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    Demokratie "hinwegorganisiert".
Interview zum Organisationsplan "Neu".

Mit dem Universitätsgesetz 2002 wurden die Grundlagen für weitere Schritte Richtung - euphemistisch ausgedrückt - Autonomie und Selbstverwaltung der Universitäten bzw. - der dahinterstehenden Ideologie gerechter werdend - Managementstrukturen gestellt.

TATblatt.

Gleichzeitig wurden die Rektoren der verschiedenen Universitäten verpflichtet bis spätestens 2004 neue Organisationspläne umzusetzen. Ein unter Ausschluss der Angestellten und Studierenden ausgearbeiteter Organisationsplan an der Uni Wien, hat zur Folge, dass jegliche Mitbestimmung von Angestellten und Studierenden abgeschafft wurde, und zwang auch die ÖH zu Reaktionen.

Zu kurz gegriffen wäre dabei aber die bloße Kritik an der Person Rektor Winckler von der Uni Wien, dass Organisationspläne an anderen Universitäten durchaus anders aussehen können, Mitbestimmungsrechte an anderen Unis mit unter sogar ausgebaut werden. Die Vorgangsweise an der Uni Wien spiegelt wohl viel mehr die realen Machtverhältnisse, die auf die schon lange anhaltende mangelnde Unterstützung von ÖH-Strukturen und deren Politik der Repräsentation unter den Studierenden zurückgehen, wieder.

Zu all dem haben wir mit Vera Schwarz vom Referat für Öffentlichkeitsarbeit der ÖH Uni Wien ein Interview geführt:


TATblatt: Könntest du uns kurz erklären, was für ein neues Bildungs- bzw. Universitäts-Konzept eigentlich hinter dem neuen Organisationsplan steht?

Das Konzept ist eindeutig ein neoliberales. Winckler als Wirtschaftswissenschafter und Fan der anglo-amerikanischen Eliteeinrichtungen will eine "effiziente Uni", die wie eine Firma organisiert ist. Studierende werden dementsprechend als KundInnen betrachtet anstatt als wissenschaftlicher Nachwuchs und Teil der Uni. Auch scheint Winckler in seinem Machtrausch die Uni Wien als seine private Spielwiese und den neuen Organisationsplan als einen Weg sich öffentlich zu profilieren zu betrachten.

TATblatt: Die ÖH ist ja mehr als bloß die Bundesvertretung oder die den einzelnen Parteien nahestehenden Fraktionen. Auf welchen Ebenen darüber hinaus gibt es bisher noch wichtige Mitbestimmungsmöglichkeiten für Studierende?

Bisher konnten Studierende der Uni Wien auf drei Ebenen mitbestimmen: Universitätsebene, Fakultätsebene, Instituts- bzw. Studienrichtungsebene. Das entspricht ja auch den drei Ebenen der ÖH auf der Uni Wien. Es gab auf diesen drei Ebenen jeweils entscheidungsbefugte Kommissionen, in denen Studierende mitarbeiteten. Besonders auf der Institutsebene war die Mitwirkung der Studierenden in drittelparitätischen Studienkommissionen eine wichtige Aufgabe, aber auch in die Fakultätskollegien und den Senat wurde von unserer Seite viel Zeit und Energie investiert.

TATblatt: Was für ganz unmittelbare Verschlechterungen für Studierende, über das fehlenden Mitbestimmungsrecht hinaus, wird der neue Organisationsplan mit sich bringen?

Einerseits ist der Entwurf des Organisationsplans in seiner jetzigen Form sehr vage gehalten und damit verbundene Verschlechterungen können jetzt unmittelbar noch nicht vorausgesagt werden. Der Plan wurde äußerst überstürzt entworfen und ist zum Teil inhaltlich schlecht durchdacht - um es milde auszudrücken. Es ist zu erwarten, dass es insbesondere kurz nach der Einführung des neuen Plans sehr viel Verwirrung z. B. über Zuständigkeiten geben wird. Auch werden Studierende bestimmt unter der Überlastung des administrativen Personals leiden, die mit den Neuerungen einhergehen wird.
Andererseits sind viele unmittelbare Verschlechterungen, z.B. was das Studienrecht anbelangt, eigentlich Inhalt der neuen Satzung und nicht des Organisationsplans. Beispiele hierfür sind etwa Prüfungsantritte (weniger Wiederholungen, weniger Zeit). Der Orgplan ist eben in seiner Grundkonzeption sehr autoritär. Ziel des Plans ist, "Führungspersönlichkeiten" anstatt "demokratischer Gremien" mit den Entscheidungen zu betrauen. Auch das ist etwas, was sich auf Studierende direkt auswirken kann: wenn Personen Macht verliehen wird, die unter Umständen schon sehr lange darauf warten, die "lästigen" Gremien loszuwerden.


