tatblatt.net    

Wunderwelt der Technik

Folge 9: Gegenkulturelles Biotop Supermarkt (Teil 2)

Nachdem wir in Folge 9/ Teil 1 gelernt haben, mit welch schmutzigen Tricks und Kniffen LadendiebInnen sich auf ihren Auftritt vorbereiten, und mit welcher Frechheit in heimischen Supermärkten Betrug auf der Tagesordnung steht, wollen wir uns in dieser Folge näher mit dem Agieren im Geschäft - dem Diebstahl selbst - auseinandersetzen.

Der Schaden, den LadendiebInnen Jahr für Jahr unserer Wirtschaft zufügen, dürfte in die Milliarden Schillinge gehen, Grund genug, uns also doch zumindest noch einmal kurzfristig in diese durch und durch kriminellen Hirne hineinzuversetzen. Denn alleine die Kenntnis um die Vorgangsweise von RechtsbrecherInnen ist der erste Schritt am langen Weg des Selbstschutzes und Prävention vor dieser Art von subversiver Tätigkeit, vor der wir unsere Augen nicht verschließen dürfen.

Betreten des Geschäfts

Auch die unscheinbarsten Supermärkte scheinen heutzutage schon mit High-Tech-Müll ohne Ende ausgestattet zu sein. Für "Diebstahl? Keine Chance!", wollen sie uns zumindest glauben lassen, betreten wir die kameraüberwachten Orte unseres Misstrauens. War es vor rund 30 Jahren wohl von einer fast nicht mehr vorstellbaren Leichtigkeit, sich im Supermarkt unbeobachtet zu bewegen und zu bedienen, ist es heute doch wesentlich schwieriger, wenn auch keinesfalls unmöglich, geworden. Denn eines ist gewiss: eineN clevereN LadendiebIn wird keine Sicherheitsmaßnahme der Welt von ihrem / seinem Vorhaben abhalten können. Um das Risiko aber zu minimieren, gibt es einige Punkte, auf die LadendiebInnen grundsätzlich achten, wenn sie ein Geschäft betreten.

- Wichtig abzuklären ist zum Beispiel, wie viele MitarbeiterInnen in dem Supermarkt tätig sind, und wo diese sich aufhalten. Die Faustregel des/der erfolgreichen LadendiebIn besagt hier natürlich, je weniger Angestellte in einem je größeren Supermarkt, desto besser.

- Zumeist auf den ersten Blick sichtbar werden die wichtigsten Sicherheitssysteme des Geschäftes. In den meisten Fällen ist binnen kürzester Zeit klar, ob und welcher Art das Sicherheitssystem ist. Besonders beachtet werden hierbei extra zur Verfügung stehendes (uniformiertes) Security-Personal, Kameras, Spiegel und die diversen Überwachungsgerätschaften beim Aus- bzw. Eingang.

- Falls Videokameras vorhanden sind, versuchen LadendiebInnen herauszufinden, wo die dazugehörigen Überwachungsmonitore stehen. Oft sind die zugehörigen Monitore aus Kostengründen gar nicht mit eigenem Personal bestückt, die Kameras also zur Abschreckung gedacht. Oft stehen Monitore auch direkt bei der Kassa und werden dementsprechend bei einem großen KonsumentInnenansturm nur wenig beachtet. Oft gibt es auch nur einen Monitor pro Supermarkt, mit dem alle Kameras verbunden sind und auf dem das Bild je nach Kamera ständig wechselt. Gerade solche Monitore, die zumeist auch noch sehr klein sind, machen es fast unmöglich, Details, welcher Art auch immer, zu erkennen. Trotzdem gilt für LadendiebInnen auch hier die Faustregel, sich möglichst immer mit dem Rücken zur Kamera zu bewegen, um dieser noch weniger Gelegenheit zur Überwachung zu bieten.

Bekleidung

Wie in der letzten Folge schon erwähnt, ist Unscheinbarkeit das Um und Auf des Ladendiebstahls. Frei nach dem Sprichwort "Kleider machen Leute" gilt also auch für den/die gewiefte LadendiebIn im Geschäft der eigenen Wahl möglichst stilbewusst im wortwörtlichen Sinne aufzutreten.

