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Sexismus in der AntiWEFkoordination

Brief einer Salzburger Anti-WEF-Aktivistin

Ja, der Gipfel in Salzburg ist vorbei: und wenn auch nicht die Massen zum Demonstrieren gekommen sind, so können wir, die Antiwefkoordination, doch ziemlich zufrieden sein. Das monatelange Daraufhin-Planen, Organisieren und Arbeiten hat sich gelohnt, die Leute haben wo schlafen können, es hat eine Rechtshilfestelle gegeben, einen Infopoint und sogar ein Medienzentrum.

Okay, jetzt, wo der ganze Stress also vorbei ist, ist auch endlich Zeit dazu, ein paar kritische Worte fallen zu lassen.

Ja, ja, ihr habt schon richtig gehört, Sexismus in der Antiwefkoordination, obwohl doch in unseren Grundsätzen drinnen steht, dass wir antisexistisch sind. Sexismus in einer Gruppe, für die das doch gar kein Thema mehr ist, in der gar nicht mehr darüber gesprochen werden muss, weil wir doch alle so wahnsinnig korrekt sind.

Ha, denkste, wir sind antisexistisch, diese Worte schon 1.000.000 Mal gehört, niedergeschrieben, beschworen, gelesen und ausgesprochen ... und kein einziges Mal ihre Bedeutung verstanden, dahingesagt und nie auch nur eine Sekunde überlegt, was das eigentlich heißt.

Also: wieder einmal ein bundesweites Treffen, und wie es diese Treffen nun mal so an sich haben, gibt es einige Leute, die eben nicht wissen, wo schlafen. Für mich eine Selbstverständlichkeit, und irgendwie auch von dem Gefühl erfüllt, hey, netten Abend mit Leuten verbringen, die ähnlich drauf sind, sich austauschen, miteinander diskutieren und so halt, sag ein paar Leuten, die ich eigentlich nicht kenne, zu. War voll und ganz davon überzeugt, dass das alles kein Problem sein würde, hab nicht einmal daran gedacht, auch wenn Frauen in unserer Zeit, wie es scheint, immer und überall diesen Gedanken mit sich rumtragen müssen, sich nie allzu sicher fühlen sollten, immer im Hinterkopf: "Hey, das sind Typen, also Mädel, sei auf der Hut!"

Also schlafen die bei mir, einer neben meinem Bett am Boden. Ich frage mich, ob es Typen nachvollziehen können, was für ein Gefühl es ist, wenn du des Nachts aufwachst, und die Hand eines Typen liegt neben dir. Ich war sofort hellwach und hab die Situation auch gleich abgecheckt, der Typ da am Boden will mich begrapschen. Mein Herz rast, ist halt doch eine ziemliche Stresssituation. Ich versuch mich noch mal kurz zu beruhigen, indem ich mir sage, dass der Typ die Hand sicher nur im Schlaf da hinaufgelegt hat, aber da tastet sich die Hand schon näher an meinen Körper heran. Ich schiebe die Hand unsicher und eher zaghaft weg, bin nicht in der Lage, sie einfach auf die Seite zu stoßen, traue mich nicht, keine Ahnung warum, irgendwie, um die Situation für ihn nicht zu unangenehm zu machen, so bescheuert das so ausformuliert auch klingen mag, aber die Sozialisation tut nun mal das ihre und ist schwer zu überwinden, auch wenn du glaubst, du bist stark, du wehrst dich, du lässt dir nichts gefallen, mit dir sicher nicht!

Naja, die Hand hat das zaghafte Wegschieben entweder nicht kapiert, oder es ist ihr egal, sie tastet wieder in Richtung meines Bauchs und mich packt die Panik, wieder die selbe zaghafte Abwehrbewegung, ich will die Hand auch nicht berühren müssen, die anderen schnarchen friedlich vor sich hin, während mein Herz noch schneller rast.

