|
TATblatt-Originaltextservice: Dokumentation: Ebergassing "Die Repression, vor der man sich so fürchten
musste, >Das Kaninchen vor der Schlange >Schafft Dritte, Vierte Männer
Vor nunmehr drei Jahren, wahrscheinlich am 11.4.1995 gegen 21.45, verunglückten Peter Konicek und Gregor Thaler bei der versuchten Sprengung des 380kV-Hochspannungsmasten Nr.383, am Rande des Goldwaldes im niederösterreichischen Ebergassing tödlich. Seither ist viel Atomstrom von Ost- nach Westeuropa geflossen. In der Zeit danach wurden die zwei Toten beerdigt und als "Terroristen" geoutet. Ein als "links-liberal" geltender Innenminister von der F-Bewegung in Bedrängnis gebracht. Um die 200 Personen wurden von der Polizei verhört, ca. 40 Wohnungen durchsucht, die Zeitschrift Tatblatt (und in der Folge noch etliche andere Publikationen und Vereine) von der Presseförderung sowie arbeitsmarktpolitischen Subventionen ausgeschlossen. Zahlreiche Organisationen und Einzelpersonen wurden der Komplizenschaft, Mitwisser- bzw. Täterschaft verdächtigt und bezichtigt. Dritte, vierte und fünfte Männer und Frauen tauchten auf und verschwanden wieder. Gegen einige Personen wurde Strafanzeige erstattet und für einen so genannten "dritten Mann" ein internationaler Haftbefehl ausgestellt. Diese Person hat bis heute keine Möglichkeit nach Hause zurückzukehren, da sie medial längst vorverurteilt ist und real an Leib und Leben bedroht ist. Ein unglaubliches Mediengewitter beurteilte, verurteilte und vorverurteilte Tat und Täter und angebliche Mittäter. Selbst "linke" Journalisten nahmen und nehmen an dieser Treibjagd teil. Eine differenzierte Betrachtungsweise war, wie konnte es in Österreich anders sein, nicht zu finden. Dieses Papier wird aufzeigen, wie eine x-beliebige Person von der F genannt und damit zur Zielscheibe der Medien und danach der Polizei und Justiz wurde. Rund um den Tod der beiden Männer entstanden die absurdesten Gerüchte und Mythen. Denunzianten von links und rechts versuchten aus der Geschichte Kapital zu schlagen. Ganz Österreich links der ÖVP distanzierte sich auf das Entschiedenste von einer "gewaltbereiten, linksradikalen Anarcho- und Chaotenszene". Ganze "Netzwerke des Terrors" wurden aufgedeckt. Fast niemand in der "Szene" wollte mit den beiden jemals irgendetwas zu tun gehabt haben, viele bekamen das große Zittern, und einige meinten, Thaler und Konicek hätten das Land in den Schlund von - Gottseibeiuns- Haider gebombt. Madeleine Petrovic von den Grünen erklärte der Öffentlichkeit, was es mit dem staatlichen Gewaltmonopol auf sich hat, und warum es leiwand ist. ÖVP-Obmann Schüssel schwieg weise, beziehungsweise hetzte nur ein bisserl mit. Schließlich war der Ausbau der 380 kV Atomstrom-Transitachse eines seiner Lieblingsprojekte als Wirtschaftsminister. Die Sozialdemokratie schickte den Polizeiapparat ins Land, um eine Menge Leute jahrelang mit der Sache zu nerven. Und Haiders Scharfmacher Ewald Stadler diktierte vom Parlament aus via APA-Aussendungen der Polizei, wen diese zu verdächtigen, zu verfolgen oder anzuzeigen hat. Die Polizei zitiert in ihrem Bericht den gerichtlich verurteilten Funktionär der Nazi-Bande VAPO Hans Jörg Schimanek jun. als Motivforscher, der die beiden persönlich so gut wie Che Guevara kannte. Und zu guter letzt versuchten F und Kronenzeitung die versuchte Sachbeschädigung in Ebergassing mit den faschistischen Mordanschlägen in Oberwart oder Klagenfurt in Verbindung zu bringen und gleichzusetzen. Innerhalb der "linken Szene", und auch darüber hinaus, wurde die Sache weitgehend tabuisiert und totgeschwiegen. Die wenigen konstruktiven Stellungnahmen finden sich im Anhang. Eine genauere Einschätzung und seriöse Diskussion der Zusammenhänge fand nicht statt. Was es an radikalen, geschweige denn militante Form des Widerstandes gab, kam zum erliegen.. Militanz war unerwünscht, wurde abgelehnt, mensch distanzierte sich. Erst die Ereignisse am Kärntner Ulrichsberg (Datum?) brachten ansatzweise die Legitimation, Möglichkeiten und Notwendigkeit radikaler politischer Widerstandsformen in Erinnerung. Allerdings muss man befürchten, würden die Urheber einer solchen Aktion gefasst, hätten sie wenig Solidarität zu erwarten. Das vorliegende Papier versucht nun, nach 5 Jahren, aus Polizeiakten, Medien und Gerüchteküche die Fakten heraus zu filtern und in gesammelter Form vorzulegen. Weiters wird versucht, die "politische" Geschichte der beiden Täter zu rekonstruieren, Motivation, Hintergründe und Umstände der Tat zu analysieren, sowie das Vorgehen von Polizei und Medien zu beurteilen. Basam Al Taher, der der Mittäterschaft bezichtigt wird, ist noch immer irgendwo auf dieser Welt untergetaucht.. Sollte er nach Österreich zurückkehren, hätte er wohl noch immer wenig Chancen auf ein faires Verfahren. Wir wollen mit diesem Papier einen Anstoß geben, den Tatsachen Rechnung zu tragen und den Fall endlich differenzierter zu beurteilen. Es werden Einschätzungen versucht, was seither in der Linken passiert ist und was wohl passiert wäre, wenn der Anschlag geglückt wäre. 5 Jahre tabuisieren und verdrängen sind genug. Ebergassing wird bis heute von der F für Propagandazwecke missbraucht. Die anfängliche Aufregung sollte sich mittlerweile gelegt haben, die Diskussion könnte beginnen. Zu verlieren gibt es dabei wenig, zu gewinnen, so glauben wir, zumindest ein Lehrstück. Ein Lehrstück, über eine militante politische Aktion, über die Verhältnisse unter denen eine solche Aktion in diesem Land stattfindet, und über die Verhältnisse die das Scheitern einer solchen Aktion offen legt. Wir hoffen, dass ein solches Lehrstück auch neue Perspektiven und Handlungsmöglichkeiten eröffnet. Die Geschichte ist noch nicht zu Ende, ebenso wenig kann es die Berechtigung oder Notwendigkeit einer militanten Praxis sein. Hier also das teilweise natürlich bruchstückhafte Ergebnis einer längeren Recherche, in Medien (siehe Anhang II), den zugänglichen Akten (siehe Anhang I), und in der "Szene". Die Untersuchung beginnt damit, einige Eckpunkte der politischen Auseinandersetzungen der radikalen Linken vom Beginn der 80er-Jahre bis zur "Wende", dem Zusammenbruch des ehemaligen Ostblocks, bzw. in diesem Fall kurz vorher, der Räumung der besetzten Häuser in der Ägidigasse, wo sich Konicek und Thaler wahrscheinlich kennen gelernt haben, zu skizzieren, um sozusagen die Situation in der die beiden aufwuchsen und sich politisierten kurz in Erinnerung zu rufen. Die Reste der bewaffneten revolutionären Gruppen in Westeuropa waren noch aktiv, ihre Schicksale und Aktionen in der Linken breit diskutiert, und dauerndes Thema. So die RAF, einerseits ihre Gefangenen, andererseits ihre Anschläge wie Mitte der 80er Weiterstadt, oder noch später Herrenhausen, spektakuläre Verhaftungen von Brigade Rosse Leuten in Italien oder die Zerschlagung der französischen Aktion Direkt. In Deutschland gab es neben der RAF auch die Revolutionären Zellen, welche einzelne, von einander unabhängig agierende Gruppen, die selbstständig Aktionen ausführen sollten, propagierten. Einer der wichtigsten Konflikte in Österreich zu dieser Zeit war sicherlich die Auseinandersetzung um das Donaukraftwerk Hainburg, wo sich erstmals wieder militante Ansätze von größeren Gruppen manifestierten. Es entwickelte sich so etwas wie eine "autonome Szene". Klingende Namen wie Reagan, Thatcher regierten damals die Welt. Zu den wichtigsten Themen im linken außerparlamentarischen Spektrum zählten sicherlich atomare Aufrüstung, IWF und Weltbank, Kämpfe gegen Atomkraftwerke und Wiederaufbereitungsanlagen wie Wackersdorf. In ganz Europa erreichten Häuserkämpfe um Wohn- und Lebensräume, aber auch als Raum der politischen Organisation ihre Höhepunkte (Hafenstraße, Kreuzberg, etc.) Es gab starke und langjährige Solidaritätsbewegungen zu militanten Befreiungsbewegungen im Trikont, wie Nicaragua, Palästina, Kurdistan, und sogar Kampagnen wie "Waffen für El Salvador". In der Frauenbewegung entstanden in dieser Zeit militante Konzepte und Gruppen, wie z.B. die "Rote Zora". In dieser Zeit begann auch der Prozess, in dem aus dem Asylland Österreich, das stolz auf seine "Gastfreundschaft" war, das Naziland Österreich gemacht wurde. Als Ursache für soziale Missstände und Arbeitslosigkeit wurden MigrantInnen präsentiert, Fremdenhass erzeugt, Rassismus wieder salonfähig gemacht. Spätestens zu Beginn der 90er-Jahre reagierte der Staat auf wirtschaftliche Probleme mit einer Verschärfung der zunehmend diskriminierten und unmenschlichen Fremden- und Flüchtlingsgesetze, ein Prozess der bis heute nicht abgeschlossen ist. Im Zuge dessen stieg die Anzahl der rassistisch motivierten Gewalttaten und die tägliche Bedrohung von MigrantInnen. Das Bundesheer wurde an den Grenzen stationiert, die Menschenjagd begann. Die extreme Rechte trat wieder mehr in der Öffentlichkeit auf. Skinheads rotteten sich in U-Bahnstationen zusammen, und wurden von Nazi-Kadern organisiert. Es entstanden "legale Wahlbewegungen" wie "Ein Herz für Inländer" oder "Ausländer Halt" , aber auch gut organisierte "Wehrsportgruppen". Zur selben Zeit übernahm Haider die Führung in der FPÖ und brachte sie auf populistischen Erfolgskurs. Allerdings