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70.000 gegen (staats-)rassismus?
bitte warten!
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Mit pfeifkonzerten und ein paar eiern gelang es, die von zumindest einigen veranstalterInnen wohl intendierte ausrichtung der demonstration vom 12. november - auschließlich gegen haider und für eine bestätigung der eigenen anständigkeit sowie der bisherigen koalitionspolitik - zu korrigieren. Die vereinnahmung der demo durch die spö konnte so öffentlichkeitswirksam abgewehrt werden - nicht jedoch dank der organisation einer eigenen demo und eines eigenen blockes, sondern trotz dessen.

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Die "internationalistische" auftaktkundgebung um 15 uhr vor der uni, zu der "für eine welt ohne rassismus", "sov" (sozialistische offensive vorwärts), "jre" (jugend gegen rassismus in europa), "sap" (schülerInnenaktionsplattform)  und al (antifaschistische linke) aufgerufen hatten, sollte, so schien es, eher die selbstbeweihräucherungsprozedur der "wir-sind-österreich"-kundgeberInnen kopieren - bloß halt ein bisserl verbalradikaler. Die liste der sich gegenseitig ihrer entschlossenheit versichernden rednerInnen schien nicht abzureißen. Als sich gegen 16 uhr die ersten demonstrantInnen, die nicht mehr länger warten wollten, aufmachten, um zur großkundgebung vor dem parlament hin zu demonstrieren, hatte der moderator von der "sov" nichts besseres zu tun, als zum weiteren warten aufzufordern. Die ringstraße vor dem parlament war aber zu diesem zeitpunkt ohnehin bereits voll von menschen. Die "internationalistische" demo konnte nicht einmal mehr in die nähe der bühne vordringen.

Wäre es nicht vereinzelten kleingruppen gelungen, sich auf eigene faust durch die menschenmassen zu drängen, hätten die rednerInnen der parlamentsparteien von den pfiffen und sprechchören wohl beim besten willen nichts mitbekommen und hätten die gegen brigitte ederer geworfenen eier ihr ziel noch viel weiter verfehlt.

Für die "antifaschistische linke" im nachhinein ein klarer kritikpunkt. Nicht jedoch, dass sie ihre hinhaltetaktik hinterfragt hätten: nein, diejenigen, die "einzeln weiter nach vorn gingen", waren ihr ein dorn im auge, und: dass "von einem organisierten Ordnerdienst, der in Absprache mit den verschiedenen Gruppen so etwas verhindern hätte können, weit und breit nicht[s] zu sehen war" (aus einem e-mail-kommentar der "al").

Wären die "internationalistischen" demonstrantInnen bereits viel früher vor das parlament gezogen, hätte der charakter der kundgebung ein ganz anderer werden können. Gertrude brinek von der övp und brigitte ederer von der spö wäre es wohl nicht gelungen, ihre reden doch noch zu halten, wenn die ersten reihen voll von lauten kritikerInnen gewesen wären.

Immerhin: sie konnten ihre reden am 12. november wohl halten, aber gehört werden konnten sie ab der fünften reihe kaum mehr. Und, was vielleicht der schönste nebeneffekt der aufsplitterung in kleingruppen war: unzählige unorganisierte kundgebungsteilnehmerInnen ließen sich dazu hinreißen, in die pfeifkonzerte und sprechchöre einzustimmen.


aus: TATblatt nr. +127 (19/1999) vom 18. november 1999
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