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Serie:
Wege zu Wissen und Wohlstand.
Teil 1.

Die Einstellungszusage und ihre Wirkung auf AMS-MitarbeiterInnen.
Ab sofort wird ökonomisch sinnvoll zurückgehandelt!

Ende der Achtziger hat das noch Empörung ausgelöst: Insbesondere Bauunternehmen waren dazu übergegangen, ihre Mitarbeiter in den Wintermonaten zu kündigen und sie im Frühjahr wieder einzustellen. Inzwischen wird die Praxis, der Gesellschaft die Kosten zu überantworten und nur die Gewinne zu kassieren, als "gesundes unternehmerisches Bewusstsein" und ökonomisch sinnvolles Handeln angesehen. Ab sofort wird ökonomisch sinnvoll zurückgehandelt...!

TATblatt.

"(Wieder-)Einstellungsvereinbarung"(1) heißt das Wunderding. Es ermöglicht UnternehmerInnen, MitarbeiterInnen ohne schlechtes Gewissen in die Arbeitslosigkeit zu schicken. Schließlich wird ja die neuerliche Beschäftigung ab einem bestimmten Zeitpunkt garantiert. War es noch vor ein paar Jahren üblich, die Differenz zwischen Arbeitslosengeld und Erwerbseinkommen als Prämie auszubezahlen, ist diese Praxis inzwischen dem "ökonomisch sinnvollen Alltagshandeln" des Gary Stanley Becker(2) geopfert worden: Es ist für Unternehmen offensichtlich billiger, derartige Ausgleichsprämien nicht zu bezahlen als sie zu bezahlen(3).
Mit der Einstellungsvereinbarung werden zwei Fliegen quasi mit einem Schlag gemordet: Einerseits werden Kosten reduziert, andererseits ein MitarbeiterInnenpool gehalten. Die Rechtswirkung der Einstellungsvereinbarung ist dabei nicht völlig klar, was sich im Übrigen auch in der relativ hohen Zahl an Urteilen des Obersten Gerichtshofs zu dieser Detailfrage widerspiegelt: Grundsätzlich geht der OGH zwar davon aus, dass derartige Vereinbarungen als Verträge einzuhalten sind, aber es gibt eben - in wachsendem Ausmaß - Ausnahmen.

Ökonomisch sinnvolle Freundschaftsdienste.

Die Mutter aller Ausnahmen stammt aus dem Jahr 1990: Schockiert von der damals rasant steigenden Zahl an Menschen, die im Winter mit einer Einstellungszusage stempeln geschickt wurde, löste der Gesetzgeber die Bindungswirkung der Wiedereinstellungsvereinbarung für ArbeitnehmerInnen mit einer Spezialregelung im Arbeitslosenversicherungsgesetz (AlVG) auf (§ 9 Abs. 5 bis 7 AlVG). ArbeitnehmerInnen, die vom Arbeitsamt auf andere Stellen vermittelt wurden, sollten nicht wegen Nichteinhaltung des Vertrages mit dem oder der  früheren ArbeitgeberIn belangt werden können(4). In der Folge wurde jedoch auch die Bindungswirkung für ArbeitgeberInnen reduziert. So kann eine "nicht vorhersehbare, veränderte Wirtschaftslage" eine Bindung an die Zusage aufheben. Zusätzlich gingen in Folge dieser Regelung auch eine Menge von ArbeitnehmerInnen in der Vergangenheit erworbener Ansprüche verloren. Da wir uns in diesem Beitrag aber ohnehin nicht besonders für Arbeit interessieren, ist für uns vor allem interessant, dass eine Einstellungsvereinbarung zumindest theoretisch ein Vertrag ist, der die Beziehungen zwischen ArbeitgeberInnen und ArbeitnehmerInnen regelt, NIE jedoch zwischen einem der beiden Genannten und dem AMS. Oder anders: Das AMS kann weder potentielle EinstellungszusagengeberInnen noch -NehmerInnen rechtlich belangen. Oder noch einmal anders: Eine Person mit einem Betrieb, einem Gewerbeschein oder der Verfügungsmöglichkeit über einen Betrieb hat aus der Ausstellung einer Einstellungszusage in Folge der Spezialnorm des § 9 Abs. 5 und 6. AlVG sowie der daraus resultierenden Judikatur des OGH keine Nachteile zu befürchten. Es gibt keinen Grund, guten Bekannten diesen Freundschaftsdienst nicht zu erweisen....(5)

Form und Inhalt.

Der Judikatur des OGH folgend unterliegt eine Wiedereinstellungszusage bzw. eine Einstellungszusage weder einer bestimmten Form noch bedarf es unbedingt eines bestimmten Inhalts. Theoretisch könnte diese also auch mündlich erfolgen, sofern aus ihr nur der - interpretierbare - Wille hervorgeht, dass eine bestimmte Person zu einem bestimmten Datum eingestellt wird. Sinnvollerweise wird eine Einstellungszusage jedoch in Schriftform abgegeben werden und den Briefkopf des ausstellenden Unternehmens, den Namen und die Versicherungsnummer der einzustellenden Person sowie das Datum der Einstellung beinhalten. Eine extrem unleserliche Unterschrift behindert übrigens nicht die Rechtswirkung des Wischs (die ja ohnehin gegen Null tendiert).

