieber vergessen, solange nur oft genug "Lecki-Lecki" gesagt werden kann.

Wenn versucht wird, aus der Subkultur heraus den Mainstream zu erreichen, eben über eine Magenta von TXO, macht der "Guru" (OWO legt noch etwas an Menschenverachtung nach) keinen Scherz: Wegen der Magenta schreiben nun mal Zeitschriften, die sonst gar nix schreiben. Zeitschriften, die niemand von den DonnerstagsdemonstranInnen liebt, auch nicht von den RednerInnen. Die aber von Leuten gelesen werden, die die DoDemonstrantInnen nicht erreichen. Und immerhin traut sich die Magenta "anzustreifen". Wie soll man Leute politisieren, ohne sie zu erreichen? Es muß erlaubt sein, das Erreichen anderer, die nicht ohnedies schon überzeugt (und daher oft bis zum Letzten überarbeitet) sind, zumindest zu versuchen. Und es ist unbestreitbar, daß sich dieses Mal verstärkt andere Menschen sehen ließen als sonst üblich.

Über Methoden und ihre Effizienz kann gestritten werden. Über Präsentationsweisen kann gestritten werden. Es kann darüber diskutiert werden, ob die Vereinnahmung populärer Personen neuerdings den Rechten überlassen bleiben soll, die dies mit allen Mitteln und mit aller Kraft versuchen.

Absolut außer Streit sollte aber stehen, daß Kritik nicht menschenverachtend sein darf. Niemanden denunzieren oder bloßstellen sollte. Und weil wir außerdem alle zusammen (von Demoff bis Tatblatt) immer noch lächerlich wenige sind, noch dazu mit lächerlichen Ressourcen ausgestattet, sollte Kritik nicht nur nicht menschenverachtend, sondern auch irgendwie begründet und fundiert sein. Ein "Lecki-Lecki"-Rundumschlag auf die angeblich alle so Intellektuellen und Privilegierten erfüllt dies nicht.

Nein, ich bin nicht der Meinung, daß OWO "das darf". Oder irgendjemand sonst.

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Gesicht zeigen ist zu wenig
Gleiche Rechte für alle!

von: ANAR
ANAR ist integraler Bestandteil der >>WWP (Wiener Wahl Partie) und betreibt somit in Koalition mit der Demokratischen Offensive die Demonstration am kommenden Freitag, 16.3, ab 18.00 Uhr am Stephansplatz. ANAR verbindet den politischen Charakter dieser Demonstration v.a. mit dem Slogan "GLEICHE RECHTE FÜR ALLE". Nachdem in den letzten Tagen vermehrt der Aufruftext "GESICHT ZEIGEN, STIMME ERHEBEN" in den Mittelpunkt gerückt ist, hat sich ANAR zu einem kritisch-solidarischen Demonstrationsaufruf entschlossen:

JA zu Demonstrationen gegen Rassismus in Österreich.
JA zur Forderung "GLEICHE RECHTE FÜR ALLE". ...
aber: "GESICHT ZEIGEN" ist ZU WENIG !!!

