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Aktuelles von der Asphalthölle

Bei der B3 in Wien-Floridsdorf soll, bei der B3 von Stockerau nach Krems in Niederösterreich ist ein bißchen Recht gebeugt worden. Eine kleine Novelle machte es möglich, die Umweltverträglichkeitsprüfung auszuhebeln und munter zu betonieren. Bei der B301 will dieses trotz massiver Anstrengungen nicht so recht gelingen. Weiterer Wahnsinn: Wien hegt offiziell Pläne zur Untertunnelung der Donau einschließlich des Nationalparks Donau-March-Thaya-Auen. Und: Die Autobahn von der A4, Anschluß Kittsee, nach Bratislava soll kommen.

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Gelegentlich fragen sich einfache Menschen, was in den Köpfen der PolitikerInnen vorgeht. Bei genauerem Hinsehen können wir nur froh sein, daß die Menschheit nicht zu häufig direkt damit konfrontiert wird.

Anfang Oktober veranstalteten die Wirtschaftsstadträtin der Gemeinde Wien, EU-Posaunistin Brigitte Ederer, ÖVP-Planungsstadtrat von Wien, Bernhard Görg, ÖBB-Generaldirektor Draxler und unser ehemaliger Freund Caspar, sowie weitere Planungsgrufties der Länder Wien und Niederösterreich, eine gemeinsame Pressekonferenz. "Wien bekennt sich zu seiner Funktion als Verkehrsknotenpunkt", war zu vernehmen, ebenso daß Wien rasch initiativ werden muß, "um nicht durch das zukünftige transeuropäische Verkehrsnetz in Richtung Osteuropa zu rutschen". O-Ton Görg: es sei "enttäuschend, daß sich der Bund nicht eindeutig für Wien ausspricht - sind wir erst einmal so ein Knoten, kommt man an Wien ohnehin nicht vorbei".

Genau das ist es, wonach das Volk lechzt: Transit, Transit und noch einmal Transit. Baudirektor Weber von der Stadt Wien: "Wenn die großen Bahn- und Autobahnlinien 60 Kilometer an Wien vorbeifahren, wird Wien zu einer verträumten Stadt...". Selbstredend, Wien mit seiner träumerischen Südosttangente, dem idyllischen Gürtel, dem paradiesischen Kleinod Hadikgasse.

Baudirektor Weber ist natürlich für den Güterterminal Inzersdorf im Süden, damit einhergehend für die B301, die eine Donauquerung (Lobautunnel) und eine sog. Nordostumfahrung (B302) bedingt, "und über eine Nordautobahn wird man sicher auch reden müssen". Friedrich Zibuschka von der Verkehrsabteilung des Landes Niederösterreich hält von einer solchen Geschichte weniger als vom weiteren Ausbau der Westautobahn.

Unabhängig von dieser betongeschwängerten Pressekonferenz hat das Land Niederösterreich erst kürzlich sein "Verkehrskonzept", ein straightes Autobahnausbauprogramm, beschlossen. Darin enthalten: Verbreiterung der Südautobahn, der Westautbahn, selbstredend die B301 und "große Dringlichkeit" für die Autobahn von Kittsee (Anschluß A4) nach Bratislava. Begründet wird das alles u.a. mit der Benzinverschwendung, weil die Leute im Großraum Wien permanent im Stau stecken. Laut diesem "Verkehrskonzept" soll die Motorisierung in Niederösterreich bis 2011 um 30% zunehmen, der Anteil der Autos von 59% des Gesamtverkehrs (1995) auf 63% steigen.

B301

Durch diverse Shopping- und Staucenters, existierende und geplante, geht der Südraum Wiens mit Riesenschritten dem absoluten Chaos (was an sich noch nichts schlechtes ist) entgegen. In der Motor-City-Süd neben der SCS ist die erste Firma eingezogen, gleich daneben wird demnächst noch ein riesiges Center für Konsumverblödung rund um die Investorengruppe von ex-UNO-Generalsekretär de Cuellar hochgezogen, und Frank Stronach mit seiner Kugel in Ebreichsdorf will auch noch von der Partie sein.

Da folglich alles an Verkehrsinfrastruktur zusammenbrechen wird, was es gibt, wird eines propagiert: die B301. Die illustre Koalition setzt sich u.a. aus dem Porr AG-Chef und Präsidenten der Vereinigung Industrieller Bauunternehmungen (VIBÖ), Horst Pöchhacker und dem Verkehrsstadtrat von Wien und ARBÖ-Wien-Präsident, Svihalek, zusammen. Gemeinsamer Feind ist die nach EU-Recht vorgeschriebene Umweltverträglichkeitsprüfung. "Umweltprüfungen lassen keine vernünftige Bauplanung mehr zu", poltert Pöchhacker. Er erwähnt nicht, daß die Straßenbaugesellschaft ÖSAG seit Bestehen des UVP-Gesetzes nicht in der Lage ist, eine gesetzeskonforme Umweltverträglichkeitserklärung (UVE) als Grundlage für die UVP für die B301 zu erstellen. Ein erster wahrlich jämmerlicher Entwurf wurde von den UmweltanwältInnen Wiens und Niederösterreichs derart kritisiert, daß die ÖSAG den Versuch dieser UVE ersatzlos zurückzog. Dies ist auch trotz aller verbalen Trommelfeuer der Betonfreaks Stand der Dinge.

