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Technische Rundschau

Tja das Internet hat so einiges in unserem gesellschaftlichen Leben geändert. War es noch vor zehn Jahren so, dass Nazis verschämt in der Straßenbahn saßen und dort ihr Hakenkreuz auf die Rückenlehne des Vordersitzes schmierten, um ein bisschen an öffentlicher Aufmerksamkeit zu erregen, hat jetzt auch beim letzten braunen Recken der technische Fortschritt einzuggehalten. Da wird heute die neueste MP3 von DJ Adolf über eine der zahlreichen Tauschbörsen verschickt oder gleich mal eine eigene Homepage gebastelt, um auch mal ein bisschen Aufsehen zu erhaschen.

Die "Homepage Machine Deluxe" ist da, wie mensch so sagt, ein Hammer: Ruck, zuck bastelt sich da jedmensch seine eigene Homepage, den nötigen Webspace schenkt ihm E-Media, das Internetmagazin aus dem Hause Fellner, auch gleich dazu. Weil das so schön einfach ist, mietete sich in der "members"-Gemeinde von E-Media auch so illustre Gruppierungen wie die "Division Thor" ein. Bis Anfang des Monats schleuderte sie dem/der eher peinlich berührten SurferIn nach einem herzlichen "Willkommen, Kameraden" Gedichtlein wie "Thors Hammerwurf" entgegen.

Wie lange die Neonazi-Homepage sich in der E-Media-Mitgliedergemeinde aufhielt, ist für Außenstehende nicht genau zu sagen. Die Seite der "Division Thor" ließ E-Media jedoch "auf besonderen Wunsch der Staatspolizei" eine weitere Woche online. Mittels der von den E-Media-TechnikerInnen abgespeicherten "Log-Files" (Dateien die speichern wer, wo, wann und wie eine Internetseite besucht) konnten die wackeren KameradInnen dingfest gemacht werden. Die ErbauerInnen weiterer "sieben bis acht" Homepages mit Inhalten, die unter "Verhetzung" und/oder "nationalsozialistische Wiederbetätigung" fallen, wurden dabei ebenfalls überführt. Wichtig scheint den zuständigen StapozistInnen nun nicht aber die in erster Linie Verurteilung der Neonazis, sondern bald ein Gerichtsurteil zu haben, das die Verantwortung jener InternetproviderInnen klärt, auf deren Maschinen sich Neonazis und, mensch beachte besonders, "andere ExtremistInnen" mit ihren Angeboten tummeln.

"Weder der Verfasser noch der Host dieser Seite trägt Verantwortung für die Art, in der die hier zur Verfügung gestellten Informationen genutzt werden. Dateien und alles andere auf dieser Seite sind nur für den privaten Gebrauch bestimmt und sollten darum nicht runtergeladen oder gelesen werden. Wenn Sie irgendwie in Verbindung mit der Regierung, einer Anti-Pirate Gruppe oder anderen ähnlichen Gruppen stehen, ist der Zugang zu den Dateien und das Lesen der HTML Seiten verboten. Alle Objekte dieser Seite sind Privat-Eigentum und somit nicht zum lesen bestimmt. Es ist also verboten diese Seite zu betreten. Wenn Sie diese Seite dennoch betreten , verstoßen Sie gegen den "Code 431.322.12 of the Internet Privacy Act", der 1995 von Bill Clinton verabschiedet wurde. Das heißt sie können gegen die Personen, welche diese Dateien verwalten, nicht vorgehen. WENN SIE DIESER VEREINBARUNG NICHT ZUSTIMMEN, VERLASSEN SIE DIESE SEITE!"

Seit Sommer dieses Jahres ist die sich diesermaßen präsentierende Seite "Hack the Nazis!" der Autonome Netzguerilla / Zelle Bordeaux online. Die "Website für praktischen Antifaschismus" sammelt und veröffentlicht verschiedenste Daten von Neonazis. So bietet die Seite die Möglichkeit für jedmenschen sowohl IP-, Wohn- wie auch E-Mail-Adressen, Telefonnummern, Gästebücher und Internetseiten von Neonazis direkt auf der Seite zu veröffentlichen.

Des Weiteren stehen eine Reihe von recht bemerkenswerten Programmen – E-Mail- und SMS-Bomber, Port-Scanner und diverse andere einschlägige HackerInnen-Tools – zum Download bereit. Ein Angebot also, das sicher nicht nur für Antifas interessant ist.

>>>http://www.hackthenazis.de.vu/

Datenschutz und Werbung im Internet bleiben die strittigen Themen im EU-Parlament. Die Abgeordneten haben sich bisher nicht auf einen Entwurf für eine neue Richtlinie über die Verarbeitung personenbezogener Daten in der elektronischen Kommunikation einigen können und verwiesen einen Entwurf zur weiteren Diskussion an den zuständigen Ausschuss zurück. Besonders strittig an der geplanten Neuregelung ist die elektronische Werbung - insbesondere an der Frage, ob Unternehmen E-Mail-Werbung ungefragt verschicken dürfen und KonsumentInnen nachträglich ihre Ablehnung bekannt geben müssen ("opt-out"). Der ÖVP-Europaparlamentarier und EVP-Sicherheitssprecher Hubert Pirker plädiert für das Gegenmodell ("opt in"). KonsumentInnen sollen alle elektronischen Informationen erhalten und dann auswählen können, ob sie diese weiter beziehen möchten oder nicht. Tja, so stellt sich der kleine Hubert die große weite Warenwelt halt vor!

Am 5. September des Jahres verabschiedete das Europäische Parlament nebenbei mit großer Mehrheit den Bericht des ECHELON-Untersuchungsausschusses. Ein Jahr lang hatte der Ausschuss gearbeitet und im Juli des Jahres seinen Abschlussbericht vorgestellt. Dabei kam der Endbericht zum eher banalen Schluss: Echelon existiert, aber es gibt nicht viel, was mensch dagegen tun kann. Statt den polizeistaatlichen Angriff auf Grundrechte von BürgerInnen grundsätzlich zu kritisieren, regt der Bericht lediglich diplomatische Verhandlungen mit den USA, mehr Rechtssicherheit für europäische BürgerInnen - und Selbstschutz durch Verschlüsselung nahe. Maßnahmen gegen Echelon-Staat und EU-Mitglied Großbritannien wird es darüber hinaus nicht geben.

Der Bericht stieß jedoch auch auf heftige Kritik innerhalb des EU-Parlaments. Vor allem links-liberale Abgeordnete kritisierten, dass sich der Bericht hauptsächlich zur Industriespionage, die den Vereinigten Staaten unterstellt wird, Stellung nimmt und in erster Linie betont, dass dadurch ein Wettbewerbsnachteil für die EU entstehen könnte. Das Echelon-System wird dabei in keinster Weise einer grundsätzlichen Kritik unterzogen, müssten dazu doch auch die Geheimdienstpraktiken insgesamt – also auch die der EU-Staaten - auf die Tagesordnung gesetzt werden. Das tut der Bericht jedoch ganz und gar nicht, kommt er doch im Gegenteil sogar zu der Schlussfolgerung, dass die Kooperationen zwischen EU-Geheimdiensten und auch ein EU-Geheimdienst an sich unterstützt werden sollte. Ein Thema also, das unter dem Licht der jüngsten Ereignisse in den USA, durchaus wieder an Aktualität gewonnen hat.

aus TATblatt Nr. +174 vom 20.September 2001

 
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