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Das Tony-Blair-Gen

Wenn es ein Opportunismusgen gibt, dann hat dieses der britische Premierminister Tony Blair. Beim Gipfel der acht größten Industrieländer Ende Juli in Okinawa röhrte er gemeinsam mit US-Präsident Clinton die Werbetrommel für genmanipulierte Lebensmittel, in scharfem Gegensatz zu EU-Kommissionspräsident Prodi, der bei der Zulassung von Genfraß schon jetzt ein Hinterherhinken gemessen an Sicherheitsbedenken feststellte.

Weltweit nehmen die direkten Aktionen gegen Freisetzungen zu. In Österreich werkelt die Genindustrie im Verborgenen, kurzfristig unterbrochen von Freisetzungsinitiativen, vor sich hin.
 

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Die laufenden Skandale in Großbritannien sind international bereits seit längerem ein Imageschaden für die Genindustrie. Im März d.J. forderte die Umweltgruppe Friends of the Earth, daß Umweltminister Meacher einen Wissenschaftler, der im Auftrag der Regierung angeblich die Sicherheit der Genproduktion erforschen soll, entlassen sollte. Der Forscher Peter Lutman ist nicht nur für das Pflanzenforschungsinstitut Institute of Arable Crops Research (IACR) tätig, sondern auch für eine Organisation namens CropGen, die von Genmultis wie Monsanto finanziert wird und "eine ausgewogenere Debatte über genmodifizierte Pflanzen initiieren will".

IACR erhält von der Regierung pro Jahr Forschungsaufträge über 70 Mio. Schilling und führt "wissenschaftliche" Freisetzungsversuche durch. Eine Entlassung von Lutman lehnte die Regierung brüsk ab. Dafür wurden auch noch die Sätze bekannt, die ein Farmer erhält, wenn er versuchsweise Genpflanzen anbaut. Für 10 Hektar Genraps erhält dieser 10.000 Pfund (etwa 220.000 Schilling), während der Ernteertrag mit konventioneller Saat bei gleicher Feldgröße nur 3.700 Pfund betragen würde. In den Verträgen ist eine Geheimhaltungsklausel eingebaut, die den Farmern u.a. verbietet darüber Auskunft zu geben, wieviel sie bekommen.

Trotzdem hat die Regierung es extrem schwer, überhaupt VertragspartnerInnen zu bekommen. Grund dafür ist der starke Widerstand in der Nachbarschaft. 1999 wurden sieben Feldversuche unternommen, von denen zwei durch DemonstrantInnen und einer durch den Farmer selbst zerstört wurden.
 
 

Weltweiter Widerstand
 
 

Munter wird auf der ganzen Welt umgegraben und frühzeitig geerntet. Im Jänner zerstörte die Earth Liberation Front ein Gentech-Versuchlabor der Michigan State University in den USA, wobei ein Schaden von 400.000 US$ entstand.

In ganz Nordamerika gab es 1999 20 Aktionen gegen die Agrargentechindustrie; Mitte Dezember wurde etwa Genweizen der Federal Biotech in Albany, California, vernichtet. Nur zwei Wochen davor mußten Generdbeeren in Watsonville, CA, dran glauben.

Im Februar stoppte Greenpeace ein Schiff mit Gensoja, das als Futtermittel durch den US-Multi Cargill nach Großbritannien importiert hätte werden sollen. Das Cargill-Lager in Liverpool ist die größte Genquelle in ganz Europa. Als Reaktion auf die Greenpeace-Aktion kündigte die weltweit zweitgrößte Lebensmittelkette, Carrefour, an, daß in Zukunft nur noch Fleischprodukte von nicht mit Genzeug gefütterten Tieren angeboten wird.

Im Mai sah auch Belgien seine erste Genfeldzerstörung. Auf dem Versuchsfeld von Monsanto in Franc-Waret rissen 200 DemonstrantInnen Genmais aus dem Boden. Anlaß war das "Festival des Widerstands gegen genmodifizierte Organismen", wo nach einem Biopicknick und mit Begleitung durch eine Rockband das Feld gestürmt wurde.

Weitere Aktionen waren die Zerstörung von Hybridbäumen in Oregon, USA, durch die Earth Liberation Front im März, die Vernichtung von Genweintrauben in Petaluma, CA, im April, die Vernichtung von Genananas, Genpapayas und verschiedenen Genblumen in der University of Hawaii und von Novartis-Weizen ebenfalls auf Hawaii im Mai, und schließlich wurde auch noch ein Forschungsfeld Gentomaten, -broccholi, -zwiebel, - erbsen und Genpfeffer in Woddland, CA, dekontaminiert.
 
