DIE VOLXTHEATERKARAWANE NO BORDER - NO NATION - NO ONE IS ILLEGAL
Im Oktober 1999 versuchten verschiedene europäische Gruppen unter dem Slogan "Mehr Kontrolle, mehr Ausschließung, mehr Deportationen" gegen das Treffen der EU-Staatschefs in Tampere/Finnland zu demonstrieren. In mehreren EU-Ländern wurden Demonstrationen und direkte Aktionen gegen das europäische Projekt von Deportation und Ausschluss organisiert. Auf der Basis dieser gemeinsamen praktischen Erfahrung und infolge des gesteigerten Interesses an grenzüberschreitenden Aktionen begann die no-border Vernetzungsarbeit.
Eine breite und offene Diskussion über die Forderung "NO border" ist notwendig. Die Prozesse von Neoliberalismus und Migration führen zu neuen Formen der Produktion von Wissen. Beispiele wie die Dokumenta 11 zeigen heute das Bedürfnis nach neuer politischer Reflexion und nach Visionen im kulturellen Diskurs.
Eine allgemeine (englischsprachige) Mailing-Liste wurde eingerichtet und viele Basisbewegungen, auch von außerhalb Europas, nützen aktiv dieses Vernetzungsprojekt um Informationen auszutauschen und über Migration und Grenzen zu diskutieren.
Direkte Aktionen und Grenzcamps
Während der letzten drei Jahre haben AktivistInnen neue Formen des Widerstandes gegen das brutale und oft tödliche Grenzregime der Festung Europa geschaffen; mit verschiedenen Aktionen und Grenzcamps. Dieser neue Ansatz wurde vom no-border Netzwerk aufgegriffen und weiterentwickelt. Auch in diesem Jahr gab und wird es eine Kette von Grenzcamps und politischen Treffen geben, bei denen direkte Aktionen durch offenen Widerstand die Forderungen unterstützen.
Im Sommer 2001 erwartet uns eine europaweite Serie von untereinander vernetzten politischen und kulturellen Ereignissen, die den heutigen Diskurs über Probleme von Migration und Globalisierung darstellen. Jedes dieser sozialen Ereignisse ist ein Ort und auch ein Fest des Widerstandes und auch eine Gelegenheit um Forderungen zu erheben und an einer offenen Diskussion über Freiheit von Bewegung und die Abschaffung von Grenzen teilzunehmen. Ausgehend von vergleichbaren Projekten, wie etwa kein mensch ist illegal, Moneynations oder dokumenta 11, bereisen im Sommer 2001 zahlreiche Karawanen verschiedene europäische Orte.
VolxTheaterKarawane 2001
Die österreichische no-border-Plattform hat sich entschlossen, eine europäische VolxTheaterKarawane mit dem Kampagnenslogan "NO Border - NO Nation - NO One is illegal" zu veranstalten, welche einzelne dieser Sommerschauplätze verbindet. Die Freiheit von Bewegung wird das große Thema der Welt in diesem Jahrhundert sein. Grenzüberschreitung soll nicht nur ein Schlagwort bleiben und da die Kunst bekanntlich grenzenlos ist, stellt sie das passende Vehikel zur Reise in den öffentlichen Raum dar.
Die VolxTheaterKarawane, vernetzt mit internationalen Gruppierungen, ist einerseits eine mobile Info-Kampagne und setzt gleichzeitig direkte Aktionen im öffentlichem Raum. Wir möchten nomadisches Reisen mit direkter politischer Aktion, Erfahrungsaustausch, Dokumentation, Medienarbeit und politisch-künstlerischen Aktivitäten verbinden. Die VolxTheaterKarawane ist ein politisches und künstlerisches Projekt und ein Prozess von sozialem Aktions-Theater. Wir sehen uns als spezifischen Protestpart, der die Kampagne "NO Border, NO Nation, NO One is illegal" an Orten politischer Auseinandersetzung mit künstlerisch-politischen Mitteln artikulieren will. Inhaltlich geht es natürlich um die Vermittlung der Themen, die damit zusammenhängen: Abschottungspolitik Europas, restriktive Asyl- und MigrantInnenrechte, Neoliberalismus oder spezifische Globalisierungsproblematiken. Themen also, die mit den Ereignissen an all den Orten, die wir besuchen, zusammenhängen. Wir werden versuchen uns und unsere Anliegen einer breiten Öffentlichkeit vor Ort darzustellen, und mit einer offensiven Medienberichterstattung z.B. durch Pressekonferenzen, Interviews, täglichen Berichten auf der Homepage u.s.w. zu verbinden. Im September soll es eine Wanderausstellung geben, bei der wir Dokumentationen unserer Aktionen und Live-performences zeigen möchten.
Die VolxTheaterKarawane wird organisiert von der österreichischen no-border-Plattform, unter anderem über ihre Mailing-Liste. Die österreichische Plattform heißt "Für eine Welt ohne Rassismus" und arbeitet innerhalb des internationalen no-border-Netzwerkes.
Chronologie unserer Aktivitäten
Eine komplette Übersicht der Aktionen zwischen dem 26. Juni und dem 22. Juli inklusive Photo-, Video- und Audiomaterial findet man über das Tour-Tagebuch.