brachten erst die Umwälzungen nach dem Endsieg der Marktwirtschaft, dem Fall des eisernen Vorhang, der Globalisierung im Zeichen des Neoliberalismus, und den damit verbundenen Migrationsbewegungen, den Schub, der ihm zur heutigen Größe verhalf. (Wem diese sehr verkürzte Darstellung zu wenig ist, soll sich Literatur besorgen! oder so) Die nächsten Abschnitte sollen dazu beitragen, nachvollziehbar zu machen, wer Gregor Thaler und Peter Konicek waren, bzw. wie mensch dazu kommt, eines Tages wirklich Bomben an irgendwelchen Mastfüßen zu montieren. Peter Konicek ist in Ebergassing aufgewachsen und politisierte sich in der Schwechater Szene schon in jungen Jahren. Er war schon vor Hainburg bei "Baumbesetzungen" und anderen Protestaktionen dabei und jahrelang Global 2000 Sympathisant. Erst später, als Global 2000 mit der Anti-Mochovce-Kampagne begann mit der Kronen Zeitung eng zu kooperieren, stellte er seine Spenden ein. Schon früh scheint er mit dem herrschenden System nicht ganz glücklich gewesen zu sein. Mit 18 Jahren traf er die bewusste Entscheidung keine Matura zu machen, nicht zu studieren , sondern als Arbeiter zu leben. Er war lange Lastkraftfahrer, arbeitete später in einer selbstverwalteten Möbelfirma und beendete kurz vor seinem Tod die Ausbildung zum Stahlbauschweißer. Mit großem Engagement verfolgte er den Verlauf der Revolution in Nicaragua. Als das Nicaraguakomitee Freiwillige suchte, welche helfen sollten, die Infrastruktur der Dörfer wieder aufzubauen, war er dabei. Auch der Umstand, dass in dem Gebiet, wo er arbeitete, die Kontras immer wieder Angriffe und Massaker verübten, konnte ihn nicht abhalten. Als es darum ging, die Aulandschaft um Hainburg zu retten, war er einer von denen, die sich bei Minusgraden den Hintern abfroren, und denen die Staatsmacht den gewaltfreien Widerstand mit Prügelorgien beantwortete. Für ihn ging es nicht nur um die Erhaltung der Au, sondern auch darum, dass die Österreicher mal sehen konnten, wie mit Zivilcourage und Massenbeteiligung die unlauteren Absichten der Regierenden verhindert werden können. Betroffen machte ihn, in welcher Art die Vorläufer der Grünen dieses Potenzial von selbstbestimmtem Massenwiderstand für sich vereinnahmten und in "geordnete Bahnen" leiteten. Konicek entwickelte sich zu einem gut informierten, scharf analysierenden Menschen und begann sich in der "linken Wiener Szene" umzusehen. 1987 demonstrierte er gegen die Anwesenheit von Franz Josef Strauß beim Wiener Opernball. Zu dieser Zeit wollte der bayrische Ministerpräsident mit aller Gewalt (im wahrsten Sinne des Wortes) die atomare Wiederaufbereitungsanlage Wackersdorf gegen den Willen der Bevölkerung durchsetzen. Auch viele ÖsterreicherInnen nahmen an den Protesten und harten Auseinandersetzungen in Deutschland teil. Diese Demo wurde, wie auch die künftigen, gewaltsam aufgelöst. Weitere Erfahrungen dieser Art folgten. Wo Menschen selbstbestimmt zusammenlebten oder arbeiteten oder Widerstand die Interessen der Herrschenden störte, ist die Chance groß, von der Polizei geprügelt oder verhaftet zu werden. Die Betroffenen werden im Anschluss daran wegen "Widerstandes gegen die Staatsgewalt" angeklagt, um die Vorgangsweise der Polizei zu rechtfertigen. Bei der Opernballdemo 1989 war Konicek selbst davon betroffen. Er wurde festgenommen, schwer misshandelt und anschließend wegen Widerstandes verurteilt. Entlastendes ORF-Bildmaterial wurde einfach nicht in die Beweisführung aufgenommen. Zuerst im Umfeld der "Schwarzen Distel", einer stark inhaltlich orientierten anarchistischen Gruppe, infolgedessen im alten Flex, einem selbstverwalteten Kulturzentrum, das nach einer Metamorphose zu einem europäischen Top-Klub mutierte, und dann im EKH, einem multikulturellen, antifaschistischen internationalistisches Zentrum engagierte er sich in vielen Bereichen. Konicek propagierte offen, Menschen zu politisieren und zu radikalisieren, Widerstand aufzubauen und ein Umfeld für militante Aktionen zu schaffen. Er forderte immer wieder, privates und politisches nicht zu trennen, antifaschistische und antiimperialistische Haltungen nicht nur theoretisch zu diskutieren, sondern sie auch in der Praxis umzusetzen. Gregor Thaler verkehrte während seiner Lehrzeit als Maschinenschlosser in Innsbruck in der "Punk-Szene" und war über Jahre beim betreiben, erhalten, schaffen oder einfach nur benützen von nicht kommerziellen, politischen Freiräumen aktiv. Er nahm an Demonstrationen teil, auch in Wien, besuchte das besetzte Zentrum in der Gassergasse, war in Hainburg dabei, wofür er sich als Lehrling extra Urlaub nehmen musste. Bei seiner Musterung fürs Bundesheer verweigerte er das Ausfüllen der psychologischen Testbögen und begann so seine über 10-jährige Karriere als erfolgreicher Totalverweigerer. In Innsbruck wurde man als Bunthaariger oder "Politischer" amtsbekannt und permanent von irgendwelchen Bullen seckiert. Verhaftungen mittels Watschen und Fußtritten waren damals in Österreich noch Gang und Gebe. Thaler wurde in dieser Zeit, wie auch andere, immer wieder Opfer von Misshandlungen durch Exekutivbeamte. Nach Abschluss der Lehre zog er, aus Mangel an kulturellem Angebot, politischer Szene bzw. auch Aufgrund der polizeilichen Repressionsmaßnahmen gegen Punx in der Kleinstadt Innsbruck nach Wien. Er landete Ende 85 in der Ägidigasse, lernte für ihn interessante Leute, Standpunkte, Diskussionen oder Probleme der autonomen Szene kennen. In einem besetzen Haus zu leben, hieß, die Polizei plötzlich permanent zu Hause anzutreffen, unter ständiger Überfalls- und Räumungsdrohung zu leben, ständig medial und real kriminalisiert zu werden. Waren Auseinandersetzungen mit Neonazis in Innsbruck noch auf der Ebene von Raufereien abgelaufen, so erlebte er nun eine Ebene von Angriffen, die auf schwere Körperverletzung und "die Eisenstange auf den Schädel knallen" hinauslief. Eine Parallele mit Innsbruck ergab sich insofern, dass sich auch in Wien linksgerichtete Menschen mit eingeschlagenen Zähnen als Beschuldigte auf der Polizeiwache wiederfanden. Auf Demonstrationen für egal welches Thema auf die Straße zu gehen konnte ebenfalls bedeuten mit Polizeigewalt konfrontiert zu werden. Währenddessen wurde Wien innerhalb des Gürtels aufsaniert, d.h., gewachsene durchmischte Bevölkerungsstrukturen zerschlagen, alte oder sozial schwache Menschen in die Gettos am Stadtrand abgeschoben, Gründerzeitbauten abgerissen anstatt saniert, zugunsten von modernen Kategorie-A-Appartementkomplexen, Bürohäusern oder Hoteltürmen. Die Ägidigassler versuchten damals ihr Haus immer mehr zum Leben zu erwecken, organisierten Konzerte und Kulturveranstaltungen, verhandelten mit der Gemeinde Wien, versuchten die Bewohner von Gumpendorf (6.Bezirk) auf diese Art der Sanierungspolitik aufmerksam zu machen, sich überhaupt ein wenig politisch einzumischen und ein Kommunikationszentrum aufzubauen. All diese wahrhaft demokratischen Bemühungen brachten nichts als weitere Kriminalisierungen, und im August 88 wurde die Ägidigasse unter brutaler Polizeigewalt geräumt. Bagger brachen Löcher in das Erdgeschoß des Hauses, obwohl zahlreiche Personen sich in den oberen Stockwerken aufhielten. Die im Haus Verhafteten wurden, der mittelalterlichen Prügelstraße gleich, über mehrere Stockwerke die Stiegen hinunter getreten, über 140 Personen wurden verhaftet, das Haus mitsamt dem Eigentum der Bewohner niedergerissen und dem Erdboden gleichgemacht. Sämtliche Verhaftete für 14 Tage eingesperrt. Für diese Gewaltorgie wurde die Republik später sogar rechtskräftig verurteilt, und musste ein paar Tausender Schadenersatz an die Betroffenen zahlen. Die Hausgemeinschaft gab sich damals noch keineswegs geschlagen. Zwei volle weitere Jahre versuchten sie mit Öffentlichkeitsarbeit, Demonstrationen, Straßentheateraktionen und Besetzungen ein anderes Objekt für ihr politisches Projekt zu kämpfen. Aber jeder Versuch wurde immer wieder mit den selben Methoden beantwortet: Prügel und Gewalt, Tritte ins Gesicht, selbst vor laufender ORF-Kamera. Aller spätestens zu dieser Zeit dürfte Thaler klar geworden sein, dass so genannter "demokratischer Widerstand", auf Plena herumsitzen, Flugblätter zu schreiben und unter die Leute zu bringen und Demonstrationen abzuhalten, nicht die einzigen legitimen und anwendbaren Mittel eines linken Widerstandes darstellen. Trotz dieser Einsicht brachte er seine Energien und Erfahrungen weiterhin in allen Projekten ein, von denen er glaubte, dass sie etwas verändern könnten, wie zum Beispiel dem alten Flex. Er plante mit anderen die Besetzung des EKH, lebte und arbeitete dort 2 Jahre und war maßgeblich an den Renovierungen, den Verhandlungen mit dem Hauseigentümer KPÖ und der politischen Umsetzung des Anspruches des Hauses "antikapitalistisches, antirassistisches antifaschistisches Zentrum" beteiligt. 1989 wurde Gregor Thaler bei einer Anti-Weltbank-Demo verhaftet, und wegen Wiederstand gegen die Staatsgewalt angeklagt. 1993 verübte das türkische Militär ein weiteres Massaker in Kurdistan. Bei der darauf folgenden Demo, bei der die Scheiben der Türkisch Airlines zu Bruch gingen, wurde er festgenommen und später verurteilt.
