TATblatt


Rechtsextremismusbericht 1996:

... alles paletti...!?

Obwohl schon im April erschienen, gelangte er erst jetzt an die Öffentlichkeit: der "Jahreslagebericht 1996, Rechtsextremismus in Österreich", herausgegeben vom Innenministerium. Ein kritischer Blick aus Anlaß der großzügigen Verteilung an Schulen und Medien.

TATblatt, Q:Bundesministerium f. Inneres, Abt.II/7

Der Untertitel des "offiziell verwertbaren Berichts" lautet "Rechtsextremismus, Neonazismus, Rechtsrevisionismus und fremdenfeindlich motivierte Gewaltkriminalität", womit sich die AutorInnen wahrscheinlich einen Rahmen stecken wollten, dem sie allerdings in keiner Weise gerecht werden. Und so wird einer/m schon auf den ersten Seiten der entscheidende Mangel der Publikation klar: das Fehlen einer Analyse oder der Definition, was unter einer "rechtsextremen Straftat" zu verstehen sei. Plötzlich und unvermittelt wird zum Beispiel der Begriff "antisemitisch" verwendet, um eine Straftat zu charakterisieren, nur um bei den nächsten Aufzählungen gleich wieder zu fehlen, und erst 30 Seiten später wieder aufzutauchen. Ähnlich verhält es sich mit "fremdenfeindlich", "rassistisch" oder "rechtstendenziös". Selbstredend wird davon ausgegangen, daß das besondere Gefahrenpotential solcher Straftaten darin bestehe, demokratiegefährdend und/oder staatsfeindlich zu sein.

Völlige Willkür in diesem Bereich läßt dann Aussagen wie die folgende zu: "Im Vergleich zu Vorjahr ist ein weiterer Rückgang rassistisch motivierter Tathandlungen erkennbar.(...) Sehr erfreulich ist der Umstand, daß im Jahr 1996 durch rassistisch motivierte Tathandlungen keine Personen zu Schaden kamen." In den Zeitungen liest es sich normalerweise so: "Ein fremdenfeindliches Motiv dürfte auszuschließen sein."

Damit wird die Möglichkeit nicht einmal in Betracht gezogen, daß es Straftaten geben könnte, die nicht angezeigt werden, Konflikte, die nicht an die Öffentlichkeit gelangen, oder Straftaten mit Verletzungsfolge, die von örtlichen Behörden dem Innenministerium eben nicht als "fremdenfeindlich" genannt werden. Der Bericht selbst spricht zum Beispiel von "häufigen - beinahe wöchentlichen - Auseinandersetzungen zwischen Skinheads und ausländischen Jugendlichen." Dabei gab es keine Verletzungen?

Dennoch bieten die VerfasserInnen interessante Ansätze zur Einschätzung der "rechtsextremen Szene" in Österreich und deren derzeitiger Entwicklung. Gleich einleitend wird auf eines der Schlagworte im Zusammenhang mit Rechtsextremismus eingegangen: "Neue Rechte", und bemerkt, daß "die Kursänderung vieler rechtstendenziöser Organisationen nach außen" darauf abziele, "sich als 'Neue Rechte' dazustellen". An anderer Stelle wird die Bezeichnung "Neue Rechte" in Frage gestellt und als Tarnbegriff behandelt: "Festzustellen ist, daß sich Aktivitäten, Politik und Propaganda der rechtsextremen Szene keineswegs von der nationalsozialistischen und faschistischen Tradition zu lösen beabsichtigen. Die Tarnung erfolgt aber perfekt." Dabei versucht der Bericht wiederholt Kontinuitäten des Faschismus aufzuzeigen. So heißt es etwa: "Die Söhne der Kriegsgeneration treten in die Fußstapfen ihrer Väter. Die Vereinsvorstände von Vorfeldorganisationen und Traditionsvereinen zeigen sich entsprechend verjüngt.(...) Eine Analyse ergab, daß derzeit in der Szene vorwiegend Aktivisten aus einschlägig ausgerichteten Familien vertreten sind." Leider wird auch die Behandlung des Begriffs "Neue Rechte" nicht konsequent verfolgt und mitunter vom tatsächlichen Vorhandensein einer solchen Bewegung ausgegangen.

Inkonsequent wie die Begriffsfindung gestaltet sich auch die Analyse der Ursachen und Möglichkeiten zur Bekämpfung des Rechtsextremismus. "Die Ursachen von rechtsextrem und fremdenfeindlich motivierter physischer und psychischer Gewaltanwendung werden auf verschiedene Einflüsse zurückgeführt. Als wesentlich wären der Kontakt- und Beziehungsmangel sowie das Fehlen positiver Normen in der heutigen Zeit anzuführen, welche zu einer Anfälligkeit gegenüber Führerfiguren führen." So unkritisch wie die Darstellung der Ursache fällt dann auch die Lösung aus:"Die praktizierten sicherheitspolizeilichen Präventivmaßnamem wurden in Zusammenarbeit mit dem Krimninalpolizeilichen Beratungsdienst (KBD) erweitert. Der Staatsschutzbereich hat ins Auge gefaßt, die Einrichtungen des KBD und dessen Know how für allgemeine, aber auch zielgruppenorientierte Aufklärung und Information zum Thema Rechtsextremismnus, Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zu nützen."

Auch die Einschätzung der im Bericht aufgenommenen Straftaten folgt keinem einheitlichen Konzept. Mal ist die Rede von "Ausweitung", mal von Rückgang. Eine übertriebene Beschreibung von Gefährdungspotentialen (z.B. des Internets) steht konfusen Erfolgsmeldungen gegenüber: "Die hakenkreuzähnlichen Zeichen (an einer Halle des Österreichischen Turnerbundes, Anm.) wurden verändert bzw. unkenntlich gemacht." (In Ried kann jedeR bewundern wie das "Hakenkreuz" eben gerade mit weißer Farbe angestrichen, sonst aber noch erkennbar ist.) Auch aufgrund der Tatsache, daß "Anzeigen rückläufig" seien, wird von einer Verbesserung der Situation ausgegangen, obwohl diese Rückläufigkeit auch genau das Gegenteil bedeuten kann. Jedenfalls scheint das Inneministerium überzeugt, diese "Erfolge" auf seine Fahnen schreiben zu können: "Die behördlichen Maßnahmen in der Vergangenheit zeigen, daß sich der Rechtsstaat nicht alles bieten läßt. (...) Die Sympathie für diese verwerfliche Ideologie konnte vorwiegend im Jugendbereich merklich in Grenzen gehalten werden." Wenn Ausnahmen davon zur Regel werden, wird die internationale Vernetzung (etwa per Internet) oder das "liberale Vereinsrecht" dafür verantwortlich gemacht.

Was bleibt, ist die Statistik, deren Bedeutung schon aus den vorangegangenen Gründen nicht überschätzt werden darf. Sie nimmt gerade 3 Seiten des Berichts ein und ist ähnlich konfus, unübersichtlich, und mit inhaltlichen Problemen behaftet. Dabei könnte ein solcher Bericht gerade auf diesem Feld ausgezeichnetes Arbeitsmaterial bieten. Vor allem das Fehlen von Quellenangaben (Erkenntnisse, Urteile, usw.) lassen die Verwendung des Berichts als Arbeitsgrundlage allerdings von vornherein nicht zu.


aus: TATblatt Nr. +83 (,16/97) vom 25. September 1997
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