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Widmungswidrige Kunst

Kärntner Abwehrkampf gegen Kultur (III)

Am 30. September soll, geht es nach den Wünschen des Klagenfurter Bürgermeisters, das Cafe "OM" in Klagenfurt die Pforten geschlossen haben und der Stadtgemeinde übergeben werden. Eine zur Durchsetzung der Lokalschließung eingebrachte Kündigungsklage wirft der Betreiberin "widmungswidrige Verwendung" und "erheblich nachteiligen Gebrauch" nach Paragraph 1118 ABGB vor.
Das an sich stinknormale Gerichtsverfahren entpuppt sich als stinknormale Kärntner Heimatgroteske: Es geht - wieder einmal - um Kunst.

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Bela Ban - die Betreiberin des Lokals (dessen Name sich aus der Abkürzung der Worte "ohne Machtbefugnis" ergibt) - hatte es gewagt, eine Arbeit des Künstlers Viktor Rogy in die Auslage des Lokals zu hängen und damit den Mietgegenstand "nicht zum Betrieb eines gastgewerblichen Lokals, sondern ... für politische Agitation" zu mißbrauchen, wie die Stadt Klagenfurt in der Klage formuliert. Und so als ob die öffentliche zur-Schau-Stellung von Kunst als Vergehen nicht ohnehin schon schlimm genug wäre in Kärnten, konfrontierten Bella Ban und Rogy die KlagenfurterInnen mit einer Grafik, die Kultur und Politik der Gegenwart in ganz besonders augenscheinlicher Weise miteinander in Beziehung setzen: Es sind die Köpfe der Regierungsmitglieder, die da für Rogys Bleistift hinhalten und eine neue Frisur samt Schnauzbart verpassen lassen mussten (siehe Abbildung, die hoffentlich den Druckvorgang mit einem Mindestmaß an Erkennbarkeit übersteht). Und sie werfen Fragen auf: Wer gibt den besten Hitler? ist da noch die harmloseste. Verschiedene Tages- und Wochenzeitungen drucken grenzwertiges: "Verliert man nicht den Kunstsinn, wenn das, was der sogenannte Künstler Rogy macht, auch zur Kunst zählt?, fragt etwa Ida Sappl aus St.Veit an der Glan in der Kleinen Zeitung. Um hinzuzufügen: "Zu meiner Jugendzeit" (die wohl jene Zeit war, als man noch "Juda verrecke" sagte), sagte man : Narrenhände beschmieren Tisch und Wände! so ist's noch heute." Herr Hannes Löschenkohl aus Kappl/Kr. bittet "die Staatsanwaltschaft (zu) erklären, was Kunst ist ... Wenn Künstler (im Original; Anm. TATblatt) wie Nitsch oder Viktor Rogy und Bella Ban Hitler-Bilder aufhängen und Kübel mit Blut verspritzen, wäre das dann Kunst, oder wären diese Menschen ein Fall für den Psychiater?".

Die Kärntner Lynchstimmung hat auch ihren Weg in die Gerichtsakten gefunden: Nicht ins Strafgericht, denn Rogy und Ban wurden zwar angezeigt, das Verfahren wurde aber nach Auskunft der Staatsanwaltschaft wegen Fehlen eines Straftatbestands bisher nicht weiterverfolgt.

Nein, die Lynchstimmung, die sich unter den Seinen breitmacht, hat ÖVP-Bürgermeister Scheucher auch noch zur Begründung der Kündigungsklage mißbraucht: "Das Verhalten der Mieterin hat in der Öffentlichkeit Anstoß erregt und unter Hausbewohnern und Mietern berechtigten Unmut und Abscheu hervorgerufen. Das Interesse der kündigenden Partei auf Ruhe und Ordnung im Haus wird dadurch gestört. Bei der kündigenden Partei sind bereits Drohungen eingelangt, die erheblichen Sachschaden möglich erscheinen lassen."

Zumindest verbal den Sachschaden antizipiert hat der als Kulturkomissar Haiders agierende Andreas Mölzer: Vom "längst entmündigten Aktionskünstler, der solcherart straflos die Konterfeis der Mitglieder der neuen Bundesregierung mit Hitlerbärtchen versehen kann" räsonierte er in der Kronenzeitung, und hängte auch noch eine Breitseite gegen "die sattsam bekannten Märtyrer aus der avantgardistischen Kunstszene und den einen und anderen Berufsslowenen" an. "Zeitgenossen eben, die sich nicht genieren, Argumente für die Diffamierung der eigenen Heimat zu liefern."

Angesichts solcher Stimmungslagen wird es möglicherweise wirklich keines Gerichts und keiner Polizei bedürfen, um das "OM" zu sperren. Volks- und ortstafelsturm-bewährte KärntnerInnen könnten Mölzer, Scheucher und Co. beim Wort und die Sache in die eigene Hand nehmen: Zerstört würden dabei nicht nur eine Glasscheibe oder ein Plakat, sondern ein Lokal, für dessen Ausgestaltung Viktor Rogy 1998 mit dem Anerkennungspreis des Kärntner Landesbauamtes ausgezeichnet worden war.

Kärntner KünstlerInnen wüten nun zurück: Sie starteten eine Kampagne zur Reprivatisierung des in der Kärntner Landesverfassung gar nicht vorgesehenen "Kulturberaters" Mölzer, dem unter anderem auch die mißbräuchliche Verwendung von Informationen aus Subventionsansuchen bei seiner publizistischen Schlammtour gegen Kulturschaffende vorgeworfen werden.

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