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Unzumutbarkeiten der schwarzblauen Arbeitsmarktpolitik

Über die geplanten Verschärfungen der Zumutbarkeitsbestimmungen für Arbeitslose und andere Sünden der schwarzblauen Arbeitsmarktpolitik

Man (in diesem Fall Wolfgang Brodil – Arbeitsrechtsexperte und Berater von Wirtschaftsminister Bartenstein) kann es nennen wie man will: "Flexibilisierung" oder "rechtliche Klarstellung", letztendlich laufen die Pläne der Bundesregierung auf eine Verschärfung der Zumutbarkeitsbestimmungen für Arbeitslose hinaus. Es geht hierbei um Kriterien, die ein Job erfüllen muss, um für den/ die betroffene ArbeitsloseN zumutbar zu sein. Dies bezieht sich zum Beispiel auf die örtliche Nähe und Erreichbarkeit, auf das Einkommen, oder darauf, dass die Tätigkeit auch der Qualifikation des/ der ArbeitnehmerIn entspricht.

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Galt bisher in der Zeit des Arbeitslosengeldbezugs ein Anspruch auf einen zumutbaren Arbeitsplatz auf dem gleichen Qualifikationsniveau wie der zuletzt ausgeübte Beruf, soll diese Schranke nun bereits nach 13 Wochen fallen. Ab diesem Zeitpunkt muss sich der/die Arbeitsuchende mit einem Job zufrieden geben, für den er/ sie eigentlich überqualifiziert ist. Wird er/ sie erneut arbeitslos, kann diese Dequalifizierung nach 13 Wochen wieder eine Stufe hinuntergeschraubt werden. Und damit passiert genau das, was eigentlich mit einer sinnvollen Arbeitsmarktpolitik vermieden werden soll: eine dauernde Dequalifizierung bewirkt ein noch größeres Gedränge im Niedriglohnbereich der schlecht qualifizierten ArbeitnehmerInnen.

 

In die gleiche Kerbe schlägt auch die Forderung von Bartenstein, dass die Arbeitslosen in all jene Berufssparten vermittelbar sein sollten, die sie in den letzten drei Jahren ausgeübt haben. Es kann also passieren, dass man nach drei Jahren beruflicher Weiterentwicklung wieder an den beruflichen Start zurückgeschickt wird. Beispiel: ein Stockmädchen (Pflegehelferin) im Krankenhaus entschließt sich zu einer Weiterbildung zur Krankenpflegerin, anschließend arbeitet sie ein Jahr als Krankenpflegerin und wird in der Folge gekündigt. Nach Minister Bartensteins Plänen wäre sie nach 13 Wochen wieder als Stockmädchen vermittelbar. Und bei neuerlicher Arbeitslosigkeit könnte gleich wieder als Stockmädchen vermittelt werden.

 

Doch leider enden die Sünden der schwarzblauen Arbeitsmarktpolitik nicht bei den Zumutbarkeitsbestimmungen. Die EU-Kommission hat im Anschluss an die Nationalen Aktionspläne der Mitgliedsstaaten eine Art Ratschlägekatalog für die wichtigsten Verbesserungen im Bereich Arbeitsmarktpolitik herausgegeben. Für Österreich schlägt die Kommission eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen für MigrantInnen und Frauen vor sowie den Ausbau von (Weiter)Bildung vor. In allen drei Bereichen schlägt die schwarzblaue Koalition allerdings einen konträren Weg ein.

Der erste Punkt - die Verbesserung der Arbeitsmarktchancen für ethnische Minderheiten und Zuwanderer – ist ja eine Forderung, die die EU schon seit längerem an Österreich stellt. Die Antworten von Schwarzblau sind aber ein uneingeschränktes Kontingent an Saisoniers und Schlüsselarbeitskräften und der "Integrationsvertrag" für in Österreich lebende MigrantInnen – alles in allem eine zusätzliche Verschlechterung der Arbeitsbedingungen für MigrantInnen. Bevorzugt behandelt werden also AusländerInnen, die auch schön im Ausland wohnen bleiben und uns nach der Beendigung des Dienstverhältnisses keine weiteren Probleme mehr bereiten. Sobald ihr Arbeitsverhältnis beendet ist, ist nämlich auch ihr Aufenthaltsrecht beendet. Die Arbeiterkammer befürchtet, dass etwaige Rechtswidrigkeiten (z.B. Bezahlung unter dem Kollektivvertragslohn) von Saisoniers nicht mehr eingeklagt werden können. Außer Saisoniers sind noch Schlüsselarbeitskräfte willkommen – gut ausgebildete Personen und am besten auch noch in Sparten mit Arbeitskräftemangel. Nur die werden sich hüten Österreich als Niederlassungsort zu wählen. Für hier lebende MigrantInnen gibt es die zusätzliche Schikane "Integrationsvertrag" der eigentlich nur den zwingenden Besuch eines Deutschkurses mit 50% Selbstbehalt beinhaltet. Rechte sind damit keine verbunden. Diese Frechheit ist ein Unikum in Sachen Integrationsverträge. Zwar gibt es auch den von der Bundesregierung vielzitierten holländischen Integrationsvertrag – dieser zeichnet sich allerdings durch den Ausbau von Rechten für die Betroffenen aus: Die Kurse werden zur Gänze vom Staat subventioniert, sie erstrecken sich über einen Zeitraum von zwei Jahren und sind mit umfangreichen Förderungen zur Integration in den Arbeitsmarkt verknüpft.

