TATblatt Rezension
Bernd Harder: X-Akten gelöst. Die Enträtselung der "unheimlichen Fälle"
 

 

"Der beste Beweis dafür,
daß es anderswo im Weltraum intelligentes Leben gibt,
ist der, daß noch niemand versucht hat, Kontakt zu uns aufzunehmen."
(Calvin und Hobbes)

Aktenzeichen unerhört

 

hobo

Das heute hier zu besprechende Buch ist mir von einem lieben Freund zugesteckt worden, mit der Bitte um Erwähnung im TATblatt. Ich habe also pflichtbewusst die ersten Kapitel durchgestöbert, immer auf der Suche nach dem gewissen Extra, das eine Erwähnung gerade in dieser Zeitschrift als dringlich erscheinen ließe. Bei anderer Gelegenheit auf diese Frage angesprochen, meinte der Freund sinngemäß: Doch, er kenne viele Menschen in und um jenes Biotop (autonome) Linke, die sich dem Glauben an Verschwörungstheorien, Okkultismus, Parapsychologie und Astrologie verschrieben hätten, oder sich diesen Dingen wenigstens nicht verschließen könnten. Es gehöre also weiterhin Aufklärungsarbeit geleistet.

Nun, das Buch ist im Alibri Verlag erschienen, der wiederum Mitglied der Assoziation Linker Verlage ist, und vielleicht ist das Bedürfnis nach Enträtselung von "unheimlichen Fällen" (so der Untertitel) ja größer, als ich mir das persönlich vorstellen kann. Falls der/die geneigte LeserIn also zu den Abergläubischen (aber doch daran zweifelnden) zählt, oder vielleicht mit Mitmenschen leben muss, die Übersinnliches brauchen um ihren Leben Sinn zu geben, hier der vielleicht unheimlichste Buchtip des Jahres ...

X-Akten - gelöst nennt Bernd Harder, seines Zeichens (laut Umschlagtext) Journalist und Pressesprecher der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften (GWUP), sein Buch, das er rein äußerlich gleich einmal mit einem wahren Hammer beginnen lässt: Das Umschlagbild entstand unter Verwendung von nichts geringerem als einem "Originalfoto des Ungeheuers von Loch Ness".

Sie sind also auf den Geschmack gekommen? Schon das Inhaltsverzeichnis wird keinen ihrer Wünsche offen lassen, und nichts aus, was manchen Wahnsinnigen wohl lieb und heilig ist: Spuk und Poltergeister, Ufos und Außerirdische, Ufo-Entführungen sogar, Parapsychologie, Okkultismus, Hellseher und Wahrsager, Nostradamus, Astrologie, Kryptozoologie, Backward-masking, Subliminals und Satansrock, Wünschelruten, Mond und Geisterheiler, spontane Selbstentzündungen und Channeling, und zum Schluss noch Verschwörungstheorien.

Dies alles, um vom Autor "wissenschaftlich widerlegt" zu werden. Wozu es solches nun eigentlich braucht, diese Frage bleibt dabei ungeklärt, obwohl es vielleicht doch einen Hinweis darauf gibt, wenn auch im umgekehrten Sinne. Denn Harders "Widerlegungen" funktionieren alle nach dem selben Prinzip. Zuerst einmal müssen die "Fälle" ausgebreitet werden, und auf diese Art auch einmal ernst genommen. Dabei bewegt sich der Autor mit seiner sprachlichen Aufbereitung auf einem schmalen Grat zwischen Respekt und Belustigung. Indem er selbsternannte Parapsychologen und andere SpezialistInnen auf breitem Raum zitiert, spielt er mit den uns alle bewegenden Fragen, die wir nicht beantworten können, sobald sie erst einmal gestellt sind. Unbeantwortet bleibt aber auch, wofür das eigentlich gut sein soll. Dann werden die "Fälle" aufgeklärt, indem Selbstverständliches wissenschaftlich-fachmenschlich (v)erklärt wird. Und es wird nach der Gänsehaut bei Lesern und Leserinnen geschielt, wenn selbst die Auflösungen noch rätselhaft erscheinen ("unsichtbare Schnüre" müssen zur Austreibung von Poltergeistern herhalten). Dabei haben manche Erklärungen ja wirklich schauriges zu bieten, ohne dass sie diesen Schnickschnack nötig hätten, wenn zum Beispiel angebliche Ufo-Sichtungen mit "streng geheimen" Testflügen von F-84-Thunderjets (für den Korea-Krieg) erklärt werden.

Ob es dem Autor und seinem Verlag mit diesem Buch also wirklich um die wissenschaftliche Widerlegung oben genannter Obskurantismen geht, oder ob sie nicht einfach doch nach den Moneten jener schielen, die Demos und Plena schwänzen, weil Akte X oder ähnliches im Fernsehen läuft, das darf der/die geneigte LeserIn selbst herausfinden. Ich habe mich nicht durch das ganze Buch gekämpft. In einem Punkt hat Harder allerdings zweifelsohne recht: "Wenn alles Sinnliche ausgereizt ist, muß anscheinend das Über-Sinnliche herhalten."

Bernd Harder
X-Akten gelöst
Die Enträtselung der "unheimlichen Fälle"
Alibri Verlag, 1999
190 Seiten; erhältlich auch im Infoladen X im EKH

aus TATblatt +159 vom 1. 2. 2001

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