Startaktivitäten
Am 26. Juni 2000 startete die VolksTheaterKarawane in Nickelsdorf mit einer Performance (Gast: Hubsi Kramar) an der ungarisch-österreichischen Grenze. Zeitgleich fand in Wien eine Pressekonferenz statt, an der die fühere Frauenministerin Johanna Dohnal, Abg. z. NR Karl Öllinger, der Journalist Dr. Di Tutu Bukasa, die Künstler Oliver Ressler und Martin Krenn, Nora Sternfeld/ get to attack, Kurt Wendt/ KPÖ Wien, die Vorsitzenden der österreichischen HochschülerInnenschaft Andrea Mautz und Anita Weinberger sowie die Dramaturgin Gini Müller, der Schauspieler Kajetan Dick und die Pressesprecherin Birgit Hebein von der VolksTheaterKarawane teilnahmen. Am Nachmittag gab es das große Startfest am Heldenplatz mit Verköstigung durch die VolxKüche und den DJs lo-ser, Tournee Idyl, Blobula. Offizielle Abfahrt Richtung Salzburg tags darauf.
Salzburg und der WEF-Gipfel
Am 29. Juni gab es eine nachmittägliche Straßenperformance, und anschließend ein Parkfest mit dem Karawanen Soundsystem. Es kochte die VolxKüche. Daneben wurde eifrig jongliert, getanzt, ... Der 30. Juni war letztlich vollgepackt mit Vorbereitungen für die Demonstration. Unter anderem pumpten wir unsere Reifen öffentlich auf, und setzten daraus eine Skulptur zusammen. Auf der Demonstration am 1. Juli war ebenjene Reifenskulptur Bestandteil einer Performance der VolxTheaterKarawane, die von geschundenen Werktätigen gezogen, von Blauhelmen "geschützt", die Gewalt der mobilen Grenzabwehr (z.B. Schengengrenze) darstellte. Nach Medienberichten über das große Waffenlager, explizit z.B. der Reifen der Karawane, wurde am 2. Juli ein Straßenfest improvisiert. Zweck der Veranstaltung: Öffentliches Zur-Schau-Stellen dieser ominösen Waffen. Nicht nur viele umstehende Kinder hatten ihren Spaß. Am 4. Juli Abfahrt in Karawaneformation Richtung Slowenien.
Grenz Camp in Lendava/Petisovci
Im Rahmen des Grenzcamps im slowenischen Ort Petisovci, der sich in der Nähe der Stadt Lendava inmitten des Dreiländerecks zwischen Slowenien, Ungarn und Kroatien befindet, wurde durch Theateraktionen in Zusammenarbeit mit anderen AktivistInnen auf die Problematik in der Migrationspolitik der EU-Beitrittsländer aufmerksam gemacht. Am 6.Juli gab es eine Maskenparade in und um Ledava. Wir trafen auf viele interessierte BewohnerInnen, nicht so Polizei. Letztere ließ sich erst nach einer Stunde blicken, und schlug uns ein Straßenfest in Ledava vor. Leicht K.O. durch Sonne und Durst feierten wir also noch ein wenig am Marktplatz. Am 7. Juli wurde an einem Grenzübergang zwischen den Kontrollstellen Sloweniens und Kroatiens eine weitere Grenzstation eingerichtet. Vorbeikommende mussten auch hier ihren Pass vorweisen und bekamen Infomaterial. Am 8.Juli gab es einen kurzen Karawanen-Auto-Umzug. Tags darauf Abfahrt Richtung Kärnten.
Auf dem Weg nach Kärnten
Am 10. Juli nahm die VolxTheaterKarawane an einer Theateraktion vor einem Schubgefängniss in Lublijana teil, die auf begeisterte Zustimmung der rund 300 Insassen stieß und erhebliches Medieninteresse weckte.
Kärnten
Auf Einladung des PartisanInnenmuseums am Persmanhof in der Nähe von Eisenkappel wurde am 13. Juli ein Fest veranstaltet. Dem voran gingen ausführliche Diskussionen mit VertreterInnen der slowenischen Minderheit. Aus dem am 12. Juli geplanten Umzug durch die Wörtherseeregion wurde durch strömenden Regen eine Demonstration in Klagenfurt.
NO Border Festival
Am 15. Juli war die VolksTheaterKarawane zu einem Festival in La Spezia eingeladen. In den Straßen der Stadt wurde "Yes, the rhythm, the rebel ..." aufgeführt.
Genua und der G8-Gipfel
Der Höhepunkt im Rahmen der G8-Proteste war für die Karawane zweifellos die Demonstration für MigrantInnenrechte am 19. Juli, doch auch die Demonstrationen mit bis zu 200.000 TeilnehmerInnen. Dabei galt es, diese theatrale Form des Widerstandes in die Vielzahl der vertretenen Positionen einzubringen was aufgrund der turbulenten Ereignisse nur schwer gelang. Am 18. Juli gabs bereits einen kleinen theatralen Umzug - zum und vom Manu Chao Konzert. Schließlich dürfen Helme, wie sie zur Ausstattung der Karawane-AktivistInnen gehören, im öffentlichen Raum nur im Zuge einer Theateraufführung verwendet werden.
Die Verhaftung
Am Abend des 22. Juli wurde die gesamte Karawane rund 20 Kilometer von Genua entfernt verhaftet. Die geplante Teilnahme am Grenzcamp in Frankfurt fällt nun leider aus ...
aus TATblatt Nr. +171 (rapiditè Sonderausgabe nr. 08/01) vom 3.August 2001
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