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Presseaussendungen:

>von Anwalt Dr. Thomas Prader
>APA-Meldung
>Presseaussendung des europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte


Dr. Thomas Prader:

EGMR verurteilt Österreich

Utl.: Vorwurf des Tatblattes, die FPÖ betreibe "rassistische Hetze", zulässig

Wien (OTS) - Im Zuge der Auseinandersetzung um das Ausländervolksbegehren der FPÖ wurde diese im Tatblatt vom 9. Dezember 1992 der "rassistischen Hetze" bezichtigt. Die FPÖ brachte daraufhin Klage gegen das Tatblatt nach § 1330 ABGB (Kreditschädigung, üble Nachrede) ein. Das Verfahren endete mit einer Verurteilung des Tatblatts durch den Obersten Gerichtshof (OGH). Dieses Urteil wurde vom Tatblatt beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg angefochten, der in seiner heutigen Entscheidung feststellt, dass das Tatblatt durch die Entscheidung des OGH in seinem Recht auf freie Meinungsäußerung verletzt wurde. Die Republik Österreich wurde auch zum vollen Ersatz der Verfahrenskosten verurteilt.

Aus den Entscheidungsgründen (sinngemäße Übersetzung): "Es ist davon auszugehen, dass die inkriminierte Aussage (Anmerkung: die FPÖ betreibt rassistische Hetze) zwar sicherlich polemisch gemeint war, sie stellt aber keine grundlose persönliche Beleidigung dar, da sie in einer speziellen politischen Situation, in welcher sie zu einer Diskussion über ein Thema von öffentlichem Interesse - nämlich der Ausländerpolitik -gemacht wurde. Die Aussage war Teil einer politischen Diskussion, die von Mr. Haider und anderen Mitgliedern der FPÖ selbst provoziert wurde, in dem sie das Ausländervolksbegehren initiiert haben. Der Gerichtshof vertritt die Ansicht, dass die inkriminierte Äußerung als zulässiger Kommentar zu einer Angelegenheit öffentlichen Interesses anzusehen ist; sie stellt ein Werturteil dar; der Gerichtshof folgt nicht der Ansicht der österreichischen Gerichte, wonach es sich um eine Tatsachenbehauptung handelt. Derartige Meinungsäußerungen sind lediglich dann unverhältnismäßig, wenn sie ohne jegliches Tatsachensubstrat gefällt werden. Angesichts der obigen Ausführung (Anmerkung: zum Ausländervolksbegehren) ist das jedenfalls nicht der Fall."

Rechtsanwalt Dr. Thomas Prader, der das TATBLATT im gesamten Verfahren vertreten hat und zu den Mitbegründern von SOS Mitmensch gehört, "begrüßt diese Entscheidung, insbesonders deren Begründung.

Der EGMR hat sich inhaltlich mit dem Ausländervolksbegehren der FPÖ intensiv beschäftigt und letztlich die Auffassung vertreten, dass der an die FPÖ gerichtete Vorwurf, sie betreibe rassistische Hetze, im Rahmen der Meinungsäußerungsfreiheit gerechtfertigt und legitim ist. Damit wurde auch vom EGMR festgestellt, dass die seit vielen Jahren an der FPÖ geäußerte internationale Kritik auch in Österreich zulässig sein muss. Gespannt darf man sein, ob Vertreter der FPÖ aufgrund dieser Entscheidung nunmehr auch die Unabhängigkeit und Legitimität des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in Frage stellen."

