TATblatt


Der Weg zum Erfolg ...

Nazigold und Zwangsarbeit

Die Mauern der ProfiteurInnen des Naziregimes sind eingestürzt. Nach massiven Boykottdrohungen aus den USA und Gerichtsklagen haben die zwei größten Schweizer Banken einem außergerichtlichen Ausgleich zur Begleichung ihrer Raubgoldprofite und sonstigen Bankguthabens verfolgter Jüdinnen und Juden zugestimmt und damit die Mittäterschaft der Schweiz an Arisierungsprofiten der Nazis zugegeben. Nach den Schweizer Banken folgten die großen Versicherungen, und nun sind deutsche und österreichische Banken und Firmen wegen Profiten aus Zwangsarbeit von KZ-Häftlingen und sonstigen dreckigen Gewinnen an der Reihe.
Die Antwort aus Österreich ist einmal mehr die Nachkriegslüge vom "ersten Opfer Hitler-Deutschlands".

Neue Zürcher Zeitung, AP, Frankfurter Rundschau, Profil; TATblatt
Am Anfang stand die sogenannte "Raubgold-Affäre", als ForscherInnen in den USA der Schweizer Nationalbank nachwiesen, daß diese spätestens seit 1941 gewußt hatte, daß aus Deutschland gekauftes Gold teilweise von der SS stammte, die diese JüdInnen geraubt hatte. Zum Teil handelte es sich um das Zahngold von vergasten KZ-Häftlingen.

Veröffentlicht wurden diese Forschungen im "Eizenstat-Bericht" vom 8. Mai 1997 in Washington (benannt nach dem US-Vizehandelsminister Stuart Eizenstat), in dem es unmißverständlich heißt, daß die Schweiz "Nazi-Deutschlands Bankier und Finanzier war". Als Folge davon setzte die Schweiz selbst eine Kommission ein, wobei die historische Aufarbeitung immer neues Material ans Tageslicht fördert.

"Anfänglich ging es nur um die `nachrichtenlosen Vermögen', dann kamen die Goldkäufe hinzu, dann die Nazi-Fluchtgelder, dann die Raubgüter jeglicher Art, dann der NS-Transit auf dem schweizerischen Schienennetz, dann die Zwangsarbeit in schweizerischen Niederlassungen im NS-Machtbereich, dann der Handel mit Flüchtlingen...", so Kommissionmitglied Georg Kreis, ein Historiker.

Als Folge des Eizenstat-Berichts klagten Überlebende der NS-Zeit in einer Sammelklage zunächst Schweizer Banken, dann auch deutsche Versicherungen. Alleine gegen die Schweizer Banken lautete die Klage auf 1,5 Milliarden US-Dollar (1 US$ = ca. 12,50 öS). Die Banken boten nach längerem Zögern, und nachdem ihnen klar geworden war, daß die bisherige Lüge von der "neutralen Schweiz" angesichts der bekannt gewordenen Fakten der monströsen Bereicherung an den verfolgten JüdInnen nicht mehr aufrecht erhalten werden konnte, nur 600 Mio. US$. Der Vorsitzende des Holocaust-Spezialfonds der Schweiz, Rolf Bloch, riet den Banken über die Medien sogar das Angebot nicht weiter zu erhöhen, außerdem sei es ohnehin nicht Sache der Schweizer Banken, Initiativen zu setzen.

In den USA wurden die Signale verstanden und Vorbereitungen für massive Wirtschaftssanktionen getroffen. Während Bloch die "Verteilung" von 400 Mio. Schilling ankündigte, um ein bißchen Imagepolitur zu betreiben, kündigten die Bundesstaaten New York, Kalifornien und Florida, sowie 30 Städte einen Boykott aller Schweizer Banken ab dem 1. September an.

Daraufhin einigten sich die beiden größten Banken Credit Suisse und UBS (Union Bank of Switzerland) außergerichtlich mit den KlägerInnen auf die Zahlung von 1,25 Milliarden US$, was wohl nicht annähernd die Gewinne sein dürften, die alleine diese Banken aus den Opfern der Nazis gezogen hatten.

Trotz dieser Abschlagszahlung haben die KlägerInnen damit einen bahnbrechenden Erfolg gegen alle NaziprofiteurInnen großen Formats erzielt. Eine der KlägerInnen, die nunmehr 70-jährige Alice Fischer aus New York, hatte seit 1970 versucht, das Geld, das ihr Vater damals aus der Tschechoslowakei in die Schweiz gebracht hatte, wieder zu bekommen.