Kennen gelernt haben sich Konicek und Thaler wahrscheinlich in der Ägidigasse. Schlüsselereignisse für die beiden waren sicher die brutale Räumung, und die nachfolgenden gescheiterten Versuche mit gewaltfreien Mitteln ein neues Haus zu bekommen. Der Aufbau des Flex als autonomes und politisches Kulturzentrum und dessen Kommerzialisierung und Entpolitisierung. Die Besetzung des Ernst-Kirchweger-Hauses als antirassistisches, antifaschistisches, multikulturelles Zentrum und die Erkenntnis, dass sich Umsetzen eines militanten Anspruchs in einem offenen Zentrum als schwierig herausstellte. Die Vorbereitungen und Durchführung verschiedener Demonstrationen, wie zum Beispiel zu den Opernbällen und die Erfahrungen mit der Exekutive. Anfang der 90er-Jahre wurde es ruhig in Wien. Die Repression hatte gegriffen. Demonstrieren, Prügel kassieren, verurteilt werden, jahrelanger Eintrag ins Strafregister und damit Ausschluss von vielen Jobmöglichkeiten war vielen auf die Dauer zu hart. Viele politisch aktive Leute zogen sich in Kleinfamilie zurück oder stürzten auf Drogen ab, oder verschwanden sonst irgendwie aus der Szene. Gruppenorganisierungen wurden zu dieser Zeit immer schwieriger. Thaler und Konicek zogen daraus wohl die Konsequenz, dass es auch andere Formen des legitimen Widerstandes geben muss. Die Leute, mit denen sie einen gemeinsamen Konsens über Militanz hatten, wurden immer weniger. Je radikaler und je kriminalisierbarer Aktionen sind, desto besser muss man sich überlegen, mit wem man zusammenarbeiten kann. Gefährlicher als Spitzel der Polizei sind dabei unter Umständen dumme und/oder neugierige Menschen. Konicek und Thaler begannen wohl immer mehr konspirativ zu arbeiten. Ihre Entscheidung hieß aber nicht "entweder, oder" sondern "sowohl, als auch". Das Ziel war natürlich die Verknüpfung aller möglichen Widerstandsformen. Kein "gegeneinander" sondern ein "miteinander".
Thaler und Konicek beteiligten sich weiterhin in offenen Projekten, scheinen sich in den folgenden Jahren aber immer wieder zu militanten Aktionen zusammengefunden zu haben. Beide waren in aktuelle politische Diskussionen involviert, und galten in vielen Bereichen als scharfe, sensible und gut informierte Beobachter. Falls die Ermittlungsergebnisse der Polizei zutreffen, und die Polizei hat immer Recht, ergibt sich gemeinsam mit den von der Terroristen-Hysterie gereinigten Fakten aus den Medien, das Bild, dass Thaler und Konicek im Laufe der Zeit so etwas wie eine Kontinuität einer militanten Praxis entwickelt haben. In der Strafanzeige (Anhang I) und in den Medien (Anhang II) wurden eine Reihe von Anschlägen der letzten Jahre mit Ebergassing in Verbindung gebracht die eine Reihe von Gemeinsamkeiten und technischen Parallelen aufweisen sollen. Bei keinem Einzigen der den beiden angelasteten Anschlägen gab es irgendeine Form von Bekennung, bei keinem einzigen Anschlag wurden Spuren hinterlassen, die der Polizei Anhaltspunkte für eine konkrete personenbezogene Ermittlung gaben, im technischen Aufbau von Sprengsätzen lassen sich nicht nur Parallelen, sondern sogar eine technische Weiterentwicklung nachlesen. Prinzipiell arbeiteten die beiden von Anfang an mit einer Mischung aus Natriumchlorat und Sacharose, d.h. Unkraut-Ex und Staubzucker, die Zündanlage bestand aus Zeitschaltuhr (also wahrscheinlich einem einfachen Wecker), einer Batterie, sowie einer Fotoblitzlichtlampe. Es wurden verschiedene Druckbehälter ausprobiert, von der Gasflasche über Weinflaschen, Druckkochtöpfe, einem benzingefüllten Metallkanister zwischen geöffneten Gasflaschen stehend, zurück zu Gasflaschen, bis zu scheinbar exakt für die Mastfüße geschweißten Sprengkörpern. Außerdem stellt die Polizei teilweise typengleiche Wecker und übereinstimmende Verkabelungstechniken fest. Die ersten drei Sprengsätze detonierten nicht, einmal ließ sich die Ursache nicht eruieren, einmal blieb die Zeitschaltuhr "stehen", einmal waren mangelhafte Elektrokontakte ausschlaggebend. Die nächsten angelasteten Anschläge funktionierten, wahrscheinlich auf Grund technischer Verbesserungen. Ein weiterer Anschlag wurde frühzeitig von einer Patrouille entdeckt und entschärft. Bei der nächsten Sprengung zündete nur ein Sprengsatz von zweien, allerdings mit überzeugender Wirkung. Dann folgte eine längere inaktive Phase, die wohl mit Ebergassing beendet hätte werden sollen. Chronologie laut Polizeiakt und Medien: 1.10.88 Versuchter Sprengstoffanschlag auf den Neubau der Bundespolizeidirektion am Liechtenwerder Platz in Wien. (Kurier) Gasflasche. Zündet nicht. 19.10.88 Versuchter Sprengstoffanschlag nachts auf einen Turmdrehkran der Baufirma HAZET,...Motiv: vermutlich Racheakt wegen Räumung der Ägidigasse und weitere Bauvorhaben der SCS-Gruppe in Vösendorf, (Strafanzeige).Zündet nicht 20.4.89 Versuchter Sprengstoffanschlag auf Kran der Baufirma HAZET,...Motiv: vermutlich Racheakt wegen Räumung der Ägidigasse...( Strafanzeige) Zündet nicht. 19.5.89 Sprengstoffanschlag auf die Flughafenautobahn bei Schwechat (per Fernzündung). Standart: "Es wird angenommen, dass dieser Anschlag, bei dem ein Lkw beschädigt wurde, eigentlich Barber Conable, dem Präsidenten der Weltbank, gegolten habe. Conable traf an diesem Tag in Wien ein." Druckkochtopf. Krater mit 3 Metern Durchmesser an der Straßenböschung. 12.2.90 Sprengstoffanschlag auf die Fa. MOTO-CAR in Wein 22, ..Motiv: unbekannt.( Strafanzeige), 9 Stück Mercedes beschädigt. 4.2.91 Versuchter Sprengstoffanschlag auf das Hauptlager der BP-Austria in Wien 11., Motiv: Golfkrieg (Strafanzeige) Wird entschärft. 9.2.91 Sprengstoffanschlag auf die Geleise der Westbahnstrecke in Radfeld/Tirol der ÖBB. ... Motiv: Durchfuhr der US-Bergepanzer nach Kuwait. (Strafanzeige) Ein Gleis zerstört, Krater im Bahndamm. Die Gasflaschen wurden laut Akt beim vorangehenden Anschlag mitgenommen. - und eben Ebergassing. Die Anschlagsziele bezogen sich auf einen breiten Bogen von politischen Themen. Selbstverwaltete Strukturen und selbstbestimmtes Leben, Hausbesetzungen, Polizeirepression, internationale Konzerne, Weltbank und internationaler Währungsfond, Schuldenspirale, dritte Welt, Krieg für Öl, oder eben Atomstromtransit.