Rückfragehinweis: Dr. Thomas Prader


Austrian Press Agency: 

APA APA522 5 II 0507 MI 26.Feb 02 Medien/Zeitungen/EU/Europarat/Menschenrechte

»Gerichtshof für Menschenrechte gibt "Krone" und "TATblatt" Recht

Utl.: Artikel 10 der Menschenrechtskonvention von österreichischen Gerichten verletzt - Schaden- und Kostenersatz

Straßburg/Wien (APA)

Die österreichischen Gerichte haben in zwei Verfahren gegen die "Kronen Zeitung" und in einem gegen das linksradikale "TATblatt" den Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention und damit das Recht auf freie Meinungsäußerung verletzt. Zu diesem Schluss kam am Dienstag der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR), wie in einer Aussendung mitgeteilt wurde. Die Republik Österreich muss nun finanziellen Schaden- und Kostenersatz leisten, gegen die EGMR-Entscheidungen kann aber Berufung eingelegt werden.

Hintergrund war im ersten Fall ein "Krone"-Artikel von Hans Dichand, der dem damaligen ÖVP-Justizsprecher und Vorsitzenden des Justizausschusses im Parlament Michael Graff Unvereinbarkeit mit seinem Anwaltsberuf vorgeworfen hatte. Darüber hinaus hieß es, Graff habe an Gesetzesinitiativen teilgenommen, die seinen Klienten Vorteile verschafften. Er war damals Rechtsvertreter von Kurt Falk, der sich mit "täglich Alles" einen erbitterten Kampf mit Dichand lieferte. Graff klagte auf Unterlassung und bekam Recht, die Berufung der "Krone" blieb erfolglos.

Der EGMR stellte nun fest, dass diese "Beschränkung in einer demokratischen Gesellschaft nicht notwendig" sei. Die Werturteile im "Krone"-Artikel hätten eine "adäquate faktische Basis". Zwar habe die "Krone" "harsche Kritik in starker, polemischer Sprache" geäußert, der Artikel 10 beschütze aber auch Informationen, die "beleidigen, schocken oder verstören", hielt der Gerichtshof fest. Der "Krone" wurde eine finanzielle Entschädigung von rund 7.540 Euro (7.540 Euro/103.753 S) zugesprochen, darüber hinaus der Ersatz von Verfahrens- und anderen Kosten in der Höhe von rund 22.555 Euro (22.555 Euro/310.364 S) .

Zu Gunsten der "Kronen Zeitung" entschied der EGMR auch im zweiten Fall "Krone" versus die Republik. Hintergrund waren Artikel in der Kärntner Ausgabe über die Einkünfte des damaligen Nationalrats- und Europaparlamentsabgeordneten Walter Posch (S), die mit Fotos von Posch illustriert waren. Poschs Lehrer-Gehalt wurde als illegal dargestellt.

Ein solcher Vorwurf sei "zweifellos von öffentlichem Interesse", urteilte der EGMR am Dienstag. Die österreichischen Gerichte, die Poschs Klage gegen die "Krone" Recht gegeben hatten, hätten verabsäumt, die "essenzielle Funktion der Presse in einer demokratischen Gesellschaft" ausreichend zu berücksichtigen. Da Posch als Politiker und damit öffentlich tätig gewesen sei, gebe es "keinen gültigen Grund", warum nicht auch Fotos von ihm veröffentlicht werden könnten. Diese seien schließlich auch auf der Homepage des österreichischen Parlaments zu sehen gewesen. Entschädigung und Kostenersatz für die "Kronen Zeitung": Insgesamt rund 10.730 Euro (147.648 S).

Der dritte Causa mit Österreich-Bezug drehte sich am Dienstag um ein Verfahren der FPÖ gegen den Herausgeber-Verein des "TATblatt". Im Vorfeld des FPÖ-Volksbegehrens "Österreich zuerst" hatte die linksradikale Wochenzeitung im Jahr 1992 der FPÖ "rassistische Agitation" attestiert und Telefonnummern und Adressen von Parteistellen veröffentlicht. Das Wiener Handelsgericht gab 1994 einer Klage der FPÖ Recht. Nicht so der EGMR: Er war nicht überzeugt, dass das "TATblatt" eine Tatsachenbehauptung getätigt habe, sondern sprach vielmehr von einem "direkten Kommentar zu einem Thema von öffentlichem Interesse". Es gebe "keinen ausreichenden Grund", die Zeitschrift "daran zu hindern, ihr kritisches Statement zu wiederholen", hielt der Gerichtshof fest. Er sprach dem "TATblatt"-Verein Entschädigung und Kostenersatz in der Höhe von 16.821 Euro (231.462 S) zu. (Schluss) ks/bru/dru