Die Rechtsbeugung

Mit 1. Jänner 1997 wurde das Bundesstraßengesetz dahingehend novelliert, daß beim Ausbau bestehender Straßen keine UVP nach dem UVP-Gesetz mehr notwendig ist. Nötig ist nur mehr ein pseudo-"Bürgerbeteiligungsverfahren", wobei Einwände nur gehört, aber nicht berücksichtigt werden müssen. Freie Autobahn, sozusagen.

Prompt wurde die B3 ab Stockerau von einer einfachen Bundesstraße mit zwei Fahrbahnen mit einer Breite von neun Metern zu einer Vollautobahn mit 23,5 Metern Breite, Beton-Mittellinie, Banketten und Pannenstreifen ausgebaut. Bis Perzendorf ist die Autobahn nun fertig, bis 1999 wird der Abschnitt bis Kollersdorf gebaut, danach jener nach Krems.

Die Kosten beliefen sich bisher auf 312 Millionen Schilling. Sauer ist das Rote Kreuz, dessen Einsatzfahrzeuge nun bei einem Unfall zum Umdrehen 10 Kilometer bis nach Stockerau oder ans andere Ende bei Tulln fahren müssen, während Unfallopfer etwa eine halbe Stunde ohne Versorgung herumliegen. "Dieses Problem hat man auch bei Autobahnen mit Mittelleitschienen", meint dazu die Bundesstraßen-Abteilung. Echt cool.

Was kommt

Die Europäische Entwicklungsbank (EIB) hat den Beschluß gefällt, der Slowakei einen Kredit über 345 Mio. öS für den Bau der Autobahn zwischen Bratislava und der österreichischen Grenze zu geben. Die Gesamtlänge auf slowakischem Gebiet beträgt 18 km, eine Abzweigung führt direkt nach Ungarn. Die Autobahn ist Teil der Transeuropäischen Netze der EU, der TEN-Verbindung Nürnberg-Prag-Bratislava-Budapest mit Anbindung nach Wien. Damit hat sich bewahrheitet, was die GegnerInnen der Ostautobahn A4 vor dem Bau gesagt haben, nämlich daß ein Bau der A4 automatisch eine weitere Autobahn nach Bratislava verursachen wird.

Auf österreichischem Gebiet war schon vor Jahren offiziell von einer "Verbreiterung eines Güterweges" die Rede.

Skandale & Anekdoten

Am 23 Juni fiel bei Sanierungsarbeiten auf der Südautobahn A2 in der Steiermark die Leitung eines Starkstrommastes auf die Fahrbahn, nachdem eine Baumaschine diese gekappt hatte. Die Autobahn war eine Dreiviertelstunde gesperrt.

Ein Skandälchen verursachten die Liberalen in Niederösterreich, als sie die Sanierungsarbeiten an der gerade erst im Vorjahr fertiggestellten A3 bei Guntramsdorf kritisierten. Die Fahrbahn zwischen Ebreichsdorf und Guntramsdorf mußte nach nur wenigen Monaten um vier Millionen generalsaniert werden. Die ÖVP-Niederösterreich sprach von einem "Skandalisierungsversuch", kurz darauf schlief die Sache wieder ein.

Munterer ging es vor einem Ausschuß des Kärntner Landtages rund um den Skandal um das Baulos Rosegg der Karawanken-Autobahn in Kärnten zu. Die Baufirmen residierten Anfang der 90er Jahre ebenso wie die Bauaufsicht im selben Gebäude in Villach. "Rückdatierungen, nachträgliche 'Korrekturen' und geschätzte Mengenangaben" waren laut Zeugenaussagen damals an der Tagesordnung, die Baufirmen schleppten ordnerweise Rechnungen ab und brachten diese nach Tagen korrigiert zurück. Ein Beamter der Aufsicht, der die Sache auffliegen ließ, wurde von den Firmenvertretern mit "Das Drauwasser ist für Dich auch noch zu gut" bedroht. Der Leiter der Bauaufsicht versuchte sich mit der eigenwilligen Ansicht abzuputzen, daß nicht er, sondern die Mitarbeiter für die ordentliche Abwicklung zuständig gewesen wären.

Erfolge

Jüngst gelang es in Wien, ein geplantes Straßenstück namens B12b durch öffentlichen Widerstand zu kippen. Fest entschlossen auszuharren dürften auch jene KleingärtnerInnen in Floridsdorf sein, die einer B-3 im Wege stehen. "Wenn der Verwaltungsgerichtshof im Enteignungsverfahren keine aufschiebende Wirkung zuerkennt, wird mit dem Bau begonnen", dröhnt der ÖVP-Planungsstadtrat Görg (sich der Stärke seiner 15%-Absturzpartei voll bewußt). Da das schon im November sein könnte, hat Görg die Arbeiten für das erste Teilstück bereits Anfang Oktober ausgeschrieben; daß es zu diesem Zeitpunkt noch keinen rechtskräftigen Bescheid des Wirtschaftsministeriums gab, störte ihn offensichtlich kaum.

Die Planungsgutachten wurden 1983 erstellt und seither nicht mehr verändert. Neuerliche Untersuchungen zu diesem Vorhaben werde es jedenfalls keine mehr geben, so Görg, denn "Es gibt keine Alternative". Daß das UVP-Gesetz seit 1994 in Kraft ist, tja...


aus: TATblatt Nr. +87 (20/97) vom 20. November 1997
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