TATblatt: Warum ist es im Mittelbau so still geworden, durch das Konzept werden ja auch dessen Mitbestimmungsrechte sehr beschnitten?

Um ehrlich zu sein wurde der Mittelbau - äußerst billig - gekauft. Auch wenn bestimmt große Teile der MittelbaulerInnen nach wie vor nicht mit dem neuen Organisationsplan einverstanden sind, wurden durch dessen offizielle VertreterInnen offensichtlich Angebote von Rektor Winckler angenommen. Im Gegenzug gab es "vom Mittelbau" eine positive Stellungnahme zum Organisationsplan zu einem Zeitpunkt, als selbst der Senat noch Vorbehalte hatte.

TATblatt: Wieso zielen die Proteste der ÖH bisher so sehr auf die Person Winckler und weniger die Regierung ab, Winckler ist doch nicht für die gesetzlichen Grundlagen der Universitäten verantwortlich? Würdest du dir von einer anderen Regierung die Rücknahme dieser gesetzlichen Grundlagen erwarten?

Die Proteste zielen auf Winckler ab, weil er sich in dieser Sache einmal mehr als Gehrers williger Helfershelfer bewiesen hat. Was wir Winckler vorwerfen, ist, dass er das Gesetz paragraphentreuer umsetzen wollte, als es nötig ist. Beispiele wie etwa die Unis Salzburg und Graz zeigen, dass durchaus Spielräume genützt werden können. Prinzipiell haben wir aber auch die großen Zusammenhänge zu berücksichtigen versucht - also das UG02 und die weltweiten Entwicklungen im Bildungsbereich. Ob eine andere Regierung das UG02 insgesamt zurücknimmt, wage ich persönlich zu bezweifeln. Letztlich spiegelt das Gesetz ja nur den weltweiten neoliberalen Trend wider...

TATblatt: Welche der Protestaktionen die es bisher gab, waren deiner Einschätzung nach am erfolgreichsten und wer sollte dadurch angesprochen werden?

Ich denke am erfolgreichsten war die Besetzung des Senats-Saals und des Rektorats B. Damit wurden die Proteste quasi ins Rollen gebracht und sie hat auch viel Aufmerksamkeit von Seiten der Medien erhalten. Bei der Besetzung wurden - im Gegensatz zur Tortung, die ich deshalb für "weniger erfolgreich" halte - auch unsere Inhalte in den Medien zumindest zum Teil wiedergegeben. Die Besetzung war ja eine spontane Aktion vieler StudentInnen der Uni Wien. Als solches war die Besetzung also kollektiver Protest, der auch sehr viel zur Vernetzung und Mobilisierung der gegen den neuen Organisationsplan protestierenden Studierenden beigetragen hat. Ich glaube, das Ziel - neben den (unter anderem oben genannten) positiven Effekten, die kollektiver Protest mit sich bringt - war, die Studierenden, aber auch die "nicht-universitäre" Öffentlichkeit, auf die prekäre Situation aufmerksam zu machen. Das ist auch geschehen.

TATblatt: Wieso hat sich die ÖH Wien in einer ersten Reaktion von der Tortung Rektor Wincklers, wenngleich auch mit mehr oder weniger deutlichem Augenzwinkern, distanziert?

