TATblatt


Operation Spring II
Bad Boys und annonymisierte ZeugInnen

Am 27.6.2000 begann der Strafprozess gegen acht im Rahmen der Operation Spring II festgenommenen Jugendliche in der Jugendvollzugsanstalt Rüdengasse. Ihnen wird vorgeworfen, dass sie mit Drogen gehandelt hätten und Teil der Gruppe "Bad Boys" gewesen sein sollen. Die einzigen belastenden Beweise dafür sind die Aussagen von anonymisierten ZeugInnen.

TATblatt, Quelle: www.no-racism.net

Bei der Razzia wenige Tage vor den Nationalratswahlen am 28. September 1999, der sog. Operation Spring II, wurden 36 Personen festgenommen. Die Verhafteten waren ausschließlich AfrikanerInnen. Die Polizei trat bei diesem Einsatz mehrere Türen im Gesellenheim in der Zohmanngasse ein und zerstörte reihenweise Einrichtungsgegenstände.

Eine Frau wurde in ihrer Wohnung verletzt, da die Polizei während die Frau die Tür öffnen wollte, diese eintrat. Weiters berichtete sie von rassistischen Beschimpfungen. Ihr Mann wurde sowohl bei diesem Einsatz als auch bei einem zweiten 10 Tage später verhaftet, musste aber jeweils wieder frei gelassen werden, da er nicht der Gesuchte war. Einsatzleiter war der TATblattleserInnen sicher gut bekannte Koordinator der Spezialeinheit SEK Georg Rabensteiner.

Die bereits im Vorfeld als Drogendealer vorverurteilten und nun vor Gericht stehenden werden vor allem von den Aussagen anonymisierter Zeugen (AZ) beschuldigt. Die Einvernahmen dieser finden sowohl unter Ausschluss der Öffentlichkeit, als auch unter Ausschluss der Beschuldigten statt. Der Richter unterstellte den Angeklagten, dass sie allein mit dem Ziel des Drogenhandels nach Österreich gekommen seien. Die reale Situation von AsylwerberInnen in Österreich wird dabei völlig ausgeklammert. So haben sie weder Geld, sich eine Wohnung zu leisten, noch ist es ihnen gestattet zu arbeiten, um etwas Geld zu verdienen. So sind sie auf Unterkünfte wie das Gesellenheim in der Zohmanngasse angewiesen, das deshalb auch schon oft überbelegt war. Sie fanden in der Zohmanngasse Unterstützung von der Heimleiterin, die selbst wegen Weitergabe von Suchtmitteln und Bildung einer kriminellen Vereinigung angeklagt wurde. Dieses Verfahren musste aber eingestellt werden, da es sich als völlig aus der Luft gegriffen erwies.

Aus der Luft gegriffen erscheinen aber auch die Prozesse gegen die AfrikanerInnen, die schon allein durch ihren Ablauf mehr als fragwürdig wirken.

Die Übersetzung vor Gericht war für die Angeklagten während des gesamten Prozesses mangelhaft und sehr willkürlich. Mehrmals musste die Dolmetscherin von den AnwältInnen der Verteidigung, aber sogar vom Richter korregiert werden. Am dritten Prozesstag, der nur acht Stunden dauerte, verließ die einzige Dolmetscherin kein einziges mal ihren Platz.

Als Beweis für die Schuld der Angeklagten wird zum Beispiel. der Besitz eines Handys angeführt, ein Delikt, das wohl bei keinem/r österreichen StaatbürgerIn zu einem Verdacht wegen Drogenhandels reichen würde.

Die Angeklagten selbst haben wenig zu reden. Der Richter schrie einmal sogar einen der Jugendlichen an, als dieser die Frage nach der Beziehung zu einem Mitbewohner beantworten wollte: "Es reicht! Geben Sie kurze und präzise Antworten, das interessiert mich doch nicht!"