Den 11. April 1995 verbrachten Konicek und Thaler wie viele andere Tage auch. Konicek war auf der Suche nach einer neuen Arbeitsstelle. Nicht mal Familie und Lebensgefährtinnen bemerkten, dass sich an diesem Tag etwas besonderes ereignen würde. Thaler bereitete einen Lammbraten für den Abend und verabschiedete sich nur für einige Stunden. Die Sprengkörper waren zu diesem Zeitpunkt wohl längst gebaut. Es gilt inzwischen als erwiesen, dass die Sprengkörper stark genug gewesen wären um den Mast umzulegen. Sie machten sich also auf den Weg zum Strommasten. Interessant ist vor allem die Frage warum gerade der Mast Nr. 383 im Goldwald bei Ebergassing für die Aktion ausgewählt wurde. Der wichtigste Grund war sicher, dass die Wahrscheinlichkeit jemanden zu gefährden an diesem Ort so gering war, wie dies in einem dicht besiedelten Land nur möglich ist. Das zeigt auch der Umstand, dass die Leichen erst eine Woche nach der Explosion gefunden wurden. Die Wahl des Ortes ist auch zu verstehen, weil Konicek dort aufgewachsen ist, er kannte die Gegend und fühlte sich dadurch sicher. Es war abersicher ein Fehler einen Ort zu wählen, wo einer der beiden bekannt war. Die Gefahr, für Konicek am Weg zum Masten erkannt zu werden, war sicher gegeben und wäre an einem anderen Ort vermeidbar gewesen. Im Zentrum der Ermittlungen und Spekulationen rund um die Aktion stand das Fahrzeug, mit dem die Sprengkörper zum Tatort gebracht worden sein sollen. Der Hauptgrund dafür war, dass die ermittelnden Behörden sehr schnell einen "Dritten Mann" konstatierten. Über diesen "Dritten Mann" später mehr. Beim Anschlag selbst wird ihm mehr oder weniger die Rolle des Fahrers zugewiesen. Konicek und Thaler hätten einen solchen aber keineswegs gebraucht. Ja es ist sehr unwahrscheinlich, dass die beiden, die mit Sicherheit immer so konspirativ wie möglich gearbeitet haben, auch nur eine Person mehr als unbedingt nötig, an der Aktion beteiligt hätten. Der Mast selbst steht genau am Waldrand, sodass die Basis des Masten von Büschen verdeckt ist, direkt davor erstreckt sich jedoch kilometerweit freies Feld. Ein Auto, mit dem über den nahen Feldweg die Sprengkörper angeliefert worden wären, hätte von weit ringsum entdeckt werden können. Auch wenn die Dunkelheit sicher einen gewissen Schutz geboten hätte, ein Auto an diesem Ort zu dieser Zeit wäre auf jeden Fall extrem aufgefallen. Es ist daher anzunehmen, dass Thaler und Konicek die 100 kg Sprengstoff schon früher im Gestrüpp in der Nähe des Masten versteckt haben. Und am 11.April mit der S-Bahn angereist sind. Die Station Gramatneusiedl ist zu Fuß ca. 20 Minuten entfernt, alle 30 Minuten fährt ein Zug von Wien dorthin, die Fahrzeit beträgt 20 Minuten. Die einzige Spur auf den "dritten Mann" waren Reifenspuren in der Nähe des Mastens. Diese stellten sich aber bereits kurz darauf als verwaschene Traktorreifenspuren heraus. Konicek und Thaler verwendeten für die Aktion in Ebergassing ein Selbstlaborat aus Unkrautex und Staubzucker. Anders als bei industriellen Sprengmitteln gibt es dabei niemals auch bei höchst professionellem Umgang hundertprozentige Sicherheit, dass nichts passiert. Ursache für den Unfall war aber wahrscheinlich nicht eine Selbstentzündung des Sprengstoffes. Bei der Planung der Sprengtechnik machten die beiden einen fatalen Fehler. Die Fotos der Sprengkörper weisen darauf hin, dass sie sozusagen maßgeschneidert exakt an die Mastfüße angepasst waren. Sie sollten direkt über den Betonsockeln sowie in ca. 4 Meter Höhe an den Nietstellen der Steherprofile angebracht werden. Die Sprengkörper wurden mit einer meterlangen Verkabelung untereinander verbunden. Genau in diesem System baute sich wahrscheinlich jene Spannung auf, die schließlich zur Selbstzündung der Anlage führte. Das Magnetfeld der 380kV-Leitung führte zur so genannten Autoinduktion. Heutzutage werden, etwa bei Sprengungen im Bergbau, bei Blitzgefahr oder wo auch immer Induktionsspannungen auftreten können, Erdungen, Abschirmungen und hochohmige Zünder verwendet, um solche Effekte auszuschließen. Aber weder Thaler noch Konicek hatten wohl dieses elektrotechnische Fachwissen. Es kam zu einer verfrühten Explosion eines Sprengkörpers. Die beiden müssen sich unmittelbar bei einem der Ladungen befunden haben. Laut gerichtsmedizinischem Gutachten führte die Wucht der Explosion zum sofortigen Tod. Bei beiden wurden Schädel-Hirn-Traumen und Lungenembolien festgestellt. Es ist anzunehmen, dass sich Konicek und Thaler die technischen Grundlagen zur Sprengung des Mastens selbst erarbeitet haben. Einschlägige Anleitungen gibt es, wie wir aus den Medien wissen, in verschiedenen Publikationen nachzulesen (Anhang 5). An den mit ihnen in Verbindung gebrachten Anschlägen lässt sich eine Weiterentwicklung ihrer Fähigkeiten nachzeichnen. Not macht erfinderisch. Die Mittel, die verwendet wurden, sind leicht und unauffällig zu besorgen. Die Technik ist leicht verständlich, wenn auch nicht ungefährlich. Der Vorteil dabei ist, dass das erarbeitete Wissen, relativ problemlos von anderen angewendet werden kann. Außerdem läuft man nicht Gefahr mit Geheimdiensten oder V- Männern in Verbindung zu kommen. Autonom ist eben autonom.
Es wird nie restlos geklärt werden können, warum Konicek und Thaler gerade an diesem Tag, an diesem Ort, mit diesen Mitteln diese Aktion machten. Dieses Papier versucht einige vielleicht nachvollziehbare Beweggründe aufzuzeigen.
Wie aus den Biografien von Konicek und Thaler hervorgeht, hatten beide eine lange Kariere in politisch bewussten Zusammenhängen hinter sich. Thaler und Konicek haben sich wohl weniger für das Auf und Ab in der offiziellen österreichischen Tagespolitik interessiert, als für die globalen Zusammenhänge im Zeichen von Kapitalismus und Imperialismus. Wer die beiden eventuell gekannt hat, musste wohl trotz der tragischen Umstände in der Zeit nach Ebergassing öfters schmunzeln, wenn er sah, wie sehr die offizielle Republik die Aktion in Ebergassing direkt auf sich bezogen hat. Vielleicht um es so auszudrücken, zu einem Innenminister Einem fiel ihnen wahrscheinlich zuerst einmal "Wer hat uns verraten..." ein. Es ist nicht anzunehmen, dass Thaler und Konicek ihr Leben riskiert haben, um die Ersetzung von Minister Einem durch Minister X zu erwirken. Es war sicher auch nicht ihr Ziel, Haider, der F oder "den Rechten" irgendetwas in die Schuhe zu schieben. Die Rechte stellt ihr Gewaltpotenzial schon immer wieder selber unter Beweis. Ziele sind dabei jedoch meist einfache Menschen, wie angehörige von Minderheiten, oder vermeintliche politische Gegner. Mit dem Ziel möglichst viel diffuse Angst zu verbreiten.. Die Aktion in Ebergassing aber richtete sich nicht gegen Menschen, sondern offensichtlich gegen Atomstromtransit. Das primäre Ziel war wahrscheinlich nicht, in Wien einen Stromausfall herbeizuführen. Thaler und Konicek verfügten sicher nicht über die Informationen, um abzuschätzen, wo und in welchem Umfang die Lichter ausgegangen wären. Wie auch immer, auch wenn in Österreich Stromausfälle selten sind, alle wichtigen Einrichtungen sind auf einen solchen vorbereitet. Krankenhäuser zum Beispiel sind mit Notstromaggregaten ausgerüstet. Genauso alle öffentlichen Räume wie Theater und Kinos, Polizei und Bundesbahnen. Selbst wenn Teile Wiens ohne Strom gewesen wären, Gefahr für Leib und Leben hätte für niemanden bestanden. Laut Aussage eines Technikers der Wiener Stadtwerke in den Medien, wäre Wien durch seine Ringleitung wenig bis gar nicht betroffen gewesen. Die meisten Menschen hätten wohl verstanden, dass sich diese Aktion nicht gegen sie richtet, auch wenn die Mattscheibe für kurze Zeit nicht geflimmert hätte. Was bei einem Anschlag auf Panzertransporte ganz klar ist, wäre bei einem anderen Verlauf der Ereignisse, wohl auch bei der Aktion in Ebergassing anschaulich geworden.
Vorbereitung und Antwort auf die "Dritte Republik" Über 10 Jahre massive Ausländerhetze und Rechtsruck in Österreich haben tiefe Spuren hinterlassen. Dinge die noch vor ein paar Jahren unmöglich gewesen wären, wurden schleichend zur Normalität. Staats- und Alltagsrassismus nehmen immer wieder noch krassere Formen an, doch der Abschiebekonsens ist kaum bedroht, radikale Töne sind nicht mehr notwendig. 1995 war die Situation noch etwas anders. Es war noch ein recht junges Phänomen, dass die gerade erst "befreiten" Menschen, die versuchten die Versprechungen vom goldenen Westen selbst zu überprüfen, zur "Umvolkungs"-Bedrohung wurden. Im Österreich von 1995 hatten die rechten Hetzer Blut geleckt, ernsthaft wurde die "Dritten Republik" ausgerufen. Das politische Klima in Österreich verschlechterte sich zunehmend, und die "Gutmenschen" diskutierten zu dieser Zeit öffentlich adäquate Auswanderungsziel. Thaler und Konicek zogen aus der Situation vermutlich andere Schlüsse. Jemandem, der in einem Haus lebt, in dem er ständig damit rechnen muss von Nazischlägern angegriffen zu werden, und der dabei weiß, dass ein großer Teil der demokratischen Öffentlichkeit nichts dagegen hätte, wenn dieses Haus brennen würde, ist die permanente Bedrohung in der man in diesem System lebt, wohl eher bewusst als anderen. Es fällt ihm wahrscheinlich auch leichter, den Schluss zu ziehen, dass man sich rechtzeitig vorbereiten muss, um sich bei Bedarf verteidigen zu können. Und wer von der Polizei verprügelt wird, wenn er versucht, gegen die ganze Scheiße etwas zu machen, kommt wohl auch leichter auf die Idee, dass er seine Handlungsmöglichkeiten erweitern muss, wenn er nicht immer selber der sein will, der auf die Mütze bekommt. In diesem Sinn war der Anschlag vielleicht wohl beides, Vorbereitung und Antwort auf die Dritte Republik. Vorbereitung im dem Sinn, dass sich wenigstens irgendjemand etwas für den Tag überlegt hat, an dem plötzlich viele draufkommen, dass es Zeit wird ins Exil zu gehen oder zu kämpfen Und Antwort im dem Sinn, dass man den Mächtigen einfach einmal an den Baum pinkelt, in der Hoffnung, dass eine Regierung die auf brennende Häuser von MigrantInnen mit Abschiebungen in Folterländer reagiert, vielleicht kapiert, dass so etwas zu Gegendruck führt, der auch heimliche Lieblingsprojekte wie eine zentrale europäische Atomstrom-Drehscheibe gefährden kann. Vielleicht war aber das konkrete Anschlagsziel gar nicht so wichtig, vielleicht ging es darum, sich die Möglichkeit zu erarbeiten, größere Stahlkonstruktionen zu sprengen, und das auch zu demonstrieren. Den Guten zur Aufmunterung, den Bösen zur Mahnung, und den Verwirrten wohl zur weiteren Verwirrung.
