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Ilisu-Staudammprojekt bricht

Noch bevor etwas errichtet wurde, könnte das von der Türkei in Kurdistan am Tigrsi-Fluß geplante Staudammprojekt in sich zusammenbrechen. Grund dafür ist absehbare Geldknappheit, da die Finanzierung hauptsächlich aus Großbritannien kommen sollte. Seit dort allerdings eine Richtlinie über ethische Grundlagen von Exportfinanzierungskrediten in Ausarbeitung ist, scheint es, als ob es aus Großbritannien kein Geld geben wird.
 

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Von den 2 Milliarden US-Dollar Errichtungskosten für den Megadamm sollte die britische Exportfinanzierung für 200 Mio. US$ Ausfallshaftungsgarantien übernehmen, ohne die in der Regel keine Bank einen Kredit vergibt und kein Unternehmen einen Auftrag erhält. Als Generalunternehmer für Ilisu ist jedoch der britische Konzern Balfour Beatty vorgesehen, weshalb in Großbritannien die Kampagne gegen eine Beteiligung besonders stark ist. Weitere Exportfinanzierungskredite sollen die Schweiz (für die Firmen ABB und Sulzer Hydro), Deutschland, Schweden (für Skanska), Portugal, Italien (für Impreglio), die USA und Österreich übernehmen.

Der Ilisudamm wird je nach Schätzung 16.000 bis 45.000 KurdInnen zur Absiedlung zwingen, und das unter den Bedingungen eines militärisch besetzten Landes. Zentrum des Staubeckens soll der Ort Hasankeyf, 40 Kilometer von der Bezirkhauptstadt Batman, sein. Der Bürgermeister von Hasankeyf, Vahap Kusen, beschreibt die Verhandlungstaktik der türkischen Behörden so: " Wer sich beschwert, dem sagen sie, daß er ein Terrorist ist". Mit dem Ort würden auch alte archäologische Stätten aus der Zeit des römischen Reiches, als der Ort ein Außenposten Roms gegen Persien war, veschwinden.

International sind die Zustände rund um den geplanten Bau schon seit längerem ein Diskussionsthema, weshalb sich Balfour Beatty und die türkische Regierung genötigt sahen, für die Exportfinanzierungsagenturen eine Studie über ökologische Auswirkungen und Menschenrechte zu erstellen, die jedoch monatelang unter Verschluß gehalten wurde. Balfour Beatty leugnete in Stellungnahmen sogar, daß der Ort Hasankeyf überflutet würde, obwohl das aus den Planungsunterlagen eindeutig hervorgeht.
 
 

Vergleichsfall Birecik am Euphrat
 
 

Ende Juni wurde das Staubecken des Kraftwerks Birecik am Euphrat geflutet, wobei die dortigen archäologischen Stätten überschwemmt wurden. Schon Anfang April wurden die Dörfer überflutet, obwohl noch Leute dort wohnten. Durch die Staukette am Euphrat wurden bereits zehntausende KurdInnen gewaltsam abgesiedelt, die Türkei befindet sich zudem in einem latenten Konfliktzustand mit dem benachbarten Irak und Syrien, denen durch die Staudämme willkürlich der Wasserhahn abgedreht wird.

Urheber sind auch österreichische Firmen und Banken, sowie die staatliche Kontrollbank mit ihren Haftungsgarantien, die trotz Kriegszustand und internationalem Konflikt Errichtung und Finanzierung an Kraftwerken der gesamten Staukette übernahmen. Im Fall von Birecik ist die Verbundplan, eine Tochterfirma der Verbundgesellschaft, sogar Betreiber des Kraftwerks, die Baufirma Strabag (ehemals Bank Austria, jetzt Haselsteiner-Imperium) war am Bau beteiligt, die Kontrollbank übernahm den Exportfinanzierungskredit.
 
 

Im Fall von Ilisu hüllt sich das österreichische Finanzministerium als politisch verantwortliche Instanz, die Kontrollbank ist mehrheitlich im Besitz der Republik Österreich, wie immer in Schweigen und war auf eine parlamentarische Anfrage hin nur bereit zu antworten, daß zwar ein Antrag vorliegt, dieser aber noch nicht entschieden sei. Selbst daß ein Antrag vorliegt, erfuhr die Öffentlichkeit erst durch eine Äußerung eines kanadischen Ministers auf Kritik kanadischer Gruppen bezüglich einer geplanten Mitfinanzierung durch die kanadische Exportfinanzierungsagentur, wobei dieser halb entschuldigend meinte, daß sich ja nicht nur Kanada, sondern auch andere Länder, darunter Österreich, an der Finanzierung beteiligen werden.

Wer sich an Projekten in Zusammenhang mit Militärdiktaturen, ethnischer Säuberung und Umweltzerstörung beteiligt, will sich eben nicht gerne dazu äußern.

Doch international ist die Mauer des Schweigens am Zerbröseln. Seit sich 1996 160 Nicht-Regierungsorganisationen aus 46 Ländern, darunter ganz große mit hunderttausenden Mitgliedern, mit einer Resolution an die MinisterInnen der Industrieländer wandten, daß für Exportkredite verbindliche Standards zu gelten haben, ist viel vorangegangen. Die bevorstehende Entschließung einer ethischen Richtlinie für solche Kredite durch die britische Regierung ist ein wichtiger Erfolg auf diesem Weg, der die Politik des Mauerns durch Länder wie Österreich oder Deutschland zum Kollabieren bringen wird. Was international üblich ist, daß nämlich auch die Banken ans Licht der Öffentlichkeit treten müssen, wird für Bank Austria, Erste und Raiffeisen Zentralbank bald schon ungewohnte Realität sein.

Im Fall von Ilisu hat der internationale Widerstand jedenfalls bereits bewirkt, daß bis jetzt kein einziger Liefervertrag unterzeichnet wurde und es keine Finanzierungszusagen gibt. Ein Abschluß von Verträgen wird in Wirtschaftskreisen frühestens im nächsten Frühjahr erwartet.


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