Natürlich war die Sache auch mit diesem zweiten Versuch noch nicht erledigt, die Hand nähert sich mir wieder und ich sage irgendwas wie "Verpiss dich, das ist ja zum Kotzen", und wehre mit dem Ellenbogen die Hand ab. Meine Stimme klingt dabei nicht kräftig und energisch, sondern jämmerlich zittrig und piepsig, fast so, als ob ich diejenige wäre, die sich scheiße verhält, aber die Hand ist nun weg. Ich bin hoch angespannt, jeden Mucks interpretiere ich als das neue Annähern der Hand, jede Bewegung, die ich von dem Typen am Boden wahrnehme, als neuerlichen Versuch, sich an mich heranzumachen.

Ich liege ganz an die Mauer gepresst, das Gesicht zur Wand, so weit wie möglich von ihm entfernt, ich zittere, und mein Atem geht sehr schnell, erst als ich ihn gleichmäßig schnarchen höre, traue ich mich den Kopf in seine Richtung zu drehen, und eine Ewigkeit später, gelingt es mir, mich wieder einigermaßen entspannt hinzulegen. Nur ganz allmählich werde ich etwas ruhiger, an Schlaf ist dennoch nicht mehr zu denken.

Abgesehen davon, dass ich nicht Terror geschlagen habe und dieses widerliche Arschloch sofort aus meinem Zimmer geschmissen habe, habe ich auch am nächsten Tag nicht die Kraft gehabt, die Sache anzusprechen, hab ihm und den anderen, völlig übernachtigt, noch ein Frühstück gemacht, sogar Smalltalk mit ihm gehabt und bin dann mit ihnen zum Plenum, natürlich ohne ein Wort davon zu erwähnen, denn so kurz vor dem Gipfel gab es wichtigere Dinge zu besprechen.

Jetzt, mit etwas Abstand betrachtet, frage ich mich, was es denn Wichtigeres gibt. Da hat ein Typ eine Frau sexuell belästigt, und das bei ihr zuhause, das finde ich sowieso das Ärgste, bei mir zuhause nimmt er sich das Recht heraus, mich einzuschränken, meinen Bewegungsfreiraum einzugrenzen, mich zu belästigen, in Angst zu versetzen, mir ais Frau klar zu machen, dass ich nirgends und niemals vor der Gewalt, die von Männern ausgeht, sicher bin, dass sie immer und überall lauert.

Und wieso funktioniert das ganze so perfekt? Weil alle mitspielen, und am meisten wohl ich selbst, bemüht darum, für niemanden Unannehmlichkeiten zu schaffen, nichts aus dem Gleichgewicht zu bringen, die gestresste Gruppe nicht mit so einem Thema zu konfrontieren, es jeder/m recht zu machen, auf die andern Rücksicht zu nehmen, während es mir selbst beschissen geht.

Und wie oft hat so ein Typ sowas schon probiert, und wie oft wird er es wieder probieren? Und wie viele von ihnen gibt es unter uns?

Ich frage mich, ob Männern bewusst ist, was für ein unerträglich beschissenes Gefühl es ist, als Ware, als Fleisch betrachtet zu werden, wie das Gefühl ist, immer mit dem Gedanken herumzulaufen, dass etwas passieren kann, dass du immer in sexueller Gefahr bist.

Natürlich ist an diesem Tag nichts wichtigeres besprochen worden, denn was gibt es, was wichtiger ist? Um es pathetisch zu sagen: Was wird das für eine Welt nach der Revolution, wenn die Revolution von Menschen getragen wird, die nach außen zwar superkorrekt sind, im Inneren aber gar nichts geschnallt haben? Mit Sexisten und sonstigen selbstgerechten, festgefahrenen Arschlöchern hab ich auch keine Lust zusammenzuarbeiten, obwohl ich auch nicht einseh, warum eigentlich wieder die Frau gehen soll.

Wie das Ganze weiter gegangen ist? Er ist auf die Sache (nicht von mir) angesprochen worden, hat es zugegeben und gemeint, dass es ihm Leid tut, wollte mit mir drüber reden, nur, für was? Sollen wir uns die Hand geben und sagen, dass wir uns wieder verstehen? Es geht hier ja auch nicht nur um mich, sondern im Prinzip um alle Frauen und um das ganze Unterdrückungssystem, um das Patriarchat.

