TATblatt KEINE KOALITION MIT DEM RASSISMUS

Großkundgebung in Wien:
12. November 1999, 
Beginn: 16 Uhr Parlament, 
(Für SchülerInnen und Studierende sowie dem internationalistischen Block: 15 Uhr Universität)
Abschlußkundgebung 18 Uhr Stephansplatz



get to attack und das gute Österreich!

Am 12. November findet eine von SOS-Mitmensch initiierte Großkundgebung gegen die "Verhaiderung Österreichs" statt. Ein breites Aufgebot "demokratischer" Kräfte hat sich in der "Demokratischen Offensive" zusammengeschlossen, um gegen eine mögliche Regierungsbeteiligung Haiders auf die Straße zu gehen. Der institutionelle Rassismus, der für die momentane Praxis in Österreich verantwortlich ist, wird dabei nicht angegriffen - die Kritik richtet sich ausschließlich gegen Haider und die FPÖ und ermöglicht so SozialdemokratInnen & Co eine Beteiligung, ohne sich mit ihrem eigenen Rassismus auseinandersetzen zu müssen. Für den 11. November hat die Kulturinitiative "get to attack" zu einem Aktionstag gegen Rassismus aufgerufen.

TATblatt

Nach dem Wahlergebnis, das in Österreich zu einer Verschiebung in der Parteienlandschaft führte - die FPÖ wurde knapp zur zweitstärksten Partei, die Liberalen schafften den Einzug ins Parlament nicht mehr - richtete sich internationale Kritik gegen Österreich. Mit Bestürzen stellten viele Menschen fest: In Österreich ist nicht nur Rassismus wieder salonfähig, viel mehr stellt die Möglichkeit einer Regierungsbeteiligung der Haider-FPÖ eine mögliche autoritäre Wende in greifbare Nähe.

Interessant in diesem Zusammenhang ist, daß in der direkt auf das Wahlergebnis folgenden Diskussion im ORF-Fernsehen nicht Haider die rassistischen Parolen vorgab - dies übernahmen Viktor Klima (SPÖ) und Wolfgang Schüssel (ÖVP). Ersterer versprach, in Zukunft die bereits bisher übliche Linie "Integration vor Neuzuwanderung" fortzusetzen und die Grenzen in Zukunft noch effektiver zu "sichern". Zweiterer stellte klar, daß "unsere Kinder" (gemeint sind wohl jene mit österreichischer StaatsbürgerInnenschaft, Anm.) vor Drogen und Mißbrauch geschützt werden müßten.

Für Haider war es ein leichtes, die im Wahlkampf gegen seine Partei gerichtete Kritik zu entkräften. Diese richtete sich nicht grundsätzlich gegen die Ideologie der FPÖ, sondern machte sich lediglich an den Wahlplakaten der FPÖ fest. So forderte der Liberale Volker Kier vom FPÖ-Spitzenkanditaten und nunmehrigen zweiten Nationalratspräsidenten Thomas Prinzhorn, die kritisierten Plakate in Wien zu entfernen. Zwei Tage später waren die Plakate durch andere ersetzt, doch an der Einstellung der FPÖ hatte sich wohl wenig geändert.

"Die [...] Position der FPÖ funktioniert wie ein Bumerang: Ausgeschickt gegen alles Fremde, kehrt er zurück und spaltet das Land. Die Front liegt nicht an der Grenze, sie führt mitten durchs Land. Die Kluft, die hier aufgerissen wurde, verläuft nicht entlang der Klassengegensätze, sondern entlang der politischen Differenzen. Haiders 'echtes Österreich' zerstört das real existierende, indem es dieses zum 'anderen Österreich' macht. Keine Koalition mit diesen Kräften der inneren Ausgrenzung kann den Gesellschaftsvertrag wieder herstellen."(1)

Wie zahnlos all diese Argumentationen sind, spiegelt die aktuelle Gesetzeslage und deren Durchführung in Österreich wieder. Menschen ohne österreichischen oder EU-Paß werden in vielerlei Hinsicht diskriminiert. Verantwortlich dafür zeichnen alle im Österreichischen Parlament vertretenen Parteien; von keiner ist eine wirkliche Änderung des status quo (im positiven Sinn) zu erwarten.

Als nach den Wahlen internationale Kritik an den politischen Verhältnissen in Österreich laut wurde, bemühten sich alle Parteien, die Vorwürfe gegen Österreich zu widerlegen. Jörg Haider ging auf Reisen, um darauf hinzuweisen, daß er und seine Partei regierungsfähig seien. Und sogar der Grüne Van der Bellen zog eine Imagetour durch Europa in Erwägung, um so am sauberen Image Österreichs zu polieren. In Österreich gäbe es kein Problem mit Rassimus, und die 27 Prozent FPÖ-WählerInnen könnten doch nicht alle als RassistInnen oder rechtsextrem bezeichnet werden.

Vergessen wurde dabei, daß auch ÖVP und SPÖ kräftig mit rassistischen Argumenten um WählerInnen warben (siehe dazu die letzten Ausgaben des TATblatt).
 