Der zweite Tag begann unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Die AZs wurden vernommen (siehe dazu auch TATblatt +145). Es wurde sogar das gesamte Stockwerk "evakuiert", so die Aussage eines Zivilpolizisten gegenüber ProzessbeobachterInnen.
 

anonymisierte ZeugInnen
 

Die AZs erklärten vor Gericht, dass es in der Zohmanngasse zwei, zum Teil konkurrierende Gruppen gegeben hätte, die "Bad Boys" und die Rasta Gruppe. Diese Gruppen sind für die Konstruktion einer "kriminellen Vereinigung" eine der Voraussetzungen. Denn nur über den Straftatbestand Organisierte Kriminalität werden die Methoden, die vor Gericht angewendet werden, legitimiert.

Obwohl die AZs behaupteten, die Angeklagten über Monate beobachtet zu haben, wußten sie z.B. nicht, dass einer der Angeklagten seit längerer Zeit einen Job hatte. Einer der Angeklagten brachte die Anschuldigungen auf den Punkt: "Der Zeuge lügt, er kennt mich nicht, ich möchte ihm gegenübergestellt werden. Er sagt doch nur, was ihm die Polizei gesagt hat, was er sagen soll. (...) Ich weiß nichts von den `Bad Boys`, es gibt sie nicht. Auch andere wurden von der Polizei aufgefordert, alles zu sagen, was Sie über die Zohmanngasse wissen, es wurden ihnen Geld und Wohnungen versprochen..." Der Richter unterbrach ihn und erklärte wörtlich: "Damit unterstellt der Angeklagte der Polizei ein Strafverfahren zu konstruieren." Und vergisst dabei, dass sogar in den Strafbestimmungen zur KronenzeugInnenregelung von "außerordentlicher Strafmilderung" und "Milderungsgründen" gesprochen wird.
 

"Bad Boys" Polizei
 

Die Einvernahme von DrogenkonsumentInnen, die über ihre Aussagen die Angeklagten belasten sollen und die behaupten, von AfrikanerInnen Drogen gekauft zu haben, erfolgte wieder öffentlich. Doch erinnern konnten sich die meisten ZeugInnen nicht mehr an viel. Die von ihnen Beschuldigten wurden nur in zwei Fällen erkannt, wobei das Wort "erraten" wohl besser zutreffen würde. Ein Zeuge, der vom Richter befragt wurde, ob er die Gruppe "Bad Boys" kenne, ist sich unsicher. Der Richter hilft nach: "Wurde über diese Gruppe gesprochen, wer ist das?". Nach einigem Zögern antwortet der Zeuge schließlich: "Die Polizei".

Eine der ZeugInnen an diesem Tag war die Heimleiterinn aus der Zohmanngasse. Sie konnte sich die Vorwürfe, die sich direkt vor ihren Augen abgespielt haben sollen, nicht im Geringsten vorstellen. Einen besonderen Lebensstil konnte sie nur bei einem Heimbewohner feststellen. Doch der stand nicht unter Anklage, sondern ist Kronzeuge in den Operation Spring Prozessen und als AZ1 bzw. Helmi bekannt.

Am dritten Prozesstag wurden Beamte vernommen, die beweisen sollen, dass einer der Angeklagten aggressiv sei und sie geschlagen bzw. verletzt hätte. Als der Angeklagte selbst zu Wort kam und sagte, dass er selbst geschlagen wurde und schließlich in den Keller in die Isolierzelle gebracht wurde - was bei den Gefangenen der Operation Spring sehr oft vorkommt - unterbrach ihn der Richter und erklärte: "das ist nicht Gegenstand dieses Verfahrens."

Die Verhandlung wird am 19. Juli um 9.00 Uhr in der Wiener Jugendstrafanstalt Rüdengasse (2. Stock, Verhandlungssaal 4) fortgesetzt.
 
 

weitere Prozessberichte findet ihr regelmäßig auf der Site der Plattform "Für eine Welt ohne Rassismus": http://www.no-racism.net


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