 

Genkrise
 
 

Die Anti-Gen-Stimmung fordert seit einigen Monaten drastische Maßnahmen. Im Dezember letzten Jahres zwangen die HauptaktionärInnen von Monsanto die Konzernleitung zur einer Fusion mit dem Pharmamulti Pharmacia & Upjohn mit dem einzigen Ziel, die Firma zu teilen und den Agrar-Gentechbereich abzustoßen. Schon davor hatten Novartis und AstraZeneca den Agrarbiotechsektor zusammengelegt, um ihn umgehend zu verkaufen. Damit ist die Genindustrie im Agrarbereich ökonomisch an ihre Beginnzeit zurückgeworfen worden.
 

Wirtschaftlich ist die Genbranche derzeit im freien Fall, weil auch zunehmend konventionell produzierte Produkte betroffen sind. In den USA garantieren ausschließlich biologisch arbeitende ProduzentInnen genfreie Waren. Mit 1,5% am Lebensmittelmarkt noch relativ schwach ist die Biobranche der einzige Zweig, der Steigerungsraten verzeichnet und noch dazu der profitabelste Bereich der US-Landwirtschaft. Außerdem erhob ausgerechnet Novartis, daß sich 54% der KonsumentInnen in den USA wünschen, daß Bioproduktion die überwiegende Wirtschaftsweise werden soll.

Dem kann sich auch die konventionelle Nahrungsmittelindustrie nicht entziehen und so geht die Stornowelle gegen Genlieferanten weiter. Im Jänner sandte Frito Lay, ein Produzent von Produkten aus Weizen im Besitz der Pepsi Co., neue Verträge an Lieferanten, in denen genfreie Lieferungen verlangt werden. Frito steht auf einer von Friends of the Earth und der Organic Consumers Association erstellten Boykottliste der "Frankenfood 15", also von 15 Unternehmen, die wegen Genprodukten boykottiert werden.

Im Februar wurde bei einer Farmertagung bekannt, daß auch Schnellfraßketten McDonalds, Burger King und Wendys ähnliche Schritte setzen und angeblich Lieferverträge für Monsanto-Gentomaten stornieren. Alle drei stehen ebenfalls auf der Frankenfood-Liste. Und sie werden auch noch länger drauf stehen, weil McDonalds beispielsweise auch weiterhin Genöl zum Braten verwendet.

Selbstverständlich gibt es weiterhin massive Gegenstrategien der Genindustrie. Im US-Kongress konnte durch Intervention bei zahlreichen Abgeordneten erneut verhindert werden, daß Genfraß gekennzeichnet werden muß. Zudem haben die Konzerne zunehmend das Gefühl, die Kontrolle über die Massenmedien verloren zu haben und haben zusätzliches Personal eingestellt, das Massenmedien ununterbrochen mit Interventionen wie angebliche LeserInnenbriefe bombardiert.

Trotzdem gehen die Erfolge im Kampf gegen Genkonzerne weiter. Ab nächstem Jahr will auch der Alkoholmulti Seagram, der auch bei uns in jedem Supermarkt die Hälfte der gesamten Schnapsregale füllt, kein Genkorn mehr verwenden.

Japan, das 80% des Soja und 90% an Weizen aus den USA importiert, hat eine Bestimmung erlassen, das verpflichtende Sicherheitsprüfungen vor der Genehmigung zum Import vorschreibt, was die US-Regierung direkt mit einer Klagsdrohung beantwortete. Die Entscheidung fällt mit dem Beschluss Genprodukte ab nun zu kennzeichnen, zusammen.

In Italien haben sich als erste Regionen die Toskana und Latium zur gentechfreien Zone erklärt; jeder Anbau ist untersagt.

Aber selbst in den USA muß die Regierung nunmehr irgendwelche Regeln erlassen. Für Genweizen gilt seit heuer, daß Farmer mindestens 50% der Anbaufläche konventionell bestellen müssen, damit bestimmte Tierarten durch den Genweizen nicht geschädigt werden. Das frustriert die Genfarmer enorm, weshalb es zu Rückumstellungen auf gänzlich konventionelle Produktion kommt.

Folglich die nicht schlechte Nachricht: Derzeit läuft vieles, wie es sein soll.
 
 


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