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Flüchtlingspolitik auf australisch

"That boat will never land in our waters — never!" verkündete der australische Premier John Howard und schickte 49 schwer bewaffnete Soldaten einer Eliteeinheit an Bord des norwegischen Schiffes Tampa, das 438 Flüchtlinge aus Seenot gerettet hatte.

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Weitere 115 Soldaten bewachten den Hafen der Christmas Islands, um die "nationale Souveränität" Australiens zu schützen, die laut Meinungsumfragen einer Mehrheit der AustralierInnen durch die 438 - in der großen Mehrheit afghanischen Flüchtlinge - gefährdet schien. Bei einer derart brutalen und unmenschlichen Politik gegen Flüchtlinge, gab es für John Howard sogar Applaus aus dem Umfeld der rassistischen Partei One Nation. David Oldfield, ein ehemaliger Berater der One-Nation-Führerin Pauline Hanson, gratulierte John Howard in einer Presseaussendung und meinte, dass nun eines der Hauptziele von One Nation erreicht sei: Die Liberale Partei von der Linken wegzudrängen. Oldfield schreibt, dass One Nation eine Atmosphäre geschaffen habe, die es Howard ermögliche, frei und nach Belieben zu handeln.

In Australien stehen Wahlen vor der Tür und viele KommentatorInnen sehen in Howards flüchtlingsfeindlicher Panikmache, die fast weltweites, oft verlogenes Entsetzen hervorrief, eine Wahlkampfaktion. Diese Haltung gegenüber Flüchtlingen dürfte in Australien weit verbreitete Unterstützung genießen. Anders kann wohl kaum erklärt werden, dass z.B. nicht einmal dem Roten Kreuz erlaubt wurde, an Bord der Tampa zu gehen und eine Kampagne gegen Norwegen gestartet wurde, nur weil der norwegische Kapitän eine Jahrhunderte alte Selbstverständlichkeit, nämlich in Seenot befindliche Menschen aufzunehmen und im nächsten Hafen abzuliefern, setzte. Die Mehrheit der australischen Bevölkerung glaubt offensichtlich das Gerede von dem überproportional großen Teil afghanischer Flüchtlinge, den Australien angeblich aufnimmt. Im Vorjahr waren es insgesamt 745, 450 davon durch Vermittlung des UNHCR. Jugoslawien hat im selben Zeitraum z.B. 3300 AfghanInnen aufgenommen, Kenia 9400, die Niederlande 3405 und die Türkei 2300. Parallel dazu kommt es aber auch zu einem Erstarken der antirassistischen Solidaritätsbewegung, die die Schließung der sechs Internierungslager und volle Rechte für Flüchtlinge fordert. An einer Demonstration am 3. Juni, es war die bisher größte, nahmen mehrere tausend Menschen teil.

Haben es die Flüchtlinge einmal geschafft, australischen Boden zu betreten, erwartet sie ein oft jahrelanges Martyrium. In den gefängnisähnlichen Flüchtlingslagern, die meist im Landesinneren weitab von jeglicher Zivilisation liegen, kam es in der letzten Zeit regelmäßig zu Aufständen, Ausbrüchen, Selbstmorden und Hungerstreiks. Zuletzt gab es Anfang Juni Aufstände in den Lagern Curtin und Woomera, die mit Tränengas und Wasserwerfern niedergeschlagen wurden. Seit letztes Jahr bei einem Aufstand im Internierungslager von Woomera, das besonders berüchtigt und in einem ehemaligen Testgelände für Raketen untergebracht ist, 500 Insassen ausgebrochen sind, wurden die "Sicherheitsmaßnahmen" weiter verstärkt und die Zahl des Bewachungspersonals erhöht. Das Lager von Woomera wird von hohen Stacheldrahtzäunen umgeben und von 500 Meter entfernten, riesigen Scheinwerfern nachts taghell beleuchtet. Immer wieder berichten Flüchtlinge von Übergriffen und Misshandlungen durch das private "Sicherheitspersonal".

Einige Tage nachdem die afghanischen Flüchtlinge von der Tampa auf ein australisches Kriegsschiff, das mittlerweile bei der nur 21 m2 großen und von nur 12.000 Menschen bewohnten Insel angekommen ist, gebracht wurden, stoppte die australischen Marine erneut ein Boot, diesmal mit meist irakischen Flüchtlingen. Die Flüchtlinge wurden ebenfalls auf das Kriegsschiff verfrachtet, das die unfreiwilligen Passagiere am 19. September verlassen sollen. Einige irakische Flüchtlinge haben angekündigt, sich zu weigern, das Schiff zu verlassen. Die australische Armee hat auf Nauru, der weltweit kleinsten Republik, mittlerweile ein behelfsmäßiges Flüchtlingslager, selbstverständlich mit Stacheldraht umgeben, errichtet. Die australische Regierung zahlt an Nauru rund ATS 150 Mio., damit die Asylanträge von 283 der Flüchtlinge des ersten und 237 des zweiten geprüft werden. 150 Flüchtlinge werden von Neu Seeland aufgenommen.

Der australische Außenminister Alexander Downer argumentiert ganz ähnlich, wie österreichische PolitikerInnen das seit Jahren machen: Australien muss hart gegen Flüchtlinge vorgehen, damit es nicht als leichtes Fluchtziel erscheint. Mittlerweile wurde mit Unterstützung der oppositionellen SozialdemokratInnen rückwirkend mit 8. September beschlossen, dass es Flüchtlinge in Zukunft z.B. nicht mehr möglich ist, auf den Weihnachtsinseln oder den ebenfalls zu Australien gehörigen Ashmore-Riffs, einen Asylantrag zu stellen. Ein australischer Gerichtsentscheid, der den Flüchtlingen die Einreise nach Australien erlaubt hatte, wurde mittlerweile wieder aufgehoben. Doch Australien wird es mit noch so vielen Millionen Dollar und Gesetzesänderungen nicht schaffen, sich vor der Auseinandersetzung mit der Problematik zu drücken. Am 16. September landete ein Schiff mit 63 Flüchtlingen auf den australischen Cocos Islands.

aus TATblatt Nr. +174 vom 20.September 2001

 
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