Abgesehen von den allgemeinen politischen Motivationen, sich überhaupt mit der Anwendung von Sprengstoff vertraut zu machen und angelesenes Wissen aus diesem Bereich in der Praxis zu überprüfen und weiterzuentwickeln, gibt es aber noch sehr nahe liegende handfeste alltags oder realpolitische Gründe, ausgerechnet einen Masten einer 380 kV Überlandleitung in die Luft zu jagen. Wie aus den Biografien zu entnehmen ist, hatten sich sowohl Konicek als auch Thaler in ihrer Geschichte auch mit Umweltthemen auseinander gesetzt. Der Kampf gegen die Zerstörung oder Beeinträchtigung einer intakten Umwelt ist Teil der Kämpfe um die Lebensbedingungen der Menschen überhaupt. In diesem Sinne waren und sind Umweltthemen, Straßenbauten, Giftfabriken, Gentechnologie oder eben Atomkraft ein wichtiger Bestandteil der Auseinandersetzungen in jenen Zusammenhängen, in denen sich Thaler und Konicek bewegten, oder die sie interessierten. Gerade im Deutschland der Achtziger- und Neunzigerjahreneunziger Jahre waren und sind autonome oder linksradikale Gruppierungen massiv in die Auseinandersetzungen um Atomkraftwerke beteiligt. Hier kam es zu den größten Massenbeteiligungen an militanten Aktionen, und ganz generell kann gesagt werden, dass in diesem Bereich die breiteste Unterstützung und das meiste Verständnis für radikale Praktiken und somit die größten politischen Erfolge der autonomen Linken zu verbuchen sind. Die Sprengung eines Masten dieser speziellen Leitung war die Reaktion auf Diskussionen und Informationen dieser Zeit. Auf der einen Seite gab es da das offiziell atomkraftfreie Österreich, mit seinem scheinbaren antiatomaren Grundkonsens, stolz darauf, Zwentendorf nie in Betrieb genommen zu haben. Das gipfelte darin, dass ausgerechnet die Kronenzeitung mit der Anti-Mochovce-Kampagne Österreich vor den bösen Ostatomkraftwerken retten wollte. Emotionen lassen eben die Kassen klingeln. Auf der anderen Seite gab es die Realität : In Westeuropa sind neue Atomkraftwerke auf Grund langjähriger Widerstände kaum mehr durchzusetzen, Atommüllentsorgung, Wiederaufbereitung, Endlagerung und Transport lassen sich immer schwieriger durchsetzen, höhere Sicherheitsauflagen verteuern die Produktion. Westeuropas Industrien haben aber ungemindert riesige Lust auf billigen Atomstrom. Seit geraumer Zeit bietet sich Osteuropa als geeignetes Hinterland an, die Menschen dort sind schlechter informiert und organisiert, die Staaten wirtschaftlich erpressbar. Dorthin können Risiken und Müllproblem exportiert werden, der Strom wird dann wieder zurück transportiert. Offiziell wurden in den letzten Jahren zahlreiche osteuropäische AKW mit westeuropäischen Geldern aufgerüstet um "die gröbsten technischen Missstände zu beheben und das Schlimmste zu verhindern". De facto baut und betreibt Westeuropa seine Atomkraftwerke längst einfach im Osten. Umweltprobleme werden nicht gelöst, sie werden ausgelagert, auf wirtschaftlich Schwächere umgewälzt. Auch eine Form von Imperialismus, eine Form von Ausbeutung. Der Rücktransport des Atomstromes ist genau jener Punkt, an dem Österreichs Beteiligung einsetzt. Seit langem ist klar, dass der Verbund im Zuge des EU-Beitritts Österreichs sein Stromhandelsmonopol verlieren wird. Was langfristig bleibt ist der Betrieb des lukrativen, im Eigentum des Verbundes bleibenden Leitungsnetzes. Eben jene 380kV-Leitung über Ebergassing ist eine wichtige Transeuropäische Stromautobahn. Vom ungarischen Umspannwerk Györ, das einerseits direkt mit dem Atomkraftwerk Bacs gekoppelt ist, und andererseits eine wichtige Knotenfunktion im osteuropäischen Energienetz besitzt, führt hier eine leistungsfähige Verbindung entlang der Donau nach Deutschland. An einer zweiten Atomstromautobahn, ebenfalls von Györ über das Burgenland und die Steiermark nach Norditalien wird gearbeitet, bzw. wurde von Wien bis ins Südburgenland bereits gebaut, obwohl der Trassenverlauf in der Steiermark auf Grund des Widerstandes der dortigen Gemeinden bisher noch nicht durchgesetzt werden konnte. Details aktuell Die Aktion in Ebergassing hätte wohl ganz klar dazu dienen sollen, genau diese Problematik einer größeren Öffentlichkeit bewusst zu machen und so zu einer breiten Diskussion über die Rolle Österreichs im internationalen Atombusiness beizutragen. (Mehr dazu im Anhang IV)
Am 19.April mittags, also 8 Tage nach der Aktion, wurden die Leichen von Konicek und Thaler gefunden. Die Polizei kannte sofort ihre Identität, da bei den Toten ein Ausweis gefunden wurde. Während die Polizei noch am Nachmittag mit Hausdurchsuchungen und Einvernahmen im Verwandten- und Bekanntenkreis von Thaler und Konicek begann, wobei sie Atomstrom als mögliches Motiv angab, erklärte sie den Medien, dass sie die Namen der beiden "Täter" noch nicht kenne. Auf Grund ominöser Reifenspuren wurde auf eine dritte beteiligte Person geschlossen. Diese Spuren stellten sich bald als Traktorspuren heraus, die durch Regen verwaschen wurden. Die Suche nach einem so entstandenen "Dritten Mann" setzte dennoch ein. Sie nutzte der Polizei als Vorwand für eine Durchleuchtung der linken Szene und entwickelte sich sehr schnell zu einem Politikum. Viele Leute wurden mit der Anschuldigung der Komplizenschaft unter Druck gesetzt. Entgegen der zu erwartenden Zuweisung des Falles an die Staatspolizei wurde die Kriminalpolizei Niederösterreich damit beauftragt. Laut gut informierten Kreisen hat der Innenminister selbst die "sozialdemokratische" Gruppe Windisch (der Kripo NÖ) der F-unterwanderten Stapo vorgezogen. Wer die österreichische Polizei kannte, musste staunen. Statt mit brutaler Repression arbeitete die Polizei mit klassischer Kriminalspsychologie und Verhörstaktik. Die Informationen der Polizei wurden nur dosiert, zeitlich exakt auf den Verlauf der Ermittlungen abgestimmt, an die Medien weitergegeben. Am ersten Tag wurde nur von mutmaßlichen "Linksextremisten" gesprochen. Inzwischen wurde das nahe Umfeld der beiden bearbeitet. Am zweiten Tag, nach etlichen Einvernahmen und Hausdurchsuchungen, standen die Namen der beiden in der Zeitung um die Reaktionen darauf abzuchecken. Viele, die mit den beiden, inzwischen von den Medien zu "Terroristen" hochstilisiert, zu tun gehabt hatten, bekamen es mit der Angst zu tun. "Scheiße, ich habe die beiden gekannt!" Als die Ermittlungen ins Stocken gerieten, wurden die Fotos von Konicek und Thaler veröffentlicht. Und schon meldeten sich weitere "Auskunftspersonen" Diese Form der Zusammenarbeit zwischen Medien und Polizei wurde weitergeführt und ausgebaut. Nachdem die Lebensgefährtin von Thaler eine Woche nicht zu finden war, erklärte sie die Polizei für "entführt oder tot". Die makabre Falschmeldung erzeugte den gewünschten Druck, und führte zur gesteigerten medialen Diabolisierung der linken Szene. Es wurde suggeriert, es gäbe so etwas wie ein gut organisiertes Terrornetzwerk, das einfach Zeugen verschwinden lassen konnte. Die allgemeine Verunsicherung erreichte solche Ausmaße, dass viele das auch tatsächlich zu glauben begannen. Das gewünschten Ergebnis ließ nicht lange auf sich warten. Die "Entführte" musste sich wohl oder übel bei der Polizei melden. Zahlreiche Personen wurden im Zuge der Ermittlungen mit einem formlosen Zettel an der Tür oder einem Telefonat dazu aufgefordert, doch mal bei der Kripo/Mordkommission vorbeizukommen. Reine Formsache. Die Leute, noch gelähmt davon, dass Freunde, oder Bekannte gestorben waren, und eingeschüchtert durch Medien und die "Mordkommission" folgten in der Regel ohne triftigen Grund dieser Einladung. Die Verhöre dauerten oft 4-5 Stunden, egal wie nahe die Person den beiden stand, oder ob sie sie überhaupt gekannt hatte. In ganz Österreich, überall, wo einer der beiden irgendwann mal war, wurden Leute vernommen. Teilweise wurden Personen, die für die Polizei jederzeit zu Hause erreichbar gewesen wären, um Druck zu erzeugen an ihrem Arbeitsplatz oder von der Schule abgeholt, manche wurden auch damit bedroht, dass für ihre Entlassung gesorgt werden könnte. Manchmal wurde bei den Nachbarn oder Eltern nachgefragt. Bei der Polizei wurden die Vorgeladenen von einem Team empfangen. Meist waren alle sehr freundlich. Bald fand sich z.B. unter den 5 anwesenden Polizisten 2-3, die versuchten, mit der zu verhörenden Person eine persönliche Ebene aufzubauen. Diese führten dann eine auf die Person abgestimmte Befragung durch. Die Beamten boten gleich das Du-Wort oder Zigaretten an. Das macht das Gespräch relaxter. Erkundigten sich besorgt nach dem persönlichen Befinden, nach diesem schrecklichen Ereignis. Erklärten: "dass man selbst auch schon mal gegen Mochovce unterschrieben hätte, dass man das ja verstehen würde, was die beiden gemacht hätten. Dass sie von anderen Vernehmungen wüssten, dass die beiden eh leiwande Kerle waren. Und, wüsste man eine Bombe zu basteln, man das doch glatt auch tun würde,..." Wenn diese Methoden nicht reichten, ging es auch härter. "Wir sind die Mordkommission. Wir müssen annehmen, dass ein Dritter beteiligt war und die beiden einfach liegen hat lassen. Die beiden haben ziemlich sicher noch gelebt. Wir haben bei allen Rettungen nachgefragt, da ist nicht mal ein Notruf eingegangen. Da war einer, der hat die beiden einfach verrecken lassen." Angehörigen und Freunden wurde wahlweise erklärt, dass der ihnen jeweils Näherstehende der beiden Toten noch stundenlang nach der Explosion gelebt hätte. Dies, obwohl der Obduktionsbefund klar besagt, dass Thaler und Konicek durch die Wucht der Explosion auf der Stelle tot waren.