Damit alle Geschädigten auch tatsächlich zu dieser Entschädigung kommen, werden über den Anwalt Michael Hausfeld in Washington jüdische Organisationen in aller Welt informiert.
 

Internationale Folgen

Von den Versicherungen ging nur kurz danach die Assicurazioni Generali in die Knie und stimmte der außergerichtlichen Zahlung von 100 Mio. US$ zu. Bei den Versicherungen geht es in erster Linie um verweigerte Zahlungen von Ansprüchen aus Lebensversicherungspolizzen an Verwandte von ermordeten JüdInnen.

Nach dem Ausgleich mit den Schweizer Banken haben die KlägerInnen nun die deutschen Banken und Firmen ins Visier genommen. Bei diesen ist der zentrale Punkt die Profite aus Arisierungen, sowie aus Raubgold von KZ-Opfern, die vornehmlich über die Deutsche Bank und die Dresdner Bank liefen. Die Klage gegen Dresdner und Deutsche Bank beläuft sich auf umgerechnet 225 Milliarden Schilling, wobei die Deutsche Bank bisher Anzeichen der Verhandlungsbereitschaft gezeigt hat, während die Dresdner mauert.

Auf dem Fuße folgte Anfang September eine Klage gegen 16 Firmen im Namen von ZwangsarbeiterInnen aus KZs und Kriegsgefangenen. Unter der Elite der KZ-Profiteure sind Volkswagen, Daimler-Benz, die Würtembergische Metallwarenfabrik (WMF), AEG-Telefunken, Leica, BMW, Audi und die Steyr-Daimler-Puch AG. In einem Versuch von Schadensbegrenzung schlossen sich die deutschen Firmen zusammen und forderten von der deutschen Regierung, einen Topf für Entschädigungen einzurichten.

Damit wurde das Thema schlagartig innenpolitisch brisant. Ausgerechnet Bundeskanzler Kohl lehnte dieses Ansinnen ab, nachdem er vor nicht allzulanger Zeit noch die Bayer AG auf ähnliche Weise vor einem Prozeß durch einen jüdischen Kläger in den USA geschützt hatte. Für den Vorschlag war der Spitzenkandidat der SPD für die Bundestagswahl, Schröder, der zugleich im Aufsichtsrat von VW sitzt. Im Zuge der Debatten gab VW zu, daß während des 2. Weltkriegs 17.000 bis 20.000 ZwangsarbeiterInnen bei VW Sklavenarbeit leisten mußten.

Ein besonderer Fall ist die Degussa AG, die wegen der Lieferung von Zyklon B an die Vernichtungslager und wegen der Verarbeitung von Zahngold von Vergasten von vier KZ-Überlebenden geklagt wurde.

Insgesamt wird die Lage so eingeschätzt, daß die deutschen Firmen es vermutlich nicht auf Boykottdrohungen und einen langanhaltenden Imageverlust in den USA ankommen lassen werden und verhandlungsbereiter als die Schweizer Banken sein werden.
 

Waldheimat

Es wird wohl größeren Drucks bedürfen um eine vernünftige Reaktion österreichischer NS-ProfiteurInnen zu erhalten. Bei Steyr-Daimler-Puch, das sich in der Nachkriegszeit des Kriegsverbrechers und "Schlächters von Lyon", Klaus Barbie, als Handelsvertreter in Bolivien bediente, ist Einsicht wohl nicht zu erwarten.

Auf unschuldig spielt auch die CA, bis vor kurzem Hauptaktionär von SDP. Die CA sah sich zunächst mit dem Vorwurf konfrontiert, 1942 Raubgold in die Türkei verfrachtet zu haben. Die erste Reaktion war wie erwartet, nämlich Ignoranz. Erst als Kanzler Klima und ex-Kanzler Vranitzky per Medien ausrichten ließen, daß sich die Banken dem Thema stellen müßten bzw. sollten, erklärte sich die CA-Leitung freundlicherweise zu einem Gespräch mit dem Kläger bereit. Die Botschaft war vermutlich in erster Linie an den lieben Kollegen und Bank Austria-Chef Randa - die BA ist schließlich Hauptaktionär der CA - gerichtet, mit dem Klima und Vranitzky sonst harmonisch zu den Bilderberger-Treffen (die Bilderberger sind geheime Mauschler aus Politik und Wirtschaft unter Ausschluß der Öffentlichkeit) fahren.