Er hat gemeint, dass er sich von den Treffen eher zurückhalten wird, mir aus dem Weg gehen wird und mich in Ruhe lassen wird. Gemerkt hab ich davon relativ wenig. Er ist schon ziemlich involviert und engagiert, ein richtiger Checker halt.

Hm, wär cool, wenn mal so eine Diskussion zu Stande kommen würde, wie mit solchen Situationen umzugehen ist, weil derzeit ist es halt schon so, dass die Sache im Wesentlichen das Problem von der Frau ist, die das halt irgendwie für sich regelt, sich mit der Situation abfindet oder aus dem politischen Zusammenhang zurückzieht. Aber das kann doch auch nicht die Lösung sein.

Für eine Welt ohne sexistische Arschlöcher, ohne Arschlöcher, die diese tolerieren, und ohne Arschlöcher, die nicht kapieren, worum es eigentlich geht!

aus TATblatt Nr. +172/3 vom 1. September 2001

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Stellungnahme der Anti-WEF-Koordination

Anmerkung TATblatt: In der TATblatt-Ausgabe +172/73 druckten wir einen Brief einer Anti-WEF-Aktivistin ab, in dem sie einen sexistischen Übergriff während der Vorbereitungen zu den Protesten gegen das WEF in Salzburg aufdeckte. Sie forderte darin eine Diskussion, "wie mit solchen Vorfällen umzugehen ist, weil es derzeit halt schon so ist, dass die Sache im Wesentlichen das Problem von der Frau ist, die das halt irgendwie für sich regelt, sich mit der Situation abfindet oder aus dem politischen Zusammenhang zurückzieht." Die Anti-WEF-Koordination reagierte mit folgender Stellungnahme, die auf indymedia in austria und in den online-tagesnews widerstandMUND zu heftigen Diskussionen führte. Die Diskussion sollte aber auch im TATblatt damit nicht abgeschlossen sein.

 

Diese Stellungnahme zu Sexismus in der Anti-WEF-Koordination bezieht sich auf den Brief einer Aktivistin, welcher im Tatblatt (+172/173) im September veröffentlicht wurde. Wir bedauern, dass unsere erste, schriftliche Stellungnahme erst jetzt erfolgt. Dies liegt an unserer Diskussions- und Organisationsstruktur, die schnelle Entscheidungen erschwert. Dieser Text ist ein Zwischenergebnis unseres Diskussionsprozesses, er soll bewusst kein Endergebnis sein, die Diskussion geht weiter. In einigen Punkten schafften wir es nicht einen Konsens zu finden, so gab es zur Frage, ob wir dem Mann (der den in dem Brief veröffentlichten, sexistischen Übergriff letztendlich eingestand) einen Rückzug aus allen linken Zusammenhängen nahe legen sollten, verschiedene Einschätzungen. Wir werden in allen unseren weiteren Diskussionen über Herrschafts- und Machtverhältnisse versuchen, diese mit einer Kritik an geschlechtsspezifischen Unterdrückungsformen zu verbinden.

Für uns ist es selbstverständlich, dass der Mann auf dem Plenum nichts mehr zu suchen hat, damit der persönliche und politische Freiraum von uns allen und insbesondere der der betroffenen Frau nicht eingeschränkt wird. Als Anti-WEF-Koordination können wir mehrere politische Konsequenzen ziehen. Einerseits die Aufforderung an den Täter der Anti-WEF-Koordination fernzuhalten und andererseits unsere interne Auseinandersetzung über sexistische Strukturen voranzutreiben, der zuvor so gut wie kein Raum eingeräumt wurde. Solange die Anwesenheit des Täters für irgendjemanden in der Anti-WEF-Koordination ein Problem darstellt, muss dieser sich fernhalten. Wir unterstützen auch die Forderung der betroffenen Frau, dass sich der Täter zurückzieht, wenn sie aufeinandertreffen, egal wo, weil wir auch nicht einsehen, warum eigentlich wieder die Frau gehen soll( Brief einer Salzburger Anti-WEF-Aktivistin). Es soll alles daran gelegt werden der betroffenen Frau die politische Arbeit uneingeschränkt möglich zu machen. Seine persönliches Umfeld und die politischen Zusammenhänge, in denen er aktiv ist, sind aufgefordert sich mit ihm und allen sexistischen Verhaltensweisen ausseinanderzusetzen. Logische Konsequenz kann für den Täter nur sein, eine Veränderung anzustreben. Wir wollen versuchen in unseren Diskussionen unsere geschlechtsspezifisch geprägten Kommunikationsformen zu hinterfragen und uns gegenseitig darauf hinzuweisen. Es soll ein Klima geschaffen werden in dem sexistisches Verhalten jederzeit kritisiert und angegriffen werden kann.

