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Zuweisungsstopp führt zu Zivildienstdemontage

In Österreich wird das Recht auf Wehrdienstverweigerung weiter eingeschränkt. Durch den aktuellen Zuweisungsstopp des Innenministeriums müssen Zivildienstwillige bis zu zwei Jahre auf ihren Dienstantritt warten.

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Diese Zurückstellung der Zivildienstwilligen bedeutet eine eklatante Benachteiligung den Wehrdienern gegenüber. Diese Wartefrist beeinträchtigt erstens die konkrete Lebensplanung und führt zweitens dazu, daß es praktisch unmöglich ist eine Anstellung zu bekommen, da ja der Zivildienst erst noch abgeleistet werden muß.

Durch diesen offensichtlichen Druck soll wohl die Attraktivität des Zivildienstes als Ersatzdienst zum Bundesheer weiter geschmälert werden. Die bisherige Anziehungskraft des Zivildienstes wird durch die Anzahl der Zivildiener deutlich:

1993: 5450

1994: 6414

1995: 6440

1996: 6853

Auch die Trägerorganisationen kommen durch den Zuweisungsstopp in arge, vor allem finanzielle Schwierigkeiten. Dienste können nicht mehr erfüllt werden oder müßten stark verteuert werden. Die Konsequenzen daraus hätten einmal mehr die sozial Schwachen zu tragen. Die Caritas geht schon davon aus, daß durch die Reduktion der Zuweisungen in ihrem Bereich ein großer Teil ihres Budgets, das eigentlich Bedürftigen zugute kommen sollte nunmehr in den erhöhten Personalaufwand fließen wird.

Komplizierte Rechtslage

Zwar wurde in Österreich die Gewissensprüfung abgeschafft, doch der Zugang zum Zivildienst wurde mit weiteren Hürden erschwert. Die Einschränkung durch die Antragsfrist hat dazu geführt, daß etlichen Zivildienstwilligen ein Einberufungsbefehl zugestellt wurde und die Nichtbefolgung dieses Befehls gerichtlich verfolgt wurde. Amnesty International (ai) sah sich genötigt aktiv zu werden. Für den Fall einer Verurteilung und Inhaftierung der von drei konkret Betroffenen werden diese von ai adoptiert.

Die Verlängerung des Zivildienstes auf die Dauer von zwölf Monate und eben jene komplexe Rechtslage sollen abschreckend wirken.

Um Interessierten einen Überblick zu ermöglichen, haben die ÖH und die ARGE Wehrdienstverweigerung und Gewaltfreiheit den "Ratgeber Wehrdienstverweigerung" herausgegeben. Darin wird versucht, die wichtigsten gestzlichen Regelungen verständlich zu machen, und das Thema Wehrdienstverweigerung in einen gesamtgesellschaftspolitischen Zusammenhang zu stellen.

Kriegsdienstverweigerung ist Menschenrecht

Das Recht aus Gewissensgründen den Kriegsdienst zu verweigern ist von der UN-Menschenrechtskommission, vom Europarat und vom Europäischen Parlament als zentrales Anliegen des internationalen Menschenrechtsschutzes anerkannt worden. Wie ernst diese hehren Anliegen in der politischen Praxis genommen werden, zeigt der Umgang mit Zivildienstwilligen in Österreich.

ai kritisiert besonders das Fehlen jeglichen Rechtsanspruches auf Kriegsdienstverweigerung in Russland und der Türkei. Kritikpunkte die auch für Österreich gelten sind, daß es jederzeit möglich sein muß einen Antrag zu stellen, und daß die Länge des Zivildienstes keinen Strafcharakter haben darf.

Informationen zum Thema und Bestelladresse für die Broschüre "Ratgeber Wehrdienstverweigerung":

Netzwerk Gewissensfreiheit

Schottengasse 3A/1/4/59

1010 Wien

Tel.: (+43)(01) 533 72 71

FAX: (+43)(01)532 74 16

Die Broschüre könnt ihr auch bei der ZOOM-Redaktion bestellen: ZOOM@thing.or.at


aus: TATblatt Nr. plus 80/81 (13/14/97) vom 10. Juli 1997
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