TATblatt    

Teure Studierendenproteste in Graz
Hohe Geldstrafen, Anzeigen wegen des Fotografierens von Protestaktionen

Mayday2000, Graz

Kostspielige Folgen haben einige Protestaktionen gegen die Einführung von Studiengebühren in Graz: Für einen Protestspaziergang im Oktober und einen Fackelzug im November erhielten Anfang Jänner vier Studierende Strafverfügungen in der Höhe von mehreren tausenden Schilling! Als strafbar stuft die Staatspolizei z.B. ein zweiminütiges Verweilen auf den Zebrastreifen eines Kreisverkehrs ein ("sodass ein Befahren der Schubertstraße zwischen 18.27-18.29 nicht mehr möglich war") oder ein Treffen am Unigelände vor dem Hauptgebäude ("Nichtanmeldung einer Versammlung" - ob das für die Infostände der ÖVP-nahen Aktionsgemeinschaft auch gilt?). Akribisch haben die Beamten jede tatsächliche oder angebliche Übertretung registriert - in mehreren Fällen, ohne an Ort und Stelle auch nur mündlich zu verstehen zu geben, dass hier Ordnungsverletzungen begangen worden seien - und lasten sie nun im Nachhinein angeblich Verantwortlichen an, die "zufällig" immer die selben sind und ebenso "zufällig" in den Stapo-Berichten als AktivistInnen von "Mayday 2000" auftauchen. Noch dazu laufen für die selben Verwaltungsübertretungen sowohl Verfahren bei der Polizei wie beim Magistrat, was die Strafhöhen noch weiter nach oben treibt!

Je 5000 öS allein sollen z.B. die TeilnehmerInnen eines Protestspaziergangs zahlen, bei dem sich ca. 40-50 StudentInnen vor der Uni trafen und in kleinen Gruppen am Gehweg zu einer Kundgebung von LehrerInnen gegen Bildungsabbau in die Stadt gingen. Am Kaiser-Josef-Markt machte ein Teil der Leute kurz Pause, einige diskutierten mit den PassantInnen, andere verteilten an den Ecken Flugblätter, und ein paar gingen ein bisschen am Zebrastreifen auf und ab, bis Verkehrspolizisten sie von der Straße wiesen. Das könnte nun vier willkürlich herausgegriffenen Leuten - wenn die Sache beim Magistrat auch noch nachteilig ausgeht - je an die 10 000 ÖS kosten!

Teure Aufkleber, teure Fotos...

Der Akt zum Fall "Protestspaziergang" zeigt, nach welchen Kriterien die Stapo die Leute herausgreift: Obwohl "Mayday 2000" nicht in Zusammenhang mit den Studierendenprotesten auftrat, war es laut Stapo eine Aktion von uns und damit sind "Mayday"-AktivistInnen verantwortlich. Bei einem Studenten reichte es dabei, dass er offen einen unserer Aufkleber trug, als er ein paar Sätze durchs Megafon sagte und - schnell passierts - schon zu den "führenden" Aktivisten von "Mayday" gehörte.

Fast noch bedenklicher ist das behördliche Vorgehen gegenüber einem Aktivisten von "Mayday", der versucht hatte, bei den Polizeiübergriffen auf eine friedliche Protestaktion am 6.Oktober zu fotografieren: Ihm wird nun ebenfalls fernab aller Tatsachen eine "führende Beteiligung" an der Studi-Aktion unterstellt, und zwar mit der bemerkenswerten Begründung: "N.N. beteiligte sich führend am Protestmarsch, indem er stets bemüht war, Fotos von der Protestaktion und den eingesetzten Exekutivbeamten zu machen, die vermutlich zur Veröffentlichung eines Berichtes im Internet als Bildmaterial dienen sollten. [...] N.N. hatte sich an der Verkehrsblockade [gemeint ist das mehrmalige Überqueren des Zebrastreifens] nicht beteiligt, da er von der gegenüberliegenden Straßenseite aus Fotos machte, und offensichtlich nur darauf wartete, bis die Polizei mit Zwangsgewalt eine Räumung der Örtlichkeit durchführt." Fotos können teuer sein...

Derjenige Beamte, der diesen Bericht und die Anzeigen verfasste, ist jener Staatspolizist, der am 6.10. dem Betroffenen die Kamera aus der Hand riss und ihn erst kürzlich - als er "Checkpoint Graz" fotografierte - unter Druck setzte (Androhung einer Verleumdungsklage), die Beschwerde beim UVS wegen dieses Vorfalls wieder zurückzuziehen. Dass er sie nicht zurückzog, machte ihn offenbar zur Zielscheibe derartig unhaltbarer und teurer Anzeigen. Der Sachbearbeiter am Strafamt tat noch ein Übriges, als er gegen den "Mayday"-Aktivisten auch für dieses Verweilen am Zebrasteifen, an dem er selbst laut Polizeibericht nicht beteiligt war, eine hohe Geldstrafe verhängte. Es ist ganz offensichtlich, dass die Grazer Staatspolizei nicht nur dabei ist, angeblich führende AktivistInnen einzuschüchtern, sondern zunehmend auch das Dokumentieren regierungskritischer Aktionen ungern sieht. Und das ist etwas, das nicht nur uns betrifft. Daher für Proteste und Beschwerden: Polizeidirektor Franz Stingl, BPD Graz, Tel. (0316) 888 3000, Fax (0316) 888 3014.
 

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