Das AMS im Kampf gegen den Unbill der Welt (und seine Grenzen).

Während die Einstellungszusage ihre Wirkung im Berufsalltag weitestgehend verloren hat (oder zumindest höchst unsicher wurde), hat sie für das AMS ihre Bedeutung behalten: Mehr als 80% der erwerbsarbeitslosen MitarbeiterInnen des Gewerbes melden sich jedes Jahr mit derartigen Einstellungszusagen arbeitslos und können im Großen und Ganzen darauf vertrauen, für ein paar Monate in Ruhe gelassen zu werden. Dank des Umstandes, dass das AMS sozialpartnerschaftlich geführt wird und einer der beiden Sozialpartner nicht das geringste Interesse daran hat, sich seine Optionen hinsichtlich "ökonomisch sinnvollen Handelns" einschränken zu lassen, konnten nur relativ weiche Regelungen im Umgang mit Wiedereinstellungszusagen erlassen werden.

So etwa
hindern derartige Zusagen nicht grundsätzlich an der Vermittlung von lohnarbeitslosen Menschen;
schränken Einstellungszusagen die Verpflichtung, an Kursen teilzunehmen, nicht ein;
können Bezüge von Menschen, die das AMS wahrheitswidrig vom Bestehen einer Einstellungszusage informieren, gesperrt werden.

Andererseits aber
wünscht das AMS, dass KursanbieterInnen Personen mit (Wieder-)Einstellungszusage, die innerhalb der nächsten sechs Wochen "schlagend" werden, nicht in die Kurse aufnimmt, weil auf diese Weise der statistikverschönernde Effekt der Kurse nicht zum Tragen kommt;
steht der Verwaltungsgerichtshof auf dem Standpunkt, dass Vermittlungen auf andere als die gewünschte und durch die Einstellungszusage garantierten Arbeitsplätze innerhalb des Zeitraums des sog. Berufsschutzes (gegenwärtig sechs Monate, zukünftig drei Monate) mit dem AlVG nicht zu vereinbaren sind (siehe dazu § 9 Abs. 2 AlVG: "... und dem Arbeitslosen eine künftige Verwendung in seinem Beruf nicht wesentlich erschwert.").

Mit bedacht gewählter Einsatzzeitpunk.

Der Zeitpunkt zum Einsatz einer "Einstellungszusage" ist also gut zu wählen:
KurzzeitdurchtaucherInnen, also Personen, die höchstens sechs Monate in der Arbeitslosigkeit Kraft tanken wollen, sollten sich die Einstellungszusage möglichst lange aufheben, da die ersten acht bis zwölf Wochen Arbeitslosigkeit ohnedies ohne größere Aktivitäten des AMS vorüber gehen. Es wird auch nicht gerade sinnvoll sein, eine Kursmaßnahme, die eine einstündige Anwesenheit in der Woche vorsieht, mittels Einstellungszusage abzuwehren. Ihr werdet eure Zusagen gegen Ende eures Kraft Tankens brauchen, wenn sich die BetreuerInnen in Aktivitäten flüchten, die euch vor der Langzeitarbeitslosigkeit "schützen" sollen.
HängemattentesterInnen, also Menschen, die ihren Zugang zum Arbeitsmarkt freiwillig und auf längeren Zeitraum hinweg aus purem Altruismus an andere Menschen abtreten, sollten ebenfalls darauf achten, möglichst selten Einstellungszusagen vorzulegen und diese auch plausibel zu machen. Sinnvollerweise sollten mehr Beschäftigungsverhältnisse aus Einstellungszusagen hervorgehen als nicht hervorgehen (dafür, dass die ArbeitgeberInnen regelmäßig in Konkurs gehen oder sich finanziell übernommen haben, können schließlich die MitarbeiterInnen nix dafür). Aber auch hier gilt: Von Relevanz sind nur Einstellungszusagen, deren Effekt spätestens in sechs Wochen eintritt. Wer also frühzeitig damit antanzt, schenkt dem AMS Geld...
Die Mitglieder der Aktionsgruppe Michael Kohlhaas, also jene, die aus purer Aggression gegen BeamtInnen aller Arten oder aber, weil sie Pech gehabt haben, im Infight mit dem AMS und seinen MitarbeiterInnen liegen, wiederum haben die Chance, das AMS mit Beschwerden gegen Kurszuweisungen oder Bezugssperren zu quälen, die sich auf Einstellungszusagen beziehen, die noch im Zeitraum des sogenannten "Berufsschutzes" liegen. Hier ist auf Grund von VwGH-Judikatur und Gesetzestext davon auszugehen, dass das AMS keinerlei Schritte setzen darf, die einer Weiterverwendung im angestammten Berufsfeld im Wege stehen (und eine Vermittlung auf einen anderen Arbeitsplatz würde dem im Wege stehen; siehe dazu VwGH Erkenntnis vom 4. April 2002 2002/08/0066). Im Übrigen sei darauf verwiesen, dass das AlVG dezidiert auf die Wiedereinstellung durch einen früheren Arbeitgeber abstellt. Die Ablehnung einer Vermittlung durch das AMS auf Grund des Bestehens einer Einstellungszusage bei einem Betrieb, in dem mensch noch nie gearbeitet hat, sollte daher keine Bezugseinstellungen seitens des AMS erlauben (diese Rechtsansicht durchzusetzen ist aber etwas für Menschen mit besonders langem Atem).