Die Aktion war ja keine ÖH-Aktion, das heißt, wir wussten auch nicht, dass es diese Aktion geben würde und konnten daher auch keine "Position vorbereiten". Die ÖH ist ja keine homogene Masse sondern besteht aus vielen Menschen mit vielen verschiedenen Meinungen. So handelte es sich bei der "Distanzierung" auch nur um eine Einzelmeinung, was von den Medien aber anders interpretiert wurde. Eine "ÖH-Position" wurde in späteren gemeinsamen Diskussionen erarbeitet und ist, dass Tortungen nicht gewalttätig sind, sondern ein kreatives, politisches Mittel des Protests.

TATblatt: Die Beteiligung an den HörerInnenversammlungen war bisher ja nicht unbedingt berauschend, die meisten Studierenden scheinen sich für den Umbau der Uni bisher kaum zu interessieren. Wie schätzt du das ein, wissen die Studierenden zu wenig darüber oder ist ihnen Mitbestimmung in dieser Form sowieso nicht so wichtig? Würdest du da beispielsweise eine Verbindung zur seit Jahren sinkenden Wahlbeteiligung bei ÖH-Wahlen sehen?

Wir haben leider auch den Eindruck, dass sich viele Studierende dem gesellschaftlichen Leistungsdruck beugen müssen und in diesem Zusammenhang denken, dass ein schnelles Studium "mehr bringt" als das Studium als Lebensabschnitt und die Uni als zu gestaltenden Lebensraum zu sehen. Viele könnten bestimmt auch besser informiert sein. Das Informations-Defizit liegt nicht zuletzt daran, dass alles, was mit der Uni zu tun hat, gesellschaftlich und politisch stark unterbewertet wird. Ich denke nicht, dass den Studierenden die Mitbestimmung an sich egal ist, aber es sollte nicht vergessen werden, dass politische Engagement "neben" dem Studium durch die Studiengebühren und die Notwendigkeit dadurch (mehr) zu arbeiten, zusätzlich erschwert wurde. Ein anderer Aspekt, der die HörerInnenversammlungen betrifft, ist, dass anscheinend leider viele Studierende mit dieser Form der Einbindung der Basis nichts anfangen können (wie gesagt, sie sehen die Mitgestaltung nicht als Teil ihres Studiums). Die schlechte Wahlbeteiligung hat natürlich auch mit all dem zu tun.

TATblatt: Durch einzelne medienwirksame Aktionen wird der Organisationsplan vermutlich nicht zu Fall gebracht werden, wie wird es mit den Protesten nach den Ferien ab März also weitergehen?

Es wird am 10. März eine HörerInnenversammlung geben, die das weitere Vorgehen beschließen wird. Ob und wie die Proteste weitergeführt werden, hängt natürlich auch davon ab, ob Winckler endlich bereit ist, auf unsere zentralen Anliegen einzugehen. Das werden wir auch Anfang März sehen, wenn das Ultimatum, das wir im Zuge der Besetzung gestellt hatten, ausläuft.

TATblatt: Ohne Mitbestimmungsmöglichkeiten würde die ÖH ja praktisch jeglicher politischer Aufgaben beraubt und zu einer auf Selbstausbeutung basierenden Serviceeinrichtung der Uni Wien degradiert werden. Was macht ihr als ÖH dann?

Wir müssten halt verstärkt das allgemeinpolitische Mandat wahrnehmen. Wir würden natürlich weiterhin politische und kulturelle Veranstaltungen usw. organisieren. Vielleicht kommen wir dann zu ganz neuen Formen von "ÖH-Arbeit". Studien-Beratung würden wir unter diesen Umständen höchstwahrscheinlich keine mehr anbieten. Schon jetzt wird der Großteil der Beratung als "kritische Beratung" abgehalten. Wir beraten nur Menschen, die eine andere Art von Unterstützung als nur Informationen zu ihrer Studienrichtung benötigen, also z. B. die AusländerInnen-, Behinderten- und Sozialberatung finden weiterhin statt.

TATblatt: Wenn der Organisationsplan schlussendlich doch zu Fall gebracht wird, was dann? Auf welcher Ebene der ÖH würden dannn Alternativen ausgearbeitet und verhandelt werden?