Eine Auseinandersetzung mit sexistischen Herrschafts- und Gewaltverhältnissen darf sich nicht auf konkrete Übergriffe beschränken, es geht darum unseren Sexismus in den Köpfen zu realisieren und zu bekämpfen. Wir sollten uns von dem Irrglauben verabschieden, dass autonome Strukturen Sexismus-frei sind. Diese Arroganz ist zu einem Großteil dafür verantwortlich, dass sexistische Machtverhältnisse nur proforma Thema sind, eine Verbesserung der Situation wird dadurch verunmöglicht. Selbst Männer, die versuchen ihr Verhalten zu reflektieren, bleiben Männer und reproduzieren ob sie wollen oder nicht gesellschaftliche Herrschaftsverhältnisse, sprich das Patriarchat. In unserer antisexistischen Positionierung müssen wir ständig über die eigene Involvierung in das herrschende System reflektieren, um emanzipative Perspektiven aus diesem System finden zu können.

Mit unserer Stellungnahme wollen wir nicht nur zeigen, dass wir uns bewusst ist, dass sexistisches Verhalten und sexistische Übergriffe auch Teil linker Zusammenhänge ist, sondern vor allem auch Frauen bestärken in Situationen in denen sie mit sexueller Gewalt konfrontiert sind, mehr Mut zu machen, aufzustehen und "Nein" zu sagen. Vordergründiges Ziel einer solchen öffentlichen Stellungnahme und jeglicher Auseinandersetzung mit dem Thema muss es in erster Linie sein, Opfer sexueller Gewalt das Gefühl zu vermitteln, individuelle Erfahrungen im Bezug auf sexuelle Übergriffe auch in der Öffentlichkeit thematisieren zu können, statt vielleicht dem eigenen Verhalten schlussendlich die Schuld zuzuschieben.

Die Sexismusdebatte ist zu wichtig, sie darf nicht nur anlässlich eines konkreten Vorfalles thematisiert werden, sondern es muss eine ständige breite Diskussion und Auseinandersetzung stattfinden. Es geht um sexistische Übergriffe, aber es muss auch immer um patriarchales Auftreten und Sprache gehen, um Herrschaft reproduzierende Kommunikation,... Sexistische Übergriffe sind nicht nur körperlicher Natur, sie fangen dort an wo Menschen in ihrer persönlichen Freiheit eingeschränkt werden, z.B. wenn Männer Frauen nicht ausreden lassen.

Anti-WEF-Koordination, am 17.12.2001
Email: kontakt@antiwef.org
>>>www.antiwef.org

aus TATblatt Nr. +180 vom 18. Jänner 2002

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Lesybrief zur Stellungnahme der Anti-WEF-Koordination

liebe leute,

wenn der text vom 17.12.2001 ein zwischenergebnis eurer sexismus- diskussion ist, muß ich mich schleunigst zu wort melden und meine meinung dazu kundtun.

eure haltung (im drittletzten absatz) gegenüber sexistischen übergriffen ist für mich theoretisch okay, ich bringe aber die damit verbundene schlußfolgerung nicht auf die reihe. ihr redet davon, daß ihr nicht der illusion aufsitzt, daß sexismus in autonomen strukturen nicht vorhanden sei, zugleich plädiert ihr für den rausschmiß des sexisten aus sämtlichen politischen gremien, weil ihr nicht die frau dafür bestrafen wollt. dies ich finde es aus verschiedenen gründen nicht gut, weil

a) der typ, wenn er aus seiner jetzigen sozialen kontrolle fällt, dort weitermachen kann, wo er aufgehört hat und sich somit gar nichts ändert - jedenfalls nicht für die möglicherweise nachfolgend betroffenen frauen. (ich gehe hier von einer sensibilisiertenlinken gesellschaftsform aus, die auch voneinzelnen mitgliedern die notwendige einsicht verlangen kann!)