APA522 2002-02-26/15:25 «261525 Feb 02


Presseaussendung des europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte

 

Press release issued by the Registrar
http://www.echr.coe.int/english/2002/feb/austrianjudsepress.htm
104 / 26.2.2002

 

CHAMBER JUDGMENTS CONCERNING AUSTRIA

The European Court of Human Rights has today notified in writing the following three Chamber judgments, none of which is final [fn]. (All three are available only in English.)

(...)

(2) Unabhängige Initiative Informationsvielfalt v. Austria

(no.28525/95) Violation Article 10

Unabhängige Initiative Informationsvielfalt is an association registered in Austria and the publisher of the periodical, "TATblatt."

Between 25 January and 1 February 1993 an opinion poll under the heading "Austria first" ("Österreich zuerst") took place, which had been initiated by the FPÖ (Austrian Freedom Party) several months before. Its proposals included : stopping immigration until a satisfactory solution to illegal immigration had been found; obliging all foreign workers to carry an identity card at work; limiting the percentage of pupils whose mother tongue was not German to 30 % and, if the percentage were higher, creating separate classes for foreigners; and, denying foreigners the right to vote.

In the 9 December 1992 issue of the "TATblatt", a leaflet had been published, including the following statement: "Racism has a name and address...The FPÖ and its party officials are certainly interested in your opinion! So, let’s call them and tell them what we think of them and their policy. Or let’s send them small gifts in response to their racist agitation." The text was followed by a list of addresses and telephone numbers of FPÖ members and offices.

On 11 February 1993 FPÖ leader Jörg Haider brought civil proceedings for an injunction against the applicant association, concerning the references to "racist agitation", sending gifts and the publication of the telephone numbers and addresses. The applicant association submitted that it had never identified itself with the leaflet at issue and had merely published it out of journalistic interest and in order to inform the public. Moreover, the expression "racist agitation" was not a statement of fact, but a value judgment, meant as a critical comment on the opinion poll.

On 14 April 1994 the Vienna Commercial Court granted the injunction, finding that the statements were presented as facts and, as such, had to be proved. The applicant association appealed unsuccessfully regarding the part of the injunction concerning the phrase "racial agitation".

The European Court of Human Rights found that the impugned statement should be seen in the political context in which it was made, namely as a reaction to the opinion poll "Austria first". The Court was not persuaded that the impugned statement about "racist agitation" was a statement of fact; it could be considered fair comment on a matter of public interest, that is, a value judgment, the truth of which was not susceptible to proof. In sum, the Court could not find that there were sufficient reasons to prevent the applicant from repeating the critical statement in question.

Finding that the injunction against the applicant was disproportionate to the aim pursued, the Court held, unanimously, that there had been a breach of Article 10 and awarded the applicant EUR 4,400 for pecuniary damage, EUR 10,571.50 for costs and expenses and EUR 1,850 for additional interest.

 

Anmerkung: [fn] Under Article 43 of the European Convention on Human Rights, within three months from the date of a Chamber judgment, any party to the case may, in exceptional cases, request that the case be referred to the 17-member Grand Chamber of the Court. In that event, a panel of five judges considers whether the case raises a serious question affecting the interpretation or application of the Convention or its Protocols, or a serious issue of general importance, in which case the Grand Chamber will deliver a final judgment. If no such question or issue arises, the panel will reject the request, at which point the judgment becomes final. Otherwise Chamber judgments become final on the expiry of the three-month period or earlier if the parties declare that they do not intend to make a request to refer.

 

 
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