Es ist nicht unser Ziel, dass Alternativen innerhalb der ÖH oder nur mit der ÖH entwickelt werden. Wir wollen, dass ein neuer Organisationsplan unter Mitwirkung aller Betroffener (Lehrender, Studierender, Allgemeinbediensteter) erstellt wird. Wir wollen ja nicht stattdessen einen anderen Plan aufoktroyieren, sondern wir wollen eine nachhaltige Uni-Organisation. Und die kann, unserer Ansicht nach, nur Ergebnis sein, wenn nicht über große Gruppen der Beteiligten hinweggegangen wird!





Etwaige Beschwerden wären somit zu richten an:

Rektor Georg Winkler
1010 Wien, Dr. Karl Lueger-Ring 1
Telefon: (01) 4277 10010
FAX: (01) 4277 9100
georg.winckler@univie.ac.at

Vizerektor Arthur Mettinger
1010 Wien, Dr. Karl Lueger-Ring 1 1090 Wien
Telefon: (01) 4277 10030
FAX: (01) 4277 10099

Spitalgasse 2, Hof 8
Telefon: (01) 4277 42422
FAX: (01) 4277 9424
arthur.mettinger@univie.ac.at



Kritische Beratung:
Die Kritische Beratung ist Teil der Protestmaßnahmen und doch anders. Mit der Kritischen Beratung wollen wir einen aktiven Beitrag dazu liefern, wie Universität anders aussehen kann. Kein Servicebetrieb, in dem die Kenntnis von formalen Kriterien die zentrale Bedeutung für das Studium einnimmt, sondern ein Ort der kritischen und mit Freude betriebenen Auseinadersetzung mit Wissenschaft.
Darum gibt es dieses Semester keine Serviceberatung sondern eine Kritische Beratung. Für die formalen Kriterien des Studierens reichen einige wenige Hinweise, die als selbstorganisierte Beratung in Form von Infoblättern, Studienleitfäden, häufigen Fragen und Antworten aufliegen werden. Die Kritische Beratung versteht sich als Freiraum - Als Orientierungshilfe und als vielleicht erster lustvoller Kontakt mit Wissenschaft. In Workshops, Diskussionsveranstaltungen, autonomen Seminaren, bei Kaffee, Kuchen und Volxküche wollen wir eine wirkliche Hilfe für die Studienwahl und für einen möglichst angenehmen Einstieg ins Studium bieten. Daneben gibt uns die Kritische Beratung die Möglichkeit gemeinsam alternative Formen des Lehrens und Lernens zu erproben, fernab von den strengen Hierarchien der versteinerten Struktur dieser von uns vorgefundenen Universität.

Kritische Beratung 23.2.- 5.3.2004 jeweils Mo, Di, Mi, Fr 10:00-12:00 und Do 14:00-18:00
ProminentInnenzimmer und Garderobe beim Audimax der Uni Wien (U2 Schottentor).
Mit Workshops, Filmen, Lesungen, ... zu so verschiedenen Themen wie möglich. Leute, die selbst Workshops anbieten wollen, sind willkommen.
Kontakt: hus@reflex.at
Während der kritischen Beratung gibts in der Garderobe Cafe/ TORTE und Vokü.

Bereits ab 16.3. Materialaufliege-Tisch in der Garderobe wo Informationen zur Umstrukturierung der Unis aufliegen bzw. aufgelegt und weitere Informationen erfragt werden können.

Infoveranstaltungen zu kritischer Beratung im Besprechungszimmer auf der ÖH-Universitätsvertretung im Uni Campus, Altes AKH am Di, 17.2. um 17:00 und am Do, 19.2. um 12:00.

Nächste HörerInnenversammlung
an der Universität Wien
Mi, 10.3.2004, 16:30 im Audimax (Hauptuni, U2 Schottentor)

Allgemeinen Beratung ÖH Uni Wien im
Beratungszentrum der ÖH Uni Wien
Uni Campus, Spitalgasse 2, Hof 1, 1090 Wien
Tel.: +43 [0]1 4277-19501
Fax: +43 [0]1 4277-9195
E-Mail: oeh@oeh.univie.ac.at

Nähere Infos zu den Protesten unter http://www.oeh.univie.ac.at
     

aus TATblatt Nr. +207, Februar 2004.

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