b) er sich auf anraten der autonomen sehr wohl einer psychologischen beratung unterziehen könnte, wenn er seinen platz in der linken gesellschaft beibehalten will. also, ich würde mich um jede(n) genossInnen bemühen, der/die es wert ist, denn so zahlreich sind die autonomen auch wieder nicht. setzt bitte eine maßnahme, die

c) ihn zwingt, öffentlich stellung zu beziehen, sich ebenfalls öffentlich bei der frau zu entschuldigen, wenn ihm sein platz in der politik noch was bedeutet (ansonsten gehört er ohnehin zum teufel geschickt).

ich finde, daß political correctness, die darauf basiert mittels ausgrenzung probleme zu lösen, zwar verbreitet ist, aber nicht zu einer ernstzunehmenden politischen auseinandersetzung beiträgt. also, dann, ich verfolge die debatte mit großem interesse weiter

liebe grüße, andrea

aus TATblatt Nr. +181 vom 2.Februar 2002

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Antwort auf obigen Lesybrief

hallo andrea,

deine reaktion auf unsere stellungnahme vom 17.12.01 ('stellungnahme der anti-wef-koordination' tatblatt +180) wollte ich nicht unerwidert lassen und daher hier kurz meine meinung zu deinen kritikpunkten und vorschlägen. auch ich bin deiner meinung, daß durch ausschlüsse von sexisten aus zusammenhängen weder probleme gelöst werden noch zu einer ernstzunehmenden politischen auseinandersetzung beigetragen wird. aber auch ich war für den ausschluß des typen auf unbestimmte zeit aus der awk (anti-wef-koordination). und zwar weder um ihn zu bestrafen, noch in dem glaube damit den sexismus-pegel innerhalb des netzwerks senken zu können, sondern ganz einfach um es der betroffenen frau zu ermöglichen auch in zukunft in der awk aktiv zu sein, ohne dem typen ständig über den weg laufen zu müssen - was sie ja laut ihrem offenen brief (tatblatt +172/173) offenbar nicht will. weil es wirklich unzumutbar ist, daß es dann auch noch die frau ist, die sich aus dem zusammenhang zurückziehen soll.

den typen aus 'sämtlichen politischen gremien' (also aus der ganzen szene) rauszuschmeissen, wie du schreibst, bzw. den rausschmiß zu fordern, wurde zwar in die diskussion innerhalb der awk eingebracht, setzte sich aber nicht durch. abgesehen davon fällt der typ durch seinen rausschmiss aus der awk wahrscheinlich nicht aus seinem sozialen umfeld heraus. viel eher erschien es uns als unabdingbar, uns mit unserem eigenen sexistischen verhalten und denkstrukturen sowohl in der gruppe als auch im persönlichen vermehrt auseinanderzusetzen und die auseinandersetzung auch von dem betreffenden typen zu verlangen. wie diese auseinandersetzung im konkreten aussieht muß jeder und jede für sich selbst bestimmen - mir etwa erschein es wichtig mich u.a. mit non-verbaler kommunikation, also männer-blicke, -gesten etc. zu beschäftigen, die z.b. bei flüchtigen begegnungen (in öffentlichen verkehrsmitteln, in der arbeit, auf der straße...) getätigt werden und - vor allem für frauen - zu unangenehmen situationen führen oder unsicherheiten hervorrufen. bei der beobachtung von anderen menschen ist mir bewußt geworden, wie sich patriarchale strukturen bis in die körper von frauen und männer fortsetzen und sich in haltungen (z.b. bei männern meist breitbeinig, viel platz einnehmend, den blick umherschweifen lassend - bei frauen hingegen eher beine übereinandergeschlagen und blick zum boden) und gesten wiederfinden. zwar sind das mit sicherheit keine sonderlich neuen erkenntnisse, sie haben mir aber geholfen die wirkungsweise von sexismus besser zu begreifen...