Das Kaninchen vor der Schlange
In der Linken herrschte von Beginn an Panik vor der großen Repression. Eine offene Auseinandersetzung mit der Aktion und dem Thema war und ist bis heute kaum möglich. Distanzierungen von Militanz an sich und von den beiden Personen im Speziellen beherrschten die Situation. Jede Aktionsform die nur im entferntesten das staatlichen Gewaltmonopol in Frage stellte, schien plötzlich undenkbar. Aus Angst, mit den "linken Terroristen" in einen Topf geworfen zu werden, vergasen sämtliche Umweltorganisationen ihre Verantwortung. Obwohl viele dieser Organisationen seit Jahren zum Thema 380kV arbeiteten, wurde die Bevölkerung kaum mit Fakten und Hintergründen konfrontiert. Rein juristisch betrachtet handelte es sich bei der Aktion in Ebergassing um eine Sachbeschädigung. In anderen Ländern sind das Sprengen von Strommasten oder das Kappen elektrischer Leitungen von Bahnstrecken breit akzeptierte Widerstandsformen. Haider, Krone und der Rest der Presse konnten ungestraft die Realität in ein Szenarium von Blut, Mord und Terrorismus verwandeln, ohne dass sich irgendjemand öffentlich dagegen gewandt hätte. Man hätte ja als Sympathisant (!) des Anschlages tituliert werden können. Die Linke paralysierte sich in ihrer Angst vor Repression und "Dritter Republik" selbst. Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Gruppen wurde immer schwieriger. So brachen zum Beispiel die Grünen für lange Zeit Projekte mit außerparlamentarischen Gruppen ab und einige MitarbeiterInnen wurden gegangen. Viele verließen ihre politischen Positionen und manche Gruppen übernahmen den Sprachgebrauch der F. Es liegt auf der Hand, nicht die beiden Toten haben uns in die Nähe der "Dritten Republik" gebombt, sondern die Linke räumte in ihrer Paranoia selbst das Feld und gab Haider die Möglichkeit, diese Aktion für sich auszuschlachten.
Als die Polizei mit ihren Untersuchungen begann, reagierten viele Betroffene in ihrer Angst mit vorauseilendem Gehorsam. Es gab kaum formelle Vorladungen, eine an der Wohnungstür zurückgelassene Notiz veranlasste viele bei der Polizei zu erscheinen, manche kamen sogar einfach so. "Damit ich es hinter mir habe, die laden mich sowieso früher oder später vor, ich habe die zwei ja auch gekannt" (Wirklich!) Bei der Befragung erzählten die Leute dann stundenlang (wie beim Psychologen) über Gott und die Welt. Wer mit wem befreundet sei, zusammengewohnt hatte, auf Urlaub war, gestritten hatte. etc. Grundsätzlich gab man der Polizei wieder Namen, und weitere Leute bekamen einen Zettel zugeschickt. Über den Anschlag oder eine militante Linke konnte natürlich niemand etwas berichten. Der Polizei wurde es dadurch aber ermöglicht, sich einen Überblick über die Beziehungen innerhalb der Szene in den letzten 10 Jahren zu verschaffen. Irritierend dabei ist, dass selbst Leute, die nicht nur theoretisches Wissen über Aussageverweigerung, sondern auch praktische Erfahrung damit hatten, plötzlich völlig falsch reagierten. Jahrelange Praxis wurde einfach verdrängt, und das, obwohl es in der Szene gleichzeitig eine Informationskampagne zum Umgang mit den Behörden gab (siehe Anhang III).. "Sagst du ja, bleibst du da. Sagst du nein, gehst du heim!" Alte Weisheiten behalten ihre Gültigkeit. Leute, die die Aussage verweigerten, verließen nach einigen Minuten die Polizei und wurden nicht mehr belästigt. Im Nachhinein lässt sich klar feststellen, dass die von vielen erwartete "brutale Repressionswelle" niemals einsetzte. Vielleicht weil sie bei der angetroffenen Gesprächsbereitschaft auch gar nicht notwendig war!? Der Spielraum der Polizei wäre damals jedenfalls um einiges größer gewesen. Wenn bei der medial aufgeheizten Terroristenjagd ein "Dritter Mann" erschossen worden wäre, hätte die Polizei wohl keinerlei Legitimationsprobleme gehabt. Trotzdem galt und gilt, die wirkliche Repression, vor der man sich fürchten muss, herrschte vor allem im Kopf und blockiert - bis heute - die Auseinandersetzung.
Dass der vermutliche Sinn der Aktion medial völlig entstellt wurde, ist nicht bloß Haider, den Sozialdemokraten, der ÖVP, den Grünen, den Medien oder sonstigen staatstragenden Organisationen zuzuschreiben, sondern die Szene selbst hat durch Distanzierung und Tabuisierung massiv dazu beigetragen. Für viele "Normalbürger", die sich im Alltag nicht mit Revolution, Widerstand und Militanz auseinander setzen, war die Sache viel unkomplizierter und die Aktion an sich nachvollziehbar. Außerhalb der Szene kann über die Aktion teilweise wesentlich gelassener und seriöser diskutiert werden. Wir wollen hier Repression oder ihre Möglichkeiten keineswegs verharmlosen. Direkte Repression wie ständige Ausweiskontrollen, Prügel auf der Polizeistationen und Demonstrationen, ist für die linke Szene vielleicht nicht mehr so spürbar wie in den 80er-Jahren. Dafür sind MigrantInnen umso massiver davon betroffen. Andererseits ändern sich die technischen Möglichkeiten der indirekten Repression und die Überwachung wird immer dichter (Datenerfassung, Observation, Vernetzung von Polizeidateien, europaweit und weltweit, etc.). Im Falle Ebergassing fand aber eine wirkliche Repression weder direkt noch indirekt statt, sondern "Mythen" beherrschten die Situation.
Der Fall Al Taher
Das folgende Kapitel behandelt das sozusagen "dritte Opfer" der Causa Ebergassing. Bassam Al Taher wird seit damals per internationalem Haftbefehl weltweit gesucht. Die Polizei wirft ihm vor, bei Ebergassing und anderen Aktionen beteiligt gewesen zu sein. Die Medien haben ihn längst umfassend vorverurteilt. Im Falle, dass die österreichischen Behörden seiner habhaft würden, müsste er zumindest mit langfristiger Untersuchungshaft rechnen. Er könnte nicht auf ein faires Gerichtsverfahren hoffen. Wir werden im Folgenden beweisen, dass die Person Bassam Al Taher von der F und den Medien in den Fall Ebergassing hinein konstruiert wurde und dass es keine Indizien für eine Tatbeteiligung von Dritten, geschweige denn von Bassam Al Taher gibt.
Die Suche nach einem dritten oder vierten Mann hat mehrere Ursachen, Hintergründe und Dimensionen. Für Polizei, Medien, Politik und Justiz gab es jeweils verschiedene Gründe, dritte und vierte Männer zu konstruieren und zu verfolgen. Bevor wir aber diese Gründe näher beleuchten und erklären, wollen wir eine chronologische Darstellung dieser Suche nach dem "Dritten Mann" geben.
Nach dem Auffinden der beiden Toten am 19.4.1995 kannte die Polizei sofort deren Namen. Da beide "amtsbekannt" waren, konnten sie auch sofort der linken Szene zugeordnet werden. Schon am ersten Tag der Einvernahmen war die Polizei im Besitz einer umfassenden Liste von FreundInnen und Bekannten. Reifenspuren, die sich tags darauf als Traktorspuren herausstellten, erlaubten es der Polizei nach weiteren Tätern zu fahnden. Wobei sie nicht an eine bestimmte Person dachte, oder nach einer bestimmten Person fahndete. Sie benützte den "Dritten Mann" um ungehindert Ermittlungen zu führen und die Szene umfassend zu durchleuchten. Zur Hauptfrage, die sich den ermittelnden Beamten stellte, wurde wohl, ob es weitere Personen gibt, die egal ob an dem Anschlag in Ebergassing beteiligt oder nicht, für solche Aktionen bereit wären. Mit der "Dritten Mann" Theorie konnten sie nicht nur ungehindert arbeiten, sie diente auch der allgemeinen Einschüchterung der zu Befragenden. Die Medien und vor allem auch die F stürzten sich auf das Thema "Dritter Mann" und erfanden eine gewalttätige, zu allen Grausamkeiten bereite, linke Szene. Die linke Szene, wie auch die Grünen, Umweltorganisationen usw. waren erschrocken, distanzierten sich und schwiegen. Haider und Krone warfen dem Innenminister Einem vor, den Anschlag zu verharmlosen und die Täter nicht finden zu wollen. Das erinnerte zum einen einige Medien wieder daran, dass eine versuchte Sachbeschädigung doch nicht mit faschistischen Morden und schwerer Körperverletzungen gleichzusetzen ist. Zum anderen wollten viele Linke in der SPÖ, bei den Grünen, bis in die linke Szene hinein den Innenminister schützen. Dies, obwohl Minister Einem den Vertrag von Schengen unterschrieben hatte und es während seiner Amtszeit sogar mehr Abschiebungen gab als unter seinem berüchtigten Vorgänger Löschnak. Auf allen Ebenen wurde wohl beratschlagt, was zu tun sei. Eine von wahrscheinlich vielen Ideen, war, dass der Minister einen Erfolg brauchte. Der "Dritte Mann" von Ebergassing musste gefunden werden. Die Polizei blätterte ihre Unterlagen durch und suchte sich einen Namen heraus, eine Person, der die beiden Toten gekannt hatte. Die Polizei machte sich nicht mal die Mühe, die Person zu suchen, Adresse oder Arbeitsplatz ausfindig zu machen. Der Generaldirektor für öffentliche Sicherheit Sika rief einen ihm bekannten Rechtsanwalt an, der Kontakte in die linke Szene hatte. Offenbar sollte es einen Deal geben. Jemand sollte sich stellen, damit Einem aus der Schusslinie sei. Dafür würde man die Ermittlungen in der Szene einstellen und auch das Strafmaß würde etwas milder ausfallen. Der Rechtsanwalt Dr. Prader formulierte dies später so: "Ich wurde am 26.4 1995 von Herrn Mag. Sika in Frankreich, wo ich mich mit meiner Familie in einem Privathaus auf Urlaub befand, angerufen und gefragt, ob ich bereit wäre auf eine bestimmte Person; nach der im Zusammenhang mit dem versuchten Sprengstoffanschlag in Ebergassing gefahndet wird, einzuwirken, sich allenfalls mit Anwalt – der Polizei zu einer Vernehmung zu stellen. Begründet wurde dieses Ersuchen damit, dass es aufgrund der aktuellen politischen Diskussionen rund um Ebergassing und Innenminister