Gibt es doch schon für jeden noch so abwegigen Anlass und jedes noch so abstruse Hobby ganze Modekollektionen, schlägt sich dieses Bewusstsein gerade auch in einer dazu passenden Shopping-Kleidung nieder. Wie nicht oft genug erwähnt werden kann, auch hier gilt natürlich vorerst das Primat der Unauffälligkeit. Es hat keinen Sinn im Hochsommer mit einer überdimensionierten Winterjacke ein Geschäft zu betreten, auch wenn sich unter selbiger ein noch so großer Einkauf verbergen lässt.

Nicht nur aus modetechnischen Überlegungen heraus werden aber beispielsweise breite und lange Hosen durchaus gerne genützt. Gerade durch ein schnell in die Schuhe geschlagenes Hosenbein, lassen sich in der Hose durchaus größere Warenmengen deponieren. Auch zwei ineinander genähte Hosen, die nur durch ein Loch in einer der äußeren Hosentasche verbunden sind, lassen sich auf recht unauffälligem Wege Dinge verbergen. Auch Jacken mit Innentaschen, Schuhe, Hüte, Hauben und Kappen bieten sich grundsätzlich natürlich an. Die beliebteste Art und Weise bleibt aber vermutlich immer noch einfach das Verstecken der Waren unterm T-Shirt bzw. im Hosenbund, oder auch das Auffüllen der Hosentaschen ist, mit lässig um die Hüfte geschlungener Jacke, die die gefüllten Taschen verbirgt, kein Problem.

Verstecken und Nichtgesehen werden

LadendiebInnen beachten zumeist die goldene Regel, dass es immer am auffälligsten ist, Dinge an Ort und Stelle zu stehlen. Viel unauffälliger ist es, Dinge erst am anderen Ende des Supermarkts in einer schlecht einsehbaren Ecke verschwinden zu lassen. Nicht einsehbare Punkte sind das El Dorado für LadendiebInnen. In jedem Supermarkt gibt es Ecken und Enden, die von keiner Kamera eingesehen werden können, und die auch sonst nicht weiter beachtet werden. Meistens finden sich diese Punkte in unmittelbarer Nähe zu Produkten, die naturgemäßer Weise nicht gestohlen werden, und daher nicht überwacht werden müssen (wie zum Beispiel das Klopapierregal etc.). Oft sind kleinere Regale auch nur oberhalb der Brusthöhe einsehbar, ideal also, alle möglichen Dinge in die Hose oder unter das T-Shirt zu schieben.

Trotzdem bedenken Profis dabei natürlich, sich niemals zu lange an dem ausgewählten Punkt aufzuhalten. Besonders gewiefte DiebInnen arbeiten hier durchaus auch zu zweit. So ist es gang und gäbe, dass eine Person das potenzielle Diebesgut in einer nicht einsehbaren Ecke bunkert, während eine zweite Person (oder in Ermangelung selbiger auch die gleiche) später die Sachen von dort abholt und nach draußen schafft. Gerade diese Technik macht es WarenhausdetektivInnen schwer nachzuvollziehen, wie der Diebstahl eigentlich vor sich geht.

Neben diesen körpernahen Techniken, die wir bisher kennen gelernt haben, gibt es auch noch die Möglichkeit, Dinge in mitbebrachten Gegenständen zu verstecken. Dabei muss es ja nicht immer der mitgeführte Rucksack sein, auch eine leere Hülle einer Videokassette oder die großformatige Ausgabe einer internationalen Tageszeitung, bietet genügend Möglichkeiten, Dinge effektiv zu verstecken.

Wirklich gute LadendiebInnen schaffen es mit diesen Tricks und Kniffen übrigens auch schon mal zwölf Hosen oder zehn Literflaschen Spirituosen aus einem Geschäft zu transportieren, ohne dabei auch nur irgendeinen äußerlich auffälligen Anhaltspunkt zu liefern.

Verlassen des Geschäftes

Wahlweise vor dem Verlassen des Geschäftes in Warenhäusern bzw. des Kassenbereiches in Supermärkten schaut sich DiebIn von heute nochmals gut um. WarenhausdetektivInnen schlagen fast immer erst hinter dem Kassenbereich zu, ist der Nachweis eines Diebstahls dann doch wesentlich eindeutiger zu handhaben. Bei verdächtigen Personen, die von hinten folgen, bietet sich also kurz vor Verlassen des Geschäