TATblatt


Oberösterreich:

Notstandsübung gegen Antifademos
in Offenhausen und Wels

Am Samstag, den 3. Mai, veranstaltete die Förderation autonomer Antifa-Gruppen in Oberösterreich zwei Antifademos: anläßlich der diesjährigen rechtsextremen Veranstaltung "Offenhausener Begegnungstage" eine Demonstration am frühen Nachmittag in Offenhausen, und am Abend eine Demonstration gegen die "braunen Flecken" in Wels (siehe u.a. auch Artikel in TATblatt Nr. plus 74 und die Offenhausen-Seiten in der AZI). Mit Autos und Bussen waren an die 300 Antifas aus ganz Österreich gekommen. Sie erlebten selbst für österreichische Verhältnisse unglaubliche Behördenwillkür und Schikanen.

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Ankunft in Wels

Gegen 13 Uhr trafen nach und nach die Autobusse in Wels ein. In der Nähe des Kulturzentrums Schl8hof wurde von der Polizei ein Parkplatz als Versammlungsplatz für die Antifas reserviert. Der Platz wurde großräumig von der Polizei abgesperrt, der Schl8hof war aufgrund des Druckes von Bürgermeister Bregartner für die Antifas den ganzen Tag gesperrt. Im Schl8hof war an diesem Tag dafür die Polizei stationiert. Am Versammlungsplatz wurden die Antifas ausgiebig gefilmt und fotografiert, ansonsten aber nicht weiter belästigt. Lediglich einige ankommende Autos verfingen sich im Netz der Polizeisperren und InsassInnen und Wageninneres wurden ausgiebig durchsucht. Einige einzelne Antifas, die sich etwas vom Parkplatz entfernten wurden ebenso perlustriert und ihre Personalien aufgenommen. Kurz vor 14 Uhr setzte sich der Autobuskonvoi in Richtung des 17 km entfernten Offenhausen in Bewegung. Für den Begleitschutz sorgten Polizei und Gendarmerie. Etwa 7 km vor Offenhausen wurden die hinteren drei Busse des Konvois bei einem Bauernhof angehalten, die beiden ersten Busse wurden nach Offenhausen weitergeleitet. Während die Antifas der ersten beiden Busse in Offenhausen die Durchsuchungsprozedur über sich ergehen lassen mußten, begann für die InsassInnen der anderen Busse das lange Warten. Die Gendarmen erklärten den Busfahrern nur kurz, daß sie warten sollten, und daß keine Person aussteigen dürfe. Über den Grund der Anhaltung gab es keine Informationen. Nach wenigen Minuten regte sich erster Unmut bei den Antifas. Da die Fahrer den Motor abstellten, wurde auch die Klimaanlage abgedreht. Die Busse standen in der prallen Sonne, im Freien hatte es etwa 27 Grad im Schatten. In den vollbesetzten Bussen wurde es dementsprechend wärmer. Einige beherzte Antifas in einem Bus betätigten schließlich die Türnottaste des hinteren Ausstieges und begaben sich ins Freie. Die Antifas in den anderen beiden Bussen folgten später dem Beispiel. Etwa eine halbe Stunde vertrieben sich die Antifas die Zeit mit Kampfliedersingen und Dösen im Schatten. Angesichts der fortschreitenden Zeit regte sich schließlich doch Unmut gegen die Zwangspause und einige Antifas gingen einfach zu Fuß Richtung Offenhausen los. Auf dem Weg wurden sie von den Bussen eingeholt und gemeinsam ging es dann nach Offenhausen.

Die Durchsuchungen in Offenhausen

Die drei Busse wurden auf den Parkplatz des Fußballvereins Offenhausen geleitet wo schon die Antifas der ersten beiden Busse warteten. Diese hatten bereits die Durchsuchungsprozedur über sich ergehen lassen müssen, ohne Wasser oder andere Flüssigkeitsaufnahme. Eine Benutzung der Toilette im Vereinsgebäude des Fußballklubs wurde verhindert. Einige Antifas versuchten es und wurden daraufhin von aktiven Vereinsmitgliedern handgreiflich daran gehindert. Schließlich wurde das Tor zum Fußballplatz versperrt.

Die Bevölkerung von Offenhausen war in großer Zahl erschienen um sich das Spektakel der Durchsuchungsprozedur anzusehen. Einige BewohnerInnen erschienen mit Campingstühlen, andere verewigten die Polizeiübung mit ihrer Videokamera. Auch einige bekannte Anti-AntifaaktivistInnen und der rechtskatholische "Pornojäger" Humer waren erschienen, sie konnten sich ungehindert neben und zwischen den Antifas bewegen.

In weiser Voraussicht versuchten die Antifas in einem der nachkommenden Busse während des Einparkens durch Betätigen der Türnottaste geschlossen aus dem Bus zu entkommen. Herbeigeeilte Gendarmen des Sondereinsatzkommandos verhinderten den Ausbruch. Kurz danach erschien ein Vertreter der Bezirkshauptmannschaft Wels und verkündete den BusinsassInnen, daß aufgrund von "konkreten Hinweisen" die Behörde von der Gewaltabsicht der Antifas ausgehen müsse. Deshalb müßten die InsassInnen nacheinander einzeln aus den Bussen aussteigen, alle Antifas müßten durchsucht werden, die Personalien festgestellt sowie Videoaufnahmen gemacht werden. (Im ersten ankommenden Bus berief sich der Behördenvertreter auf Paragraf ??? des Sicherheitspolizeigesetzes und ließ den lapidaren Kommentar folgen - "Den Rest können sie im Sicherheitspolizeigesetz nachlesen".) Als Antwort auf den lautstarken Protest der Antifas wurden einige Gendarmen in den Bus geschickt. Diese versuchten immer wieder die Türnottaste zu erobern, was ihnen allerdings nicht gelang. Einige BeamtInnen entblödeten sich nicht, die Antifas zur Ruhe und Ordnung aufzufordern und zu verlangen, daß sich alle wieder auf ihre Sitze begeben sollten. Währenddessen kam es zu einigen Handgreiflichkeiten mit dem Handvoll der aus dem Bus ausgebrochenen Antifas, ein Antifa wurde überwältigt, hinter den Bus gezerrt und beamtshandelt. Schließlich lag er am Boden und hatte einen Beamtenstiefel im Genick. Die etwa 150 bereits perlustrierten Antifas, die in unmittelbaren Nähe zum Geschehen warteten, konnten sich nicht zu einem entschlossenen Eingreifen entscheiden. Aufgrund des Kräfteverhältnisses und des unübersichtlichen Durcheinanders wäre dies durchaus möglich gewesen. Die InsassInnen der anderen beiden wartenden Busse blieben ebenso inaktiv. Die Antifas waren einfach zu sehr im eigenen Demokonzept gefangen. Geplant war eine legale Demonstration ohne militante Aktionen an diesem Tag. Keine Person hatte sich allerdings diese Schikanen erwartet, deshalb fehlte die Entschlossenheit, den Behördenfrechheiten gemeinsam entgegenzutreten.

Als Folge des heftigen Protestes einiger Antifas wurden danach die Perlustrierungen zügiger durchgeführt, d.h. daß mehr Personen gleichzeitig durchsucht wurden. Die Personalien wurden meist nicht aufgenommen. Es blieb der Willkür der BeamtInnen vorbehalten, bei welchen Personen die Personalien festgestellt wurden oder bei welchen die Ausweise mit der Videokamera gefilmt wurden. Ebenso der Willkür der BeamtInnen blieb es überlassen, ob einE Antifa eine Tasche zur Demonstration mitnehmen durfte. Einigen Antifas wurde es dafür verboten die Tasche im Bus zu lassen, sie mußten alles zur Demonstration mitnehmen. Die kurzzeitig festgenommene Person wurde wieder freigelassen. Spätestens zu diesem Zeitpunkt wurde klar, daß die Behörden nicht vorhatten, die Demonstration gewaltsam zu zerschlagen, sondern daß sie darauf aus waren, die Antifas weitestgehend zu isolieren und zu schikanieren.

Die Demonstration in Offenhausen

Mit fast zweistündiger Verspätung begann die Demonstration zum Hauptplatz von Offenhausen. Zuvor mußte jedoch eine Antifa wegen eines Kreislaufzusammenbruchs mit der Rettung abtransportiert werden. Einige andere Antifas hatten nach dem stundenlangen Warten in den Bussen ebenfalls Kreislaufprobleme und mußten von den autonomen DemosanitäterInnen betreut werden.

Die Demonstration führte durch den Ort zum Hauptplatz, wo in unmittelbarer Nähe zum Gasthof Lauber, dem Tagungsort der Rechtsextremen, eine Kundgebung abgehalten wurde. In den Redebeiträgen wurde versucht, den BewohnerInnen die Notwendigkeit des antifaschistischen Kampfes gegen das Denkmal "Dichterstein" und die "Offenhausener Begegnungstage" näherzubringen. Die BewohnerInnen von Offenhausen waren zwar zahlreich erschienen und beobachteten die Kundgebung, sie solidarisierten sich jedoch eher mit den umstehenden Rechtsextremen und Nazis, die die Antifas ausgiebig filmten und beschimpften. Die TeilnehmerInnen der Kundgebung waren die meiste Zeit mit dem Austragen von verbalen Auseinandersetzungen mit den Rechtsextremen und den NormalbürgerInnen beschäftigt. Ein Verteilen von Informationsmaterial an die BewohnerInnen wurde zumeist von den Gendarmen verboten und verhindert. Ein Verlassen der Kundgebung war ebenfalls verboten, nur jene, die nachdrücklich ein Besuchen einer Toilette verlangten, wurden unter Polizeischutz dahin geleitet. Nach wenig mehr als einer halben Stunde mußte die Kundgebung abgebrochen werden, da durch die Durchsuchungen zuviel Zeit verlorengegangen war. Die Antifas gingen zurück zu den Bussen und fuhren im Konvoi zurück nach Wels. Auf dem Weg herrschte grüne Welle, die Gendarmerie sperrte die Kreuzungen ab, alle anderen VerkehrsteilnehmerInnen mußten warten. Der Bundespräsident und hohe Staatsgäste werden bei einer Fahrt wohl nicht anders geleitet.

Wieder in Wels

Nach 18 Uhr trafen die Antifas wieder in Wels ein. Am gleichen Parkplatz wie schon am frühen Nachmittag parkten die Busse. Vor dem Aussteigen erschien ein höherer Beamter in einigen Bussen und verkündete die Behördenanweisungen für die Zeit bis zum Beginn der Demonstration. Die DemonstrantInnen dürften aussteigen und sich auf einen, mit einem Seil abgesperrten Teil des Parkplatzes begeben. Diesen Platz dürften sie bis zum Beginn der Demonstration nicht mehr verlassen. Ganz in der Nähe sei eine öffentliche Toilette, dorthin sei der Weg gestattet. Zumindest in einem Bus gab es daraufhin heftige Proteste. Wie schon zuvor seine KollegInnen bei den Durchsuchungen in Offenhausen verweigerte der Beamte die Herausgabe der Dienstnummer. Schließlich begaben sich alle auf den vorgesehen Platz, die OrganisatorInnen bauten die Volxküche auf und vor der einzigen erlaubten Toilette bildete sich eine lange Schlange. Die InsassInnen eines Busses wurden beim Aussteigen nochmal kurz perlustriert. Es blieb ebenso der Willkür der BeamtInnen vorbehalten, welcher Person es erlaubt wurde, seine/ihre Tasche aus dem versperrten Kofferraum zu nehmen.