Dr. Einem von größter Wichtigkeit wäre, den Fall Ebergassing, die Motive und Zusammenhänge möglichst rasch aufzuklären, um den wilden Gerüchten, Spekulationen und Verdächtigungen ein Ende zu setzen....." Über den weiteren Verlauf gibt es verschiedene Interpretationen. In einer Sachverhaltsdarstellung, die der Staatsanwaltschaft übermittelt wurde, heißt es: "...Dr. Prader hat in diesen Telefonaten glaublich behauptet, der Generaldirektor für die öffentliche Sicherheit, Michael Sika, hätte ihn ersucht in der Szene eine bestimmte Person, welche der gesuchte "Dritte Mann" von den Tätern in Ebergassing wäre, dazu zu bewegen, sich zu stellen. Auf den Einwand, diese Person sei nachweislich nicht der gesuchte "Dritte", hat Dr. Prader gesagt, es wäre "denen gleichgültig", sie wären "zufrieden," wenn sie irgendeinen bekämen, einen solchen Fahndungserfolg benötigte der Minister, der über Sikas Vorstoß bei Dr. Prader informiert wäre. Dr. Prader behauptete ferner, Minister Einem sei sein, Praders bester Freund, und er, Prader, wolle alles unternehmen, um ihn , seinen besten Freund, den Minister Caspar Einem zu retten." Der "Gesuchte" übrigens ging zur Polizei. Er war nicht nur ordnungsgemäß an seinem Wohnort und Arbeitsplatz gemeldet, sondern hatte für die Tatzeit ein Alibi. Für die Polizei war damit diese Angelegenheit erledigt. Nicht aber für die F und die Krone. Nachdem diese Geschichte medial bekannt wurde und der Rechtsanwalt auch im Fernsehen dazu Stellung genommen hatte, brach ein Gewitter wilder Anschuldigungen los. In einer dringlichen Anfrage am 2.5. erklärte Ewald Stadler von der F, der Minister hätte den "Dritten Mann von Ebergassing" gewarnt. Er bezog sich auf die Sachverhaltsdarstellung, welche der Staatsanwaltschaft übermittelt wurde. Was die Herren Stadler und Co allerdings nicht wussten, war der Name des Betroffenen. So wurde einfach irgend ein Namen eingesetzt! Die Wahl viel auf den Namen Bassam Al Taher, den wohl ein windiger F-Stapozist aus einem verstaubten Observierungsbericht herauslas, aus dem hervorging, dass er einer der vielen war, die Thaler und Konicek gekannt hatten. Eine gute Wahl, wie sich herausstellen sollte, als politischer Aktivist und Totalverweigerer mit palästinensischem Namen eignete er sich hervorragend die Hetze voranzutreiben. Bassam Al Taher wurde also deswegen zum dritte Mann, weil Haiders Kettenhund schlecht informiert war. Die Medien veröffentlichten ungeprüft die Aussagen Stadlers. Was zählten waren Verkaufszahlen und nicht Tatsachen. Die Medien erzeugten mit der dauernden Erwähnung Al Tahers als "Dritten Mann" eine Scheinwirklichkeit mit weit reichenden Folgen. Daran konnten auch Stellungnahmen der Polizei nichts ändern. So sagte zum Beispiel der Leiter der Kriminalabteilung Niederösterreich Franz Polzer am 5.5. in einem Interview: "Derzeit wird nach drei Personen gefahndet, der Mann, den Stadler genannt hat, ist nicht darunter." Diese Situation beschrieb Rechtsanwalt Prader folgendermaßen: "...Auf Grund der aufgeheizten Stimmung kann und werde ich als Rechtsanwalt derzeit niemandem, der in den Fall Ebergassing involviert ist, raten, sich den Sicherheitsbehörden und der Justiz zu stellen, da aufgrund möglicher medialer Vorverurteilungen ein faires Verfahren und eine angemessene Strafe zumindest fraglich sein könnte. ..." Der Druck auf den Innenminister und die Polizei wurde immer stärker. Sie sollten doch endlich den "Dritten Mann" festnehmen. Obwohl keine Indizien gegen Al Taher vorlagen, gab die Polizei dem medialen Druck nach. Sie begann am 4.5. mit dem Abhören seines Telefons, machte aber erst am 10.5. eine Hausdurchsuchung. Dort fanden sich keine Gegenstände, die mit Ebergassing in Verbindung gebracht werden konnten. Was sich dort fand war einzig ein PLO-Ausweis Al Tahers. Dieser Ausweis und die Tatsache, dass Al Taher, ein Bekannter der beiden Toten, nicht auffindbar war, regte die Fantasien der Journalisten an. Sie kreierten die "Palästinensische Terrorconnection". Dabei holten sich viele, die mit Palästinensern verwandt waren, so ein Dokument ganz einfach, um bei Reisen nach Jordanien oder Syrien weniger behördlichen Aufwand zu haben. Falls Al Taher die Möglichkeit gehabt hatte, diese Entwicklungen in den Medien zu verfolgen, wäre es nachvollziehbar, wenn er zu diesem Zeitpunkt beschlossen hätte, mal für einige Zeit nicht aufzutauchen. Was für ihn noch fatale Folgen haben sollte. Für die Polizei war es so am bequemsten. Sie hatte einen Täter, dem sie nichts beweisen musste. Und gegenüber den Medien musste sie den Täter ohnehin nicht glaubhaft vermitteln. Und dies, obwohl jeder Journalist durch die Berichte im Forum und in der ZiB jederzeit nachvollziehen hätte können, dass die Mittäterschaft Al Tahers eine willkürliche Konstruktion Stadlers war. Die Polizei beendete im Juli 1995 vorerst die offiziellen Ermittlungen, schloss diese mit einer Strafanzeige (Anhang I) gegen Al Taher wegen mutmaßlicher Beteiligung an sechs (!) Sprengstoff- bzw. Brandanschlägen ab, und erließ einen internationalen Haftbefehl. In besagter Anzeige findet sich nicht ein einziger Sachbeweis gegen Al Taher, keine einzige Zeugenaussage, die ihn mit einem der ihm zur Last gelegten Aktionen in Verbindung bringt. Seitenlang wird lediglich bewiesen, dass auch Al Taher ein Bekannter der beiden Toten gewesen ist. Es wird versucht, eine kriminelle Scheinwelt zu konstruieren, in der Al Taher als Täter glaubhafter erscheint. Als geradezu perversen Höhepunkt zitiert die Polizei bei der Motivforschung den verurteilten Neonazi und als "Der Schlächter" bekannten Hans Jörg Schimanek jr. Nun gut. Das Ende der Geschichte ist offen. Der traurige Held der Geschichte weilt irgendwo auf dieser Welt. Das Problem Al Tahers besteht darin, dass es ihm nicht frei steht sich zu stellen. Nach wie vor besteht ein internationaler Haftbefehl gegen ihn. Von der Polizei wurde Al Taher als "möglicherweise bewaffnet" dargestellt. Somit wäre sein Leben, sollte er irgendwo auftauchen, gefährdet. Obwohl rein juristisch nichts gegen ihn vorliegt, kann er sich sicher sein, dass er immer noch mit keinem fairen Verfahren rechnen kann. Ein solches wäre auf jeden Fall unkalkulierbar und gefährlich.
Die oben dargestellten Sachverhalte können von jedem mit ein bisschen Recherche überprüft werden. Die wichtigsten Dokumente hierzu finden sich im Anhang. Daneben gibt es noch eine Menge an Überlegungen, die sich beim näheren Hinschauen aufdrängen. Wir wollen versuchen verschiedene Motivationen für die Konstruktion der "Dritten und Vierten Männer" darzustellen und damit dazu anregen, politische und gesellschaftliche Abläufe hinter den Kulissen bewusster wahrzunehmen.
Über Jahre hinweg kam es immer wieder zu militanten Aktionen, die den Linken zuzuschreiben waren. Nachdem die Polizei jahrelang keine Tatverdächtigen gefunden hatte, war das bei Ebergassing erstmals anders. Hier hatte man konkrete Personen, Namen und ein Umfeld. Für die Polizei war es wohl bald klar, dass bei dieser Aktion keine Mittäter notwendig gewesen wären. In den Vordergrund trat die Frage, ob es in Österreich außer den beiden Verunglückten noch weiteren relevanten Widerstand gab. Ob es sich um eine kleine autonom agierende militante Gruppe handelte, oder ob sich vielleicht unbemerkter Weise eine breitere Struktur des Widerstandes, legal oder illegal, wie zum Beispiel in Deutschland gegen die Castortransporte entwickelte. Es ging darum, dass Gefahrenpotenzial der Szene abzuschätzen. Um die Szene aufzurollen, zahlreiche Leute zum Verhör zu laden, und Wohnungen zu durchsuchen brauchte es einen guten Vorwand. Die Bedrohung durch eine Terrorgruppe mit weiteren, vielleicht bewaffneten Mittätern eignete sich dafür hervorragend. Die Geister, die sie damit gerufen hatten, wurden sie allerdings nicht mehr los. Die Polizei hat den "Dritten Mann" mitkonstruiert, und war damit später dazu gezwungen, einen solchen auch zu präsentieren. Als Al Taher später von den Medien und der F zu einem solchen gemacht wurde, musste die Kriminalbeamten das Spiel der F mitspielen. Die ermittelnde Gruppe Windisch hat auf jeden Fall davon profitiert. Sie wurden für die seriösen erfolgreichen Ermittlungen, die mit der "Klärung" des Falles abgeschlossen werden konnten, allseits gelobt. Für die Polizei ist es vielleicht ganz angenehm, dass Al Taher nicht wieder auftaucht und somit die Vorwürfe nicht bewiesen werden müssen. . Die Medien haben sich genauso verhalten wie in anderen Fällen. Allerdings kann man im Fall Ebergassing besonders gut nachvollziehen, wie sie arbeiten, Politik machen, Einfluss nehmen (siehe auch Anhang II). Wir haben uns hier darauf beschränkt, die Rolle der Medien im Verlauf der "Dritten Mann" Geschichte anzureißen. Wie zu erwarten stürzten sich die Journalisten geradezu auf das Ereignis und lieferten hemmungslose Sensationsberichterstattung. Objektive Recherche, korrekte Darstellung der Tatsachen, waren nicht das Gebot der Stunde. Die abstrusesten Theorien und wildesten Räubergeschichten waren wieder einmal der Stoff aus dem man Auflage machte. Die merkwürdigen Umstände, die dazu führten, dass Al Taher zum "Dritten Mann" aufgebaut wurde, wären leicht zu recherchieren gewesen. Doch was schon das Aufdecken der ungerechtfertigten Kriminalisierung eines Menschen, gegen die never ending story von der Suche nach dem gefährlichen Komplizen. Hätte es den Mythos "Dritten Mann" nicht gegeben, wäre das öffentliche Interesse nach einigen Wochen versiegt. So aber gab diese Story sehr lange genug Stoff, einige Seiten zu füllen und ein paar Tausender daran zu verdienen.