Die Demonstration als eine Form der Meinungsäußerung hat im letztem Jahr durch die Donnerstagsdemonstrationen eine Öffentlichkeit erreicht, die in Österreich noch vor kurzem unvorstellbar war. Diese Form des Protests, nicht die öffentliche Volksbelustigung wie Donauinselfest oder Lichtermeer, soll eine Fortsetzung finden. Die Demokratisierung der Gesellschaft können wir nur erreichen, indem wir Räume in Anspruch nehmen, die früher nur den VertreterInnen der hegemonialen Ordnung reserviert waren. Darum spricht sich ANAR für die Demonstrationen am 16.03.01 aus. Unbestritten ist der Prozess der Veränderung, der zurzeit um uns herum stattfindet. Es kommt zunehmend ins Blickfeld, dass das österreichische sozialpartnerschaftliche System jahrzehntelang eine höchst rassistische Ausschließung gepflegt hat. Doch dieser Einblick in die Struktur ermöglicht uns noch lange nicht - mangels einer vorhandenen politischen Opposition - diese auch zu ändern. Hinzu kommen die ununterbrochenen Versuche, den Widerstand zu kriminalisieren und medial zu verfälschen. Den Preis dafür zahlt die ganze Gesellschaft. Eine konsequente weitere Inanspruchnahme der öffentlichen Räume - ohne Präsenz derjenigen, die an dieser Situation schuld sind - ist eine sehr wichtige Möglichkeit, den Widertand zu perpetuieren, einen Widerstand, der konsequenterweise gegen das gesamte System der Unterdrückung vorgeht. Und wir haben nichts dagegen, wenn der Staat Österreich - Jahrzehnte nach der Unterzeichnung des Staatsvertrags - durch die gegenwärtigen Demokratisierungsversuche große Fortschritte erlebt. Unsere Richtung ist es, konsequent gegen den Rassismus vorzugehen und diesen in allen seinen Ausprägungen zu bekämpfen.
Eines der Mittel, die ANAR dafür ausgewählt hat, ist die Demonstration am 16.03.01 am Stephansplatz. Die ANAR fordert GLEICHE RECHTE FÜR ALLE. Wir fordern diese Rechte Jetzt und Hier. Keine Gruppe in der Gesellschaft soll sich mit Krümeln zufrieden geben. Der Platz aller hier lebenden Menschen ist am Tisch. Auf der Bühne am Stephansplatz wird die Parole GLEICHE RECHTE FÜR ALLE den zentralen Platz einnehmen. Für den Aufruf zur Demonstration wurde jedoch die Parole "Gesicht zeigen! Stimme erheben!" ins Zentrum gestellt. ANAR will nun verhindern, dass durch den Aufruf die Demonstration ähnlich wie in Deutschland, als ein Aufstand der Anständigen angesehen wird. "Gesicht zeigen" REICHT NICHT!
Wie das Ziel, das Gesicht zu zeigen - gegenüber der Situation, wo MigrantInnen auf der Straße von der Polizei umgebracht werden - erreicht werden soll, wird nur insofern festgelegt, als vom "Aufstand gegen rassistische Ausgrenzung" die Rede ist. Rassismus ist längst ein Bestandteil des Systems selber, am besten qualifiziert durch die so genannte "Ausländergesetzgebung". Für MigrantInnen gibt es in Österreich auf keiner einzigen gesellschaftlichen Ebene eine Möglichkeit zu partizipieren; Österreich als Staat brachte Gesetze mit dem Ziel der "Strukturbereinigung des Gastarbeiterproblems" zustande, mittels dem mehrere zehntausend Menschen aus dem Land gejagt wurden; Gesicht zu zeigen hat man Gelegenheit genug gehabt und in mehreren Großdemos zu zeigen versucht. Das hat zu nichts geführt. Der Rassismus ist im Allgemeinen in Österreich weder ein Stammtischproblem noch eine Sache, die nur die rechtsradikalen Jugendlichen betrifft, sondern eine Angelegenheit von gesamtgesellschaftlichem Interesse, über das wir (spätestens jetzt, wo sich herausstellt, dass wir in einem Land ohne Opposition leben) unverkrampft diskutieren sollten. Im vergangenen Jahr haben wir diese Diskussion angefangen und uns dadurch zumindest die Möglichkeit der Entwicklung einer positiven gesellschaftlichen Perspektive erhofft. Gegenüber früheren Zeiten, wo man/frau kerzentragend auf der Straße spazieren gegangen ist, erleben wir zurzeit das Aufkeimen einer regen antirassistischen, antisexistischen und gegenüber dem Sozialabbau kritischen Szene. Diese Entwicklung lässt wenig Spielraum für Einschränkungen. Werden sie jetzt mittels Versuchen verharmlosender Deutung der Realität gestoppt, so können wir ruhig behaupten, dass wir eine Chance für die Demokratisierung der Gesellschaft verspielt haben. GESICHT ZEIGEN ist ZU WENIG Vermutlich würde die Mehrheit der MigrantInnen - wenn man/frau den Slogan "Gesicht zeigen, Stimme erheben" sowie die Forderungen mancher Gruppen ernst nimmt und umsetzt - kaum eine Verbesserung ihrer gesellschaftlichen Lage spüren. Die Aussichten für eine Zustimmung der politischen Parteien stehen jetzt positiver als jemals zuvor. Umso weniger verständlich ist es, warum nur kommunales Wahlrecht und nicht Wahlrecht im Allgemeinen oder auch Legalisierung von Illegalisierten bzw. Abschaffung der rechtlichen Ausgrenzung von "Fremden" gefordert werden sollte, warum denn nicht allen BewohnerInnen Wiens auch das Recht zugestehen, zu BürgerInnen zu werden. Auch sie wollen mitbestimmen, wer der Bürgermeister oder Staatspräsident sein soll. Wir wollen das allgemeine Wahlrecht auf allen Ebenen und zwar Hier und Jetzt. Wer dem nicht zustimmt und das auch fordert, will seine eigenen Privilegien behalten. Jede andere Forderung bedeutet nur einen milden Weiterbestand des bestehenden rassistischen Systems.

ANAR (Austrian Network Against Racism)

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