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    Calvin and Hobbes.

"Supreme Ruler and Dictator for Life Calvin" und "President and First Tiger Hobbes" von Bill Watterson sind zu Kultfiguren geworden. Watterson hatte trotzdem am 31.12.1995 verkündet, dass er seine Tätigkeit beendet. Dabei ist es bis heute geblieben. Sämtliche noch immer in zahllosen Zeitungen erscheinenden Strips von Calvin and Hobbes sind Wiederveröffentlichungen aus der Zeit bis 1995. Mit dieser Entscheidung hat Watterson Calvin und Hobbes das Schicksal anderer Figuren erspart, die sich inhaltlich völlig in Reproduktion stereotyper Folgeproduktionen erschöpft haben.
Ursprünglich hatte Watterson mit der Zeichnung von Strips nur für Zeitungen begonnen. Mit den Jahren ergaben sich daraus Bücher, letztlich mehr als ein Dutzend. Mit dem Erfolg kam auch der wirtschaftliche Druck, immer mehr zu vermarkten. Am Höhepunkt seines Erfolgs 1995 wurde Calvin and Hobbes in weltweit 2.400 Zeitungen und Zeitschriften gleichzeitig veröffentlicht, die Gesamtauflage der Bücher hatte schon damals weltweit 300 Millionen weit überschritten.
In seinem 1995 erschienenen Sammelband "Tenth Anniversary Yearbook" hat Watterson seine Motivation, Arbeitweise und Absichten dargelegt. Aus diesen Ansichten erklärt sich nachträglich, warum Calvin und Hobbes nicht nur in konventionellen Zeitungen, wie dem Massenblatt International Herald Tribune, ein großer Erfolg wurde, sondern auch manche anarchistisch beeinflußte Zeitschriften Calvin und Hobbes abdrucken.
Watterson mußte zu Beginn seiner Arbeit einen Vermarktungsvertrag unterschreiben, der einer Firma, in diesem Fall dem Universal Press Syndicate, alle Vermarktungsrechte einräumt. Die Bedingungen sind so, daß ein Syndikatsvertrag unbedingt notwendig ist, um Cartoons in Zeitungen unterzubringen. Die Syndicats haben ihrerseits Verträge mit den Medien.
Als Calvin und Hobbes erfolgreich wurde, drang das Syndicat darauf, die Vermarktung auf Lizenzvergaben auszudehnen. Lizenzvergabe bedeutet, daß allerlei Nippes, wie Häferl oder Leiberl, mit den Figuren aufgedruckt verkauft werden. Ab einem bestimmten Bekanntheitsgrad übersteigt der Profit aus den Lizenzvergaben jenen aus den Büchern und Zeitschriften um ein vielfaches. Watterson lehnte ab.
Aus dieser Ablehnung entstand ein fünf Jahre dauernder Kampf gegen die Lizenzierung von Calvin und Hobbes, der mit einer Niederlage des Syndicats endete. "Um das Problem einfach darzustellen, es ging um Waggonladungen an Geld. Millionen über Millionen Dollars konnten mit ein paar Unterschriften gemacht werden", so Watterson.  Mit dem ursprünglichen Vertrag hätte das Syndicat sogar ohne die Zustimmung von Watterson Lizenzen vergeben können.
Watterson ist der einzige Cartoonist in den USA mit Syndikatsvertrag, der erfolgreich den Lizenzierungsversuchen widerstanden hat. Nach den nach seinen Ausführungen sehr bitteren Auseinandersetzungen akzeptierte das Syndicat, daß Watterson nicht mehr sondern weniger Geld verdienen wollte und einer Lizenzierung nie zustimmen würde. Für das Syndicat war es eine neuartige Erfahrung, da Streitigkeiten ansonsten ausschließlich um die Höhe der Beteiligungen an den Lizenzerträgen geführt werden. Es wurde ein neuer Vertrag abgefaßt, der Watterson alle Vermarktungsrechte rückübertrug, von denen er der Erwartung gemäß seitdem keinen Gebrauch macht. "The exploitation rights to the strip were returned to me, and I will not license Calvin and Hobbes", so Watterson 1995, und dabei ist es geblieben.
Neben künstlerischen Gründen und der Befürchtung eines Verlustes der Glaubwürdigkeit der Figuren führt Watterson als Grund für seine Weigerung an, daß er sich dann statt um seine Zeichnungen um die Vermarktung kümmern müßte, was ihm zuwider sei. Zudem würde es seine Standpunkte und seine Ehrlichkeit korrumpieren, wenn er ehrlich und offen über das Leben sprechen, aber ansonsten jedem Verlangen des Marktes nachgeben würde: "Wer würde an die Unschuld eines kleinen Kindes und seines Tigers glauben, wen sie ihre Popularität zu Geld machen und überbezahlten Schnickschnack, den niemand braucht, verkaufen würden?"
Zivilisationskritik, Aufbegehren gegen Schule und andere Autoritäten, Konsumterror, Umweltzerstörung ziehen sich durch die Cartoons, wofür Watterson auch heftig gescholten wurde. LeserInnen stießen sich häufig am Zynismus der Eltern, aber auch an einem Cartoon, in dem sich Calvin die Bombardierung und Vernichtung der Schule bildlich vorstellt.

Seit dem Ende von Calvin und Hobbes lebt Watterson wieder in seinem Heimatort im Bundesstaat Ohio. Er gibt keine Interviews, signiert keine Bücher und produziert keine "Calvin und Hobbes"-Filme, obwohl auch die Filmproduzenten lange hinter ihm her waren. JournalistInnen berichten, daß im Ort alle BewohnerInnen fest behaupten, daß sie Watterson höchstens einmal im Jahr sehen und daher auch nicht wüßten, wie er gerade aussieht. Auch hätten sie keine Telefonnummer.  Nur sein Vater gibt zu, Watterson zu kennen und zu sehen. Bill widme sich dem Malen von Bildern.

Bücher: Mehr als ein Dutzend davon sind erschienen, Auf Englisch alle bei Warner Books. Der deutsche Verleger ist der Krüger Verlag. Die beste Übersicht bietet The Tenth Anniversary, das die gesamte Periode überspannt und anhand von Auszügen ausführlich erklärt, was als Aussage beabsichtigt wurde. Wie immer gilt "the original is still the best".

     

aus TATblatt Nr. +207, Februar 2004.

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