Der F ist es gelungen, den Fall Ebergassing bzw. den "Dritten Mann" geschickt für ihre Zwecke zu nutzen. Haider musste sich in dieser Zeit gefallen lassen, als "Geistiger Ziehvater des rechten Terrors" bezeichnet zu werden. Eine der Aufgaben des als linksliberal geltenden damaligen Innenministers Einem war sicherlich auch, den Einfluss der Rechten innerhalb der Exekutive zurückzudrängen. So entzog Einem auch im Fall Ebergassing der teilweise F-nahen Staatspolizei die Ermittlungen. Er zog klar die Grenze zwischen einer Aktion mit Sachbeschädigung oder rechtem Terror mit Verletzten und Todesopfern. Dies wurde ihm von der F sofort als Verharmlosung des linksextremen Terrors ausgelegt. Als Einem etwas ungeschickt über den Rechtsanwalt Prader in der "linken Szene" zu intervenieren versuchte, hatte die F, was sie wollte. Sie warf Einem vor, den "Dritten Mann" gewarnt zu haben. Wer dieser "Dritte Mann" war und ob er überhaupt existierte, war der F wiederum völlig egal. Sie versuchte den Spieß umzudrehen und erfand ein "Netzwerk des linken Terrors", in dem Einem eine Schlüsselrolle zugeschrieben wurde. Der "Dritte Mann" dient bis heute dazu, der linken Szene ein Naheverhältnis zur SPÖ anzudichten und die rechte Gewalt in Österreich zu relativieren, und damit deren geistigen Ziehvater Jörg Haider zu entlasten.
Die Sozialdemokraten waren sicher diejenigen, die einen "Dritten Mann" am wenigsten brauchen konnten. Allgemein machten die Stimmengewinne der F der SPÖ schon längere Zeit Sorgen, aber nach Ebergassing von der F in die Nähe des linken Terrors gerückt zu werden, war ein großes Problem. Deswegen und weil die Regierung nicht wollte, dass die 380 kV Leitung medial thematisiert wird, wurde es politisch immer wichtiger, den Fall möglichst schnell aufzuklären. Und nachdem der "Dritte Mann" zur medialen Realität gemacht wurde, entstand die politische Notwendigkeit, einen solchen zu finden. Sie appellierten an die linke Szene, sich staatstragend zu verhalten, um einen Kanzler Haider zu verhindern. In Wirklichkeit fürchtete die SPÖ nicht die "Dritte Republik", sondern den Verlust einiger Wählerprozente. Sie verlangten, eine beliebige Person auszuliefern, damit die Geschichte endlich vom Tisch sei. Hier passierte der SPÖ eine Fehleinschätzung. Die so genannte "Linke Szenen" war natürlich nichts, mit dem sich etwaige Deals machen ließen. Weder fand sich irgendwer der Interesse daran zeigte, noch waren entsprechende Strukturen vorhanden, die so etwas ermöglicht hätten. Nachdem der Versuch der Intervention für Einem und die SPÖ in einem Fiasko endete und sich so kein "Dritter Mann" finden ließ, hatten sie nichts dagegen, dass die F mit den Medien irgendeine Person zum "Dritten Mann" machten. Sie konnten den Erfolg Einem zuschreiben, das Problem war gelöst. Würde Al Taher heute auftauchen, würde die F das wiederum für ihre politischen Zwecke zu instrumentalisieren versuchen. Die Polizei käme in die Verlegenheit mit der fadenscheinigen Beweislage des Polizeiaktes, Al Taher den Prozess machen zu müssen. SPÖ und ÖVP sind auch mit dem jetzigen Zustand zufrieden. Nichts wäre ihnen unangenehmer als ein Verfahren, in dem die Hintergründe der 380kV Leitung und des Atomstromtransits vielleicht untersucht und öffentlich diskutiert würden.. Die Grünen wollen sich der Diskussion um die 380kV Leitung in Zusammenhang mit Ebergassing mit Sicherheit auch nicht stellen. Die Medien freuen sich immer, wen sie wochenlang über einen spektakulären Prozess berichten könnten. Wie aber würde sich die Situation für Al Taher darstellen? Medial vorverurteilt, mit dem Hintergrund verschiedenster politische Interessen, hätte Al Taher wahrscheinlich wenig Chancen auf einen fairen Prozess. Und kaum jemand würde sich finden, der sich für ihn einsetzt. Die Angst, im Zusammenhang mit Ebergassing genannt zu werden, wäre wohl immer noch viel zu groß.
Die F und einige Medien haben lange Zeit, die Aktion in Ebergassing mit dem Briefbombenterrors und dem Mordanschlages in Oberwart auf eine Stufe gestellt. Natürlich ist es in Wirklichkeit nicht schwer zwischen verschiedenen Formen von Gewaltanwendung zu differenzieren. Indikatoren dafür sind unter anderem die ausgewählten Ziele, die Gefährdung Unbeteiligter, welche Effekte herbeigeführt werden sollen, etc.. Rechter Terror und staatliche Repression zielen zum Beispiel immer wieder darauf auf, diffuse Angst in zu erzeugen, in der Allgemeinheit, oder in bestimmten als Opfer auserkorenen Gruppen. Das heißt, Ziele werden relativ beliebig ausgesucht, die Gefährdung Unbeteiligter wird oft in Kauf in genommen, oder ist sogar erwünscht. Wenn ein Asylantenheim brennt sollen sich alle MigrantInnen fürchten, und wer immer glaubt in so einem Heim etwas verloren zu haben, kann gerne mitverbrennen. In Ebergassing wurde viel dafür getan, dass Unbeteiligte möglichst nicht zu Schaden kommen. Ohne Unfall wäre das Motiv in der öffentlichen Diskussion bald klar gewesen. Gefürchtet hätten sich wahrscheinlich nur die Nutznießer der internationalen Atomstrom-Deals. Eine solche Differenzierung war nach der Auffindung der beiden Toten öffentlich nicht mehr möglich. An sich, gibt es zwar einen gesellschaftlichen Grundkonsens, dass in gewissen Situationen militante Widerstandsformen legitim und notwendig sind. (Widerstandskämpfer, Faschismus,...) Im sozialdemokratischen Österreich wurde die Möglichkeit des Auftretens solcher Situationen immer mehr in Abrede gestellt. Formen des militanten Widerstandes die in anderen Ländern ganz normal sind, wie Streiks und Blockaden sind in Österreich inzwischen nahezu undenkbar. Nach Ebergassing sind auch die letzten Reste militanter Ansätze verschwunden. Selbst die politische Arbeit der "Linken Szene" beschränkt sich auf legalistische Aktionen, die niemals Gefahr laufen können, kriminalisiert zu werden. Radikalere Ansätze werden kaum mehr geäußert, und schon gar nicht aufgegriffen. Nicht einmal verbal im Scherz werden anschlagsrelevante Ziele in die Luft gesprengt.
Zuguterletzt ist es interessant zu überlegen, was wohl passiert wäre, wenn die Aktion in Ebergassing nicht so tragisch ausgegangen, der Masten gefallen wäre. Zwei Menschen wären noch am Leben. Einer müsste nicht im Exil sein Dasein fristen. Konicek und Thaler hätten sich nach dem Montieren der Sprengsätze wohl zu Hause über den Lammbraten hergemacht, mit einem Gläschen Wein. Und wenn der Strom ausgefallen wäre, hätten eventuell anwesende Gäste kaum das stille zufriedene Grinsen der beiden bemerkt, während sie die Kerzen geholt hätten. Angenommen, die Anschläge aus dem Polizeiakt sind wirklich alle ihnen zuzuschreiben, hätten sie wahrscheinlich auch dieses Mal keinen Bekennerbrief verfasst und auch sonst keine Hinweise hinterlassen. Viele Menschen in Österreich hätten den Sinn dieser Aktion wahrscheinlich verstanden und einige hätten eventuell die berühmt-berüchtigte "klammheimliche Freude" verspürt. Der Widerstand gegen die 380 kV hätte neuen Auftrieb bekommen. Die Wahl der Sprengmittel und die angewendete Technik waren nachvollziehbar und hätten andere Personen vielleicht dazu gebracht, sich grundsätzlich mit solchen Problemen auseinander zu setzen. Die Atomlobby hätte vielleicht versucht, den Anschlag zu vertuschen und das Ganze vor den Medien als ein technisches Gebrechen darzustellen. Nichts ist ihnen unangenehmer als die Thematisierung der 380kV Leitung und des Atomstromtransits. Die Polizei hätte ermittelt. Aber man erinnere sich zurück, ob es bei früheren Anschlägen, die der Linken zugeschrieben wurden, große Dramen gab? Erinnern wir uns konkret an den Anschlag gegen die Durchfuhr von US-Panzern im Krieg gegen den Irak im Jänner 1991. Einige Tage nach der Aktion begannen Funktionäre der SPÖ und Regierungsmitglieder öffentlich zu diskutieren, dass eine Durchfuhr von Kriegsgeräten mit der Neutralität nicht zu vereinbaren ist und weitere Genehmigungen nicht erteilt werden sollten. Polizeiliche Ermittlungen gegen bestimmte Personen konnten mangels Hinweisen nicht geführt werden. Vielleicht wär‘s anders gekommen, vielleicht wär eh alles so wie es jetzt ist. Zum Beispiel, dass die selbe Regierung der Bevölkerung einerseits eine Kampagne gegen Mochovce unterbreitet und andererseits mit Atomstrom reichlich Gewinne macht. Vielleicht wär’s eh so gekommen, wie es kam, als die Steirische Elektrizitätsgesellschaft an die französische EDF verkauft wurde und sich alle damit abfanden: "Strom hat eben kein Mascherl, man kann eh nix dagegen machen."
III Flugis und Stellungsnahmen
|
||
>>TATblatt-Inhaltsverzeichnis |
©TATblatt,
2001
Alle Rechte
vorbehalten
Nachdruck, auch auszugsweise,
nur in linken alternativen Medien ohne weiteres gestattet (Quellenangabe undBelegexemplar
erbeten)!
In allen anderen
Fällen Nachdruck nur mit Genehmigung der Medieninhaberin (siehe Impressum)