 

Die Gutmenschen
 
 

So verwundert es kaum, daß sich jetzt eine "Demokratische Offensive" gebildet hat, die versucht, eben genau jenes "gute Österreich" zu repräsentieren. "Durch die Beteuerung, Österreich sei kein Nazi-Land wird demgegenüber das 'andere Österreich' präsentiert (...). Dieses ist jedoch nicht durch Widerstand und Konspiration entstanden. Es sieht nicht viel anders aus, als das bisherige offizielle Österreich - und dennoch ist es ganz verschieden davon. Denn der extreme Rechtsruck, der hier stattgefunden hat, verwandelt die bisherige österreichische Normalität in dieses 'andere Österreich', das in Differenz zum 'Haider-Österreich' steht: Jenes Österreich, das sich nicht als 'echtes' bezeichnet, ist plötzlich zum 'anderen' geworden. Hier hat sich eine tiefe Kluft aufgetan."

Zahlreiche Diskussionen haben in den letzten Wochen stattgefunden, politische Strategien wurden abgewogen. Aus linksradikaler Sicht stand dabei wohl die Diskussion im Vordergrund, an und gegen wen sich Widerstand denn nun richten soll. Da davon ausgegangen werden muß, daß weit mehr als die 27 Prozent FPÖ-WählerInnen äußerst rassistische Einstellungen vertreten, fragt sich, ob die österreichische Mehrheitsbevölkerung als Ziel einer breit angelegten Aufklärungskampagne gegen Rassismus taugt, oder ob nicht ein entschiedenes (und militantes) Auftreten gegen jede Form von Rassismus mehr Sinn machen würde. Dieses würde sich dann gezwungenermaßen gegen einen großen Teil der österreichischen Mehrheitsbevölkerung richten. Konsens besteht lediglich in der Meinung, daß einiges getan werden muß, um eine Änderung der Verhältnisse in absehbarer Zeit herbeizuführen.
 
 

Die Perspektiven
 
 

Nun stellt sich die Frage, ob eine Beteiligung linksradikaler Gruppen und Personen nicht zu Vereinnahmung durch das "gute Österreich" führt. Die Positionen, die an die Öffentlichkeit weitergegeben werden, sind aus einer reinen Beteiligung wohl nur schwer zu beeinflussen. Ein Boykott wiederum kann innerhalb der antirassistischen Szene in Österreich zu einer Spaltung der Kräfte führen - auch bei zukünftigen Aktionen. Denn der Rassismus wird nicht von heute auf morgen verschwinden. Doch dem "mit bloßer Besorgnis, mit Beschwichtigung und leeren Reformphrasen zu begegnen, reicht nicht einmal zur Artikulation des Problems, es ist vielmehr Teil davon. Es bedarf einer konsequenten Opposition gegen Rechtsextremismus, Rassismus und auch gegen jene, die die Augen davor verschließen oder eine dem rechten Populismus angepasste Politik betreiben." So ist geplant, bei der Veranstaltung der "Demokratischen Offensive" mit einem starken internationalistischen Block aufzutreten, der sich klar gegen den Rassimus in Österreich wendet und eine Kritik an den sog. "demokratischen Parteien" (in deren Augen die FPÖ offensichtlich nur bedingt demokratisch ist, Anm.) beinhaltet. Ein 26-Punkte-Forderungskatalog wurde ausgearbeitet, der eine klare Verbesserung der asyl- und fremdenrechtlichen Bedingungen in Österreich fordert, wie die Einführung eines Antidiskriminierungsgesetzes (das von verschiedenen MigrantInnenorganisationen seit einiger Zeit vehement gefordert wird), Abschaffung der Schubhaft, Gleichstellung auf politischer Ebene, wie z.B. das passive Wahlrecht auf kommunaler und betrieblicher Ebene. Der Zugang zum geförderten Wohnbau wird genauso gefordert, wie eine Gleichstellung im Bildungs- und Sozialbereich.

Der Präsentation des "guten Österreich" muß eine klare Position gegen den rassistischen Normalzustand in diesem Land entgegengesetzt werden: Wir sind gegen Österreich!
 
 

KEINE KOALITION MIT DEM RASSISMUS

Großkundgebung in Wien:
12. November 1999,
Beginn: 16 Uhr Parlament,
(Für SchülerInnen und Studierende sowie dem internationalistischen Block: 15h Universität)
Abschlußkundgebung 18 Uhr Stephansplatz
 
 

Kontakt:

Plattform "Demokratische Offensive"

c/o SOS Mitmensch, Zollergasse 15, 1070 Wien
Fax: 524 99 00 -9, Tel: 524 99 00
sos-mitmensch@t0.or.at

oder
c/o Republikanischer Club - Neues Österreich
Rockhgasse 1, 1010 Wien
Fax: 535 99 63, Tel: 535 99 61
RepiKlub@surfeu.at
 
 

get to attack:
http://www.t0.or.at/gettoattack
gettoattack@t0.or.at
 
 

Fußnote:
1) dieses und alle weiteren nicht-gekennzeichneten Zitate stammen aus dem Disikussionsforum der Homepage www.t0.or.at/gettoattack.

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aus: TATblatt nr. +126 (18/1999) vom 4. november 1999
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