In jedem Fall muss eine derartige Einstellungszusage gut vorbereitet sein: Die ausstellende Einrichtung sollte auf (sehr seltene) Nachfrage die Existenz der Zusage bestätigen. Im Übrigen sollte später eine gemeinsame Erklärung für das Nichtzustandekommen des Arbeitsverhältnisses möglich sein (von Bedeutung ist das allerdings nur bei HängemattentesterInnen, da die anderen sich ohnehin früher oder später aus der fürsorglichen Obhut des AMS vertschüssen). Eine solche könnte etwa in veränderten Arbeitsfeldern eines Unternehmens liegen, oder aber etwa in der Tatsache, dass der Einstellung der Bewerberin oder des Bewerbers eine Allergie, eine Krankheit, eine Vorstrafe o. Ä. im Wege steht, die erst nach dem Bewerbungsgespräch und der Abgabe der Einstellungszusage (aber eben vor Beginn des Beschäftigungsverhältnisses) bekannt wurde. Die Einstellungszusage wurde daher unter falschen Annahmen und Voraussetzungen erteilt und ist damit ungültig, ohne dass auch nur einem der beiden vertragsschließenden Seiten ein Fehlverhalten vorgeworfen werden kann. Im Gegenteil: Der arbeitslosen Person kann kein Vorwurf gemacht werden, weil sie der gängigen VwGH-Judikatur folgend sogar vom AMS dazu verpflichtet werden kann, bestimmte Umstände, die einer Arbeitsaufnahme im Wege stünden, zu verschweigen.

In der nächsten Ausgabe: Kurse, und wie ich TrainerInnen am effektivsten dazu bringe, auf mich zu verzichten.

Anmerkung: Anregungen, Hinweise, Kritiken oder möglicherweise eben auch Nachfragen bitte an tatblatt@blackbox.net
Wir antworten binnen 10 Tagen...

Fußnoten:

(1)  Nach Ansicht des OGH ist zwar ein Unterschied zwischen Wiedereinstellungszusage und Vereinbarung zu sehen, in der Praxis wird dies jedoch gleichbedeutend verwendet (so etwa auch im AlVG). Der Unterschied zwischen Wieder- und einfach Einstellungszusage besteht darin, dass die Wiedereinstellung bei einem Unternehmen erfolgt, bei dem Mensch bereits einmal beschäftigt war, während die Einstellungszusage für einen bestimmten Termin nach erfolgreichem Bewerbungsverfahren ausgestellt werden kann. Juristisch gilt - mit Ausnahme des unter dem Stichwort "Aktionsgruppe Michael Kohlhaas" skizzierten Fall - für beide das Gleiche.

(2)  Gary S. Becker hat 1992 den Wirtschaftsnobelpreis erhalten für die Erkenntnis, dass menschliches Alltagshandeln ökonomischen Erwägungen folgt. Dieser "bahnbrechenden" Erkenntnis folgte ein ziemlich primitives und bescheuertes Ideologiegebilde, dass letztlich darauf hinausläuft, dass Umweltschutzgesetze sinnlos sind, weil sich die Unternehmen eh nicht daran halten, und Sozialleistungen unnötig, weil sich deren EmpfängerInnen eh nicht wehren. Karl Heinz Grasser und Martin Bartenstein sind große Fans von Gary S. Becker...

(3)  An dieser Stelle des Textes sollte gelacht werden!

(4)  Der Oberste Gerichtshof führte dazu unter 9 Ob A 27/95 aus: " Das Vertrauen des Arbeitgebers darauf, daß die ihn aufgrund des Betriebsrisikos treffenden Lasten von der Arbeitsmarktverwaltung getragen werden und er dennoch aufgrund einer Wiedereinstellungsvereinbarung auf den Stammarbeiter bei Bedarf zurückgreifen könne und der Arbeitnehmer sich vertragstreu zu verhalten habe, ist in diesem Sinne nicht schützenswert."

(5)  Auch etwaige Beihilfe zum Betrug oder Täuschung o.ä. ist auszuschließen, da ja das AMS auf Grund der Einstellungszusage weder auf eigene Rechte verzichtet noch Gelder ausbezahlt, die es ohne Existenz der Zusage nicht ausbezahlen würde.
     

aus TATblatt Nr. +209, April 2004.

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