Einige Unentwegte versuchten den Platz zu verlassen, wurden jedoch immer wieder abgewiesen. Ein Verlassen des Geländes sei nicht erlaubt, eine Herausgabe der Dienstnummern sei auch nicht möglich. Einige BeamtInnen gaben durchaus freimütig zu, daß diese Vorgangsweise keine rechtliche Grundlage hätte. Erst nach einer halben Stunde begannen einige Antifas massiv gegen das illegale Verhalten der Behörden zu protestieren. Nach intensiven Auseinandersetzungen mit dem Leiter der Polizeiaktion ("Dienstnummer: 1") konnte das erste "Zugeständnis" erreicht werden. Jeweils einE einzelneR Antifa könnte den Platz verlassen. Diese Person müsse einen Grund angeben, so z.B. Pizza holen. Diese Person würde auch von PolizistInnen begleitet werden, dies diene dem Schutz des/der Antifa. Erst wenn diese Person zurück sei, dürfte eine weitere Person den Platz zur Erfüllung eines bestimmten Bedürfnisses verlassen. Es dauerte wieder eine halbe Stunde bis auch diese absurde und illegale Verordnung aufgehoben wurde. Von den Protesten einiger Antifas völlig entnervt schnappte sich der Behördenleiter ein Polizeifunkgerät - "zur Dokumentation für das Protokoll" - und verkündete, daß keine einzige Person bisher daran gehindert worden sei, den Platz zu verlassen und daß jede Person, die dies wünsche, den Platz verlassen dürfe. Auf konkrete Vorhalte - wie, "das ist eine Lüge" - ging der Behördenleiter nicht näher ein. Einige wenige Antifas testeten die neugewonnene "Freiheit" und besorgten sich in der Stadt etwas zu Essen oder Zigaretten. Aufmerksam begleitet wurden sie von den BeamtInnen des Einsatzkommandos. Die meisten Antifas relaxten inzwischen auf dem zugewiesenen Platz und bereiteten sich auf die Demonstration vor. Das vorgesehene Program, eine Lesung von Texten von Ernst Jandl, mußte entfallen, da die Manuskripte nach der Durchsuchungsaktion der BeamtInnen nicht mehr auffindbar war. Möglicherweise beschäftigt sich mittlerweile der Staatsschutz mit den höchst subversiven Texten von Ernst Jandl oder mit den anderen Broschüren und Flugblättern, die nicht mehr aufzufinden waren.

Die Demonstration in Wels

Gegen 20 Uhr formierten sich die Antifas zu einem Demonstrationszug. Die Demonstration ging durch die Innenstadt von Wels, begleitet wurden die Antifas durch ein dichtes Spalier des Einsatzkommandos. Ein Teil der Demonstrationsroute war zusätzlich durch Trettgitter "gesichert". Wie schon zuvor in Offenhausen ließen es sich viele Welser BewohnerInnen nicht nehmen, sich das exotische Spektakel anzusehen. Etliche Personen aus Wels beteiligten sich an der Demonstration. Beim Parkplatz mußten sie eine Durchsuchung über sich ergehen lassen, während der Demonstration mußten sie BeamtInnen finden, die ihnen die Teilnahme an der Demonstration erlaubten. Einige Personen wurden von BeamtInnen immer wieder abgewiesen und wurden so von ihrem Demonstrationsrecht befreit. Das Verteilen von Informationsmaterial wurde ebenso wiederholt von BeamtInnen untersagt. In den Redebeiträgen wurde versucht, der Medienhetze der letzten zwei Wochen etwas entgegenzusetzen. Es wurde versucht zu erklären, daß die Antifas nicht nach Wels gekommen seien, um die Stadt in Schutt und Asche zu legen, und daß die "braunen Flecken" von Wels nur kosmetisch "entsorgt" wurden. Am Rande der Demonstration konnten ungehindert junge und alte Rechtsextreme die Antifas provozieren und ihre Fotoarchive vervollständigen. Nach etwa einer Stunde wurde die Demonstration beendet und die Antifas kehrten zum Busparkplatz zurück. Die abfahrenden Busse wurden schließlich noch von der Polizei bis zur Autobahn begleitet, um sicherzustellen, daß Wels wieder antifafrei wird.


aus: TATblatt Nr. plus 76 (9/97) vom 7. Mai 1997
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