 

Ein zweiter Punkt der EU-Kommission ist die Integration von Frauen in den Arbeitsmarkt und die Verminderung des Lohngefälles für Frauen. Bei letzterem ist Österreicher ja europäische Rekordhalter und die Bundesregierung zeigt keinerlei Ambitionen diesen Rekord abzugeben. Als Hilfestellung für die Frauenerwerbstätigkeit schlägt die EU-Kommission den Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen vor – denn hier gehört Österreich andererseits zum europäischen Schlusslicht. Die geniale Antwort der Bundesregierung auf diese (und auch viele andere) Probleme soll bekanntlicherweise das Kindergeld sein. Nicht die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf, sondern - so steht es auch in der "Freiheitlichen Charta für einen stabilen Arbeitsmarkt" – die "einzigartige Wahlmöglichkeit zwischen Beruf und Familie" sollen die Chancen der Frauen am Arbeitsmarkt verbessern. Dass die Jobaussichten für Frauen aber nach mehrjähriger Babypause nicht gerade rosig aussehen, ist ja hinlänglich bekannt. Zusätzlich veranlasste die Bundesregierung auch die Abschaffung der Bildungskarenz, die Müttern nach der Kinderkarenz den Berufseinstieg mit Fortbildungen erleichtert hatte.

 

Als letzte Anregung an die österreichische Arbeitsmachtpolitik schlägt die EU-Kommission vor lebenslanges Lernen stärker zu forcieren und mehr Mittel für die weiterführende Ausbildung, Erstausbildung und Erwachsenenbildung zur Verfügung zu stellen.

Die schwarzblauen Strategien gehen aber in Richtung Bereitstellung von ArbeitnehmerInnen für die Wirtschaft. Und hier sind wir wieder bei der Verschärfung der Zumutbarkeitsbestimmungen angelangt – nicht Weiterbildung oder Umschulungen zur Verbesserung der Chancen von ArbeitnehmerInnen sind gefragt, sondern die schnelle und unkomplizierte Verfügbarkeit von Arbeitskräften. Diese sollen sich nicht zu sehr an ihren Qualifikationen und Fertigkeiten orientieren und auch nicht zu sehr auf ihren Wohnort fixiert sein. Schwarzblau befindet sich hierbei in guter Gesellschaft: da wäre z.B. der festzustellende Gesinnungswandel in der Wiener Arbeitsmarktpolitik: Weg von Beratung und Unterstützung für Arbeitsuchende und hin zu Unternehmensförderungen in der Form von Lohnsubventionierungen, die immer mehr vom Budget des AMS Wien vereinnahmen. Manche Arbeitsplätze im Rahmen des Eingliederungsprogramms "Come Back" werden zu 100% vom AMS subventioniert. Diese hemmungslose Vergabe von Lohnkosten geht – wie könnte es anders sein – auf dringend notwendige qualitativ hochwertige und deshalb teuren Weiterbildungsmaßnahmen. Ebenfalls gespart wird bei Beratungsvereinen für Frauen, MigrantInnen und Jugendlichen, die plötzlich eine Budgetkürzung von 20% und mehr in Kauf nehmen müssen. Dabei sind gerade diese Gruppen mehrfach von Arbeitslosigkeit gefährdet und auch vermehrt auf Hilfestellung und Beratung angewiesen.

 

Und wären da nicht die steigenden Arbeitslosenzahlen und der Konjunktureinbruch, so hätten sich zwei Bundesminister über das AMS hergemacht. Zum einen plante Bundesminister Bartenstein eine AMS-Reform und zum anderen wollte Finanzminister Grasser mit den Rücklagen des AMS das Budgetloch stopfen.

Kernpunkt der AMS-Refom wäre eine Ausgliederung des AMS in eine GesmbH ohne Bundeshaftung gewesen. Dies hätte zur Folge, dass bei einem Anstieg der Arbeitslosenzahlen und damit der Kosten das AMS theoretisch in Konkurs gehen bzw. seine Leistungen massiv zurückschrauben müsste. Auch war geplant, die Schaffung einer Wirtschaftsförderungs-GesmbH, die die bisherige unternehmensbezogene Arbeitsmarktförderung des BMWA übernehmen sollte. Gespeist werden sollte diese Wirtschaftsförderungs-GesmbH aus Mitteln der Arbeitslosenversicherung (ca. 300 Mio. ATS) und damit aus AMS-Mitteln. Bereits jetzt ist schon völlig undurchsichtig, wer wann wieviel Geld vom BMWA in Form von unternehmensbezogener Arbeitsmarktförderung kassiert – es ist zu befürchten, dass sich das auch in einer von Versicherungsgeldern gespeisten GesmbH nicht ändern würde. Wie gesagt, das Projekt ist derzeit auf Eis gelegt und man kann nur hoffen, dass es dort noch lange liegen bleibt! Ebenfalls verschoben wurde der Plan von Finanzminister Grasser die 1,5 Mia. Schilling Rücklagen des AMS zur Rettung seines Nulldefizit-Traumes zu verwenden – kann mensch nur hoffen, dass diese Gelder nun doch dorthin fließen, wohin sie gehören: in eine aktive Arbeitsmarktpolitik zur Entwicklung beruflicher Perspektiven für Arbeitslose.

"Ich werden ein Arbeitsmarktpaket vorlegen, das dem Arbeitsmarkt die Fesseln nehmen soll", verkündete Bartenstein kürzlich in der Kleinen Zeitung. Die Fesseln, von denen er den Arbeitsmarkt befreit, legt er dann postwendend den Arbeitslosen selbst an – das sind auch Fesseln der globalen Marktwirtschaft: Flexibilität und Mobilität.

aus TATblatt Nr. +178 vom 29. November 2001

 
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