zurück zu deinem offenen brief: eine öffentliche stellungnahme oder gar entschuldigung von dem typen zu erzwingen, wie du weiter unten vorschlägst halte ich nicht für angemessen, und weiß auch nicht was das der betroffenen frau oder irgendwem anderen bringen sollte. mit ihm wurden schon gespräche zu dem vorfall geführt und er hat schon mehrmals beteuerte, daß es ihm leid tut und er sein fehlverhalten einsieht. zu beurteilen, wie ehrlich das gemeint ist fällt mir schwer, da ich ihn kaum kenne, aber hierzu sind die meinungen recht unterschiedlich.

zum schluß sei noch gesagt, daß ich mich gefreut habe, daß sich scheinbar doch wer gedanken über unsere auseinandersetzung mit seximus macht und daß obige feststellungen meine persönliche meinung sind, die vielleicht nicht unbedingt die meinung der anderen awk-leute wiederspiegeln.

tschüss franz von der awk

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Antwort auf Antwort

lieber franz,

danke für deine e-mail, es hat mich etwas gewundert, daß sich überhaupt jemand die mühe macht, darauf zu antworten. mir fällt zu deinem statement genug ein, um meinen standpunkt zu verdeutlichen.. also:

1. der sexismus beginnt meiner ansicht nach auch dort, wo es darum geht, frauen das denken abzunehmen zu müssen, nicht erst bei gesten oder körperhaltung. deine ansicht, daß du dir nicht vorstellen kannst, was es der frau bringen sollte....etc., hat so lange keine gültigkeit, solange der betroffenen frau keine wahl gestellt wird, aus der heraus sie eine entscheidung treffen kann, die für sie wie auch der gruppenarbeit, in der sie sich befindet, eine gangbare lösung darstellt. tue dieser frau also bitte einen gefallen und zerbrich' dir nicht ihren kopf! mit deiner haltung trägst du zur verharmlosung des übergriffs bei, würde ich mal sagen. sie hat sich bereits geäußert, damit ist ihr plansoll erfüllt, denke ich. das beste was sie noch tun konnte und das eigentlich richtige. was bitte, hätte sie denn noch tun sollen?

2. kann hier in erster wie in letzter instanz die (betroffene) frau den wunsch haben oder die entscheidung treffen, eine offizielle stellungnahme - mit anschließender entschuldigung versteht sich - des typen zu fordern, das kann wohl nicht zuviel verlangt sein angesichts der häufigen treffen, die ein wiedersehen mit ihm nicht gerade verunmöglicht! (offenbar gibt es aber unter den entscheidungsgewaltigen der anti-wef-koordination soviel sexistisches gewaltpotential, daß dies tunlichst vermieden wird: frau/man unterschätze nie die destruktive auswirkung der männersolidarität!) dann erst wären die dinge klar auf den tisch und ihre position wieder hergestellt, alles andere ist meiner meinung nach einfach eine doppelbödige moral und ziemlich verlogen.

3. ist das verhalten der frau offensichtlich ein zutiefst verunsichertes, denn sie hat offensichtlich das gefühl, daß niemand hinter ihr steht! wenn nämlich wirklich klarheit bestünde, müßte sie nicht angst vor einer neuen begegnung mit dem sexisten haben. ich finde es traurig, daß sich die linken noch immer nicht durchgerungen haben, die sexualität in all ihren bürgerlichen facetten (sogar anhand eines praktischen beispiels) beim namen zu nennen, sondern sich einfach auf das spießige gut-böse-muster einläßt und sich damit der möglichkeit beraubt, über den tellerrand hinaus zu sehen. genug geflucht, aber das gerede von der körperhaltung mag für sich stimmen, geht aber total am thema vorbei und davon kann ich mich nicht beeindrucken lassen, sorry!

also, liebe grüße andrea

 

 

 
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