TATblatt


Buch-Rezension:
Obiora C-Ik Ofoedu:
Morgengrauen
Ein literarischer Bericht
Aus dem Englischen übersetzt von Ric Maréchal
Gebunden, 264 Seiten, ATS 268.-
Leave your business and join the demonstration

Ein knappes Jahr ist es her, dass im Rahmen einer riesigen Drogenrazzia, der sogenannten „operation spring“ 127 Menschen (darunter 105 AfrikanerInnen) festgenommen wurden. Einer der Gefangenen der „operation spring“ war der Schriftsteller Obiora C-Ik Ofoedu, der in den darauffolgenden Monaten in einer unglaublichen Hetzjagd von nahezu allen österreichischen Medien und der Polizei zum „Drogenboss Charles O.“ erklärt wurde. Im Mandelbaum Verlag ist darüber jetzt ein literarischer Bericht Ofoedus erschienen.

Vier Monate musste Charles Ofoedu in Untersuchungshaft verbringen bis das Lügengebäude vom „Drogenboss Charles O.“ endlich in sich zusammenstürzte und er freigelassen wurde. Dass der Schriftsteller überhaupt verhaftet bzw. verdächtig wurde, ist an sich schon ein Skandal, der sich nur mit einer Racheaktion der Polizei oder einer völligen Verblendung verursacht durch strukturellen Rassismus erklären lässt. Charles Ofoedu wurde vier Wochen lang von der Polizei observiert, seine Briefe wurden gelesen, sein Telefon wurde abgehört, seine Freunde wurden beobachtet. Die Unmenge an Informationen, die dabei gesammelt wurde, hätte eigentlich eindeutig beweisen müssen, dass Ofoedu kein Drogendealer und schon gar kein „Drogenboss“ ist. Er bewohnte zu diesem Zeitpunkt ein einfaches Zimmer in einer Wohnung, war bekannt für seinen bescheidenen Lebensstil und arbeitete als Fensterputzer. Nicht nur kein teures Auto, sondern gar keines, kein teuren Anzüge, kein teurer Schmuck, keine Besuche in Luxusrestaurants, kein fettes Bankkonto, keine schicken Partys, sondern politisches Engagement und der Versuch als Schriftsteller leben zu können, kennzeichneten Ofoedus Leben vor seiner Verhaftung. Nur ein paar völlig falsch interpretierte Beobachtungen und der Wille jeden seiner Schritte, jedes seiner Worte so hinzudrehen, dass sie irgendwie in das Konstrukt „Drogenboss Charles O.“ passten, konnten zur Verhaftung führen.

Ofoedu war sehr stark bei den Demonstrationen rund um den Tod des Schubhäftlings Marcus Omofuma engagiert. Er war bei vielen Treffen, organisierte mit anderen Demonstrationen, Mahnwachen, verteilte Flugblätter etc.. Diese Aktivitäten dürften einen rassistischen Hass bei Teilen der Polizei erweckt haben, die in Schwarzen und speziell NigerianerInnen zuerst einmal DrogendealerInnen sehen. Der Schriftsteller Charles Ofoedu schien wohl als ideale Person, um mehrere Ziele zu erreichen. Erstens einmal ermöglichte es die Kritik an der Polizei und ihren Abschiebemethoden und den Rassismusverdacht, der teils selbst in bürgerlichen Medien geäussert wurde, wegzufegen und durch das Bild der nigerianischen Drogenmafia und den „Asylanten als Drogendealer“ zu ersetzen. (Peter Gnam am 28.5.99 in der Kronenzeitung: „Wenn es stimmt, daß unter jenen in der Nacht auf gestern festgenommenen Drogendealern auch welche darunter waren, die vor dem Innenministerium mit verklebtem Mund gegen Schlögl und die `Mörderpolizei´ demonstriert haben, dann ist das Lügengebäude von den ach so unterdrückten, schützenswerten `Asylanten´ endgültig zusammengebrochen“ ) Zweitens konnte der eben erst für eine befristete Probezeit gestattete Lauschangriff bei einer Personengruppe angewendet werden, die keine Lobby besitzt, die es ermöglichen würde, einen medial wirksamen Protest dagegen zu organisieren bzw. die Sinnhaftigkeit der Aktion in Frage zu stellen (Peter Gnam 28.5.99 „Dass die Razzia ein Erfolg geworden ist, verdankt die Exekutive nicht zuletzt dem erstmals großflächig eingesetztem Lauschangriff“). Drittens konnten die Bemühungen der African Community einen breiten antirassistischen, öffentlichen Widerstand innerhalb der Community zu organisieren erfolgreich zerschlagen werden, weil viele Schwarze nach der Razzia ganz einfach Angst hatten sich in der Öffentlichkeit politisch zu engagieren.

Charles Ofoedu berichtet in seinem Buch, das er unter schwierigsten Bedingungen (Papiermangel, keine Brillen, etc.) in der Haft geschrieben hat, über die Verhaftung, die Monate im Gefängnis, die obskuren „Beweise“, die für seine Rolle als Drogenboss herhalten mussten, die alltäglichen Erfahrungen mit dem „Rechtsstaat“ Österreich und seine Organisationsarbeit rund um die Proteste gegen den Tod von Marcus Omofuma. Das Konstrukt „Drogenboss Charles O.“ hat den Ruf des Schriftstellers Ofoedu ebenso zerstört, wie die Polizei seinen zwar spärlichen aber dafür umso wichtigeren Besitz (Manuskripte, Unterlagen, Bücher,..). Nach wie vor gibt es, trotz der Fülle an Material, keine Anklageschrift gegen Ofoedu, dem von der Staatsanwalt, nachdem sie den Vorwurf des Drogenhandels fallengelassen hat, „Geldwäsche“ vorgeworfen wird.

„Morgengrauen“, das im Mandelbaum Verlag in einer deutschsprachigen Übersetzung erschienen ist, wird in drei Monaten in englischer Sprache auch bei einem Verlag in den USA erscheinen. Charles Ofoedu ist, neben vielen LeserInnen, zu wünschen, dass sämtliche Vorwürfe gegen ihn endlich fallengelassen werden und er als „normaler“ Schriftsteller arbeiten kann.
 

Obiora C-Ik Ofoedu
Morgengrauen
Ein literarischer Bericht
Aus dem Englischen übersetzt von Ric Maréchal
Gebunden, 264 Seiten, Ats 268.-
 


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