TATblatt


Literaturnobelpreis für Dario Fo

Feuchter Händedruck für Franca Rame

Der oftmals von der Bühne weg verhaftete italienische Theaterveterane Dario Fo, Erneuerer der italienischen Volkstheatertradition, "Provokateur" und Realsatiriker, Possenreißer, Spötter und Clown, hat den meistbeachtetsten Kulturpreis der Welt, den Nobelpreis für Literatur, erhalten - eine Ehre die ihm eigentlich schon vor 30 Jahren gebührt hätte. Seine langjährige Bühnenpartnerin, Coautorin und Lebensgefährtin Franca Rame geht aber auch diesmal - wie in der patriarchalen Gesellschaft üblich - leer aus. Hier ein Versuch, Franca Rame aus dem Schatten zu holen, den das lebende Monument Dario Fo wirft.

TATblatt, Nachwort in "Offene Zweierbeziehung"

Mit seinem volksnahem Theater, das der Tradition der Commedia del'arte entspringt, fand Dario Fo immer den Weg direkt zu den Menschen. Die Verhöhnung jeglicher Autorität wie Kirche und Staat, die in allen seinen Werken zur Geltung kommt, bedurfte freilich einigen Mutes und einer außerordentlichen Klarsicht für gesellschaftliche Probleme, die Fo schonungslos anpackte.

Über Dario Fo schreiben sich nicht nur in Italien die RomanistInnen und Theaterfachleute, die ÜbersetzerInnen und StudentInnen die Finger wund - seine Lebensgefährtin und ihre Arbeit stehen weniger im Mittelpunkt des öffenlichen Interesses. Die Rolle, die Franca Rame für das Fosche Theater spielt, welche Anstöße sie gab, was ihre Mitgift war, was sie einbrachte und was sie leistete, soll zumindest hier aufgezeigt werden.

Franca Rame

stammt aus einer alten lombardischen KomödiantInnenfamilie, die seit Generationen einen Ruf als WanderschauspielerInnen hatte; ein Familienunternehmen, welches 361 Tage im Jahr in Norditalien unterwegs war. Ihren ersten Auftritt hat sie im zarten Alter von acht Tagen in den Armen ihrer Mutter. 1949, knapp 20 Jahre alt, verläßt sie ihre Familie und findet Arbeit beim Film. Sie wird Revueschauspielerin bei den populärsten Theatergruppen - ein Titelfoto macht sie über Nacht berühmt. 1952 lernen sich Franca Rame und Dario Fo bei der Arbeit im Theater kennen. Fo hat zu dieser Zeit noch kaum Bühnenerfahrung und schreibt an seiner ersten Komödie "Der Finger im Auge". 1954 heiraten die beiden, ein Jahr später kommt Jacopo Fo zur Welt. Beide künstlerischen Karrieren verschmelzen zu einer einzigen. Seitdem bewegt sich Franca Rame im Schatten ihres Mannes.

"Es gibt da einen berühmten Satz, den ich immer anbringe: Warum kriegen eigentlich sowenige Frauen den Nobelpreis? Weil sie keine Ehefrau haben, die ihnen alles abnimmt! Mein Tagesablauf ist diesem Monster gewidmet."

Franca regelt alles, was ihn vom Denken, Dichten und Spielen abhalten könnte. Das zeigt, daß es ihr wie vielen begabten Frauen geht, die eine solche Symbiose eingehen, bei der beide Karrieren zu einer einzigen verschmelzen - nämlich zu der des Mannes. Immer wieder wird sie als das unbedeutende Anhängsel wahrgenommen oder bestenfalls als SEINE gelehrige Schülerin.

"Die Kritiker in der Vorstellung sehen nur, daß ich eine wichtige Rolle spiele. Was nicht sichtbar wird und was ich beanspruche und einklage, ist die Arbeit am Text. Stell dir vor, Dario liest dir einen Text vor und du sagst großartig und dann Gute Nacht. Du könntest ihn auch kritisieren, aber das kostet Überwindung, also lobst du ihn. Das kann ich nicht gutheißen: ich lasse nicht locker!" Es gibt kein Stück Fo's, das nicht maßgeblich von Franca Rame beeinflußt wäre. Abgesehen davon schreibt sie selbst auch Stücke, in denen sie sich immer wieder auch Frauenthemen widmet. Die Härte und Direktheit, mit denen sie diese Frauengeschichten, die zum Teil ihre eigenen sind, darstellt, bewirkten, daß sie sehr lange gar nicht auf die Bühnen kamen. 1978 zieht sie mit dem Stück "Eine Frau allein" durch die Lande und spielt jede Woche vor meist ausverkauften Sälen mit insgesamt hunderttausenden von ZuschauerInnen, diskutiert mit dem Publikum, informiert über Häfenarbeit oder redet mit den politischen Gruppen der Gastspielorte. "Dieses Leben für und mit dem Theater habe ich mir nicht ausgesucht. Ich wuchs in diesem Ambiente auf und als ich erwachsen war, hatte ich diesen Beruf und blieb dabei. Die Leute glauben mir nicht, wenn ich immer wieder sage, ich liebe das Theater und diese Arbeit nicht. Ich stehe vielmehr hinter der Knastarbeit, der Arbeit mit Drogenabhängigen oder auch der organisatorischen Arbeit wie Büro, Presse, Bücher, Schallplattenherstellung..."

Sie engagiert sich seit 1969 in der Roten Hilfe, setzt sich für politische wie "normale" Gefangene ein, hat unzählige Einzelfälle publik gemacht, Angehörige unterstützt, sowie JournalistInnen und PolitikerInnen gegen die unmenschlichen Lebensbedingungen in italienischen Gefängnissen und Todestrakten mobilisiert.

Durch ihr Eingreifen in den politischen Alltag machten sich Franca Rame und Dario Fo bei gewissen Gruppierungen unbeliebt. 1978 wurde auf Franca ein faschistischer Anschlag verübt. Sie wurde auf offener Straße in einen Lieferwagen gezerrt und von vier Männern vergewaltigt.


aus: TATblatt Nr. +85 (,18/97) vom 23. Oktober 1997
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