Angesichts der patzigen Haltung des CA-Vorstandes nahm sich die internationale Presse freudig des Themas Arisierungen im Jahre 1938 an. 33.000 Betriebe wurden in Österreich arisiert, Entschädigungen nach 1945 praktisch nicht gezahlt, Rückerstattungen waren eine Seltenheit. Besonders erfreute die internationale Presse das Beispiel Riesenrad in Wien, das vier verdienten NSDAP-Parteigenossen zugeschanzt wurde, während der ehemalige Besitzer Eduard Steiner 1944 in Auschwitz ermordet wurde.

Insgesamt arbeiteten in Österreich zwischen 1938 und 1945 vermutlich 700.000 ZwangsarbeiterInnen bei zahlreichen Betrieben.

Zu einem unabsehbaren Desaster für die CA wird die Rolle der CA als KZ-Bank. Die unglaubliche Ansammlung von Fakten, vom regelmäßigen Erhalt von Todeslisten aus Auschwitz über die Bankbeziehungen zu mindestens 13 KZs bis zur Bereicherung durch Wuchergebühren für Geldüberweisungen von Angehörigen an KZ-InsassInnen reicht die Palette der Vorwürfe. Zudem hat das CA-Management alles getan, um den Eindruck dieser an sich schon grauenhaften Vorgänge durch verbohrtes Schweigen noch zu verstärken. Selbst rein pragmatisch gedacht ist es unglaublich, daß das CA-Management geglaubt hat, daß mit Leugnen und Aussitzen noch irgendein Erolg zu erzielen gewesen wäre, wo doch die Deutsche Bank alle ihre Archive einer Historikerkommission geöffnet hatte und die Geschichte der Deutschen Bank während des 3. Reichs demnächst beim Beck Verlag veröffentlicht wird. Zu glauben, einerseits sagen zu können, daß die CA keine selbständige Bank sondern nur zwangsweise Filiale der Deutschen Bank gewesen sei, und andererseits ebenso zu glauben, daß kein Mensch auf die Idee kommen wird in den zugänglichen Archiven der Deutschen Bank nachzuforschen, kann wohl nur aus vollkommener Umnachtung erklärbar sein.

Als Nebenschauplatz präsentiert sich in diesem Zusammenhang die PSK, die anders als die CA sofort eine Historikerkommission einsetzte und sämtliche Forschungsergebnisse veröffentlichen wird. Die PSK hat Max Kothbauer als Generaldirektor, der bis zur Übernahme der CA durch die Bank Austria Generaldirketor der CA war.
 

Daß da noch einiges an Debatten zu erwarten ist, liegt auf der Hand. Die Kontrollbank etwa war offiziell mit der Abwicklung der Arisierungen beauftragt. Daran geknüpft ist so manche anwaltliche Nobelkanzlei, die auf dem Fundament von Arisierungsgewinnen gebaut ist. Nicht wenige Anwälte waren aus diesem oder ähnlichen Gründen nach 1945 im Zuge der Entnazifizierung zeitweise gesperrt.

Schon gefunden wurden geraubte Kunstgegenstände, die in Museen wie dem Kunsthistorischen in Wien herumhängen. Nach Aussagen von Mitgliedern der Bundesregierung ist von der Rückgabe von geraubten Kunstgegenständen nicht auf anderes Raubgut zu schließen. "Eine Vermischung der Kunst- mit anderen Ansprüchen - Versicherungen, Sparguthaben, Wohnungen Vertriebener, Ermordeter, die beschlagnahmt oder nach dem Krieg nicht zurückgegeben wurden - stehe vorläufig nicht zur Debatte", heißt es regierungsamtlich. Erstaunlich ist das nicht, würde doch damit beispielsweise die Hälfte aller Häuser in der Salzburger Getreidegasse die Besitzer wechseln müssen.

Ebenfalls evident sind die Ansprüche von ZwangsarbeiterInnen in zahlreichen österreichischen Betrieben. Da ist die E-Wirtschaft, schließlich wurde das Symbol des Nachkriegs-Aufbaus, das Kraftwerk Kaprun, in Wirklichkeit größtenteils von Zangsarbeitern gebaut. Die AMAG, Aluminium Ranshofen, wurde von hauptsächlich russischen Kriegsgefangenen errichtet. Die Zipfer Brauerei besitzt Stollen, die KZ-Häftlinge errichteten und vieles mehr.

Das letzte Wort ist aber noch lange nicht gesprochen: eine Klage aus den USA und vieles wird möglich, auch bei der CA.



aus: TATblatt nr. +102 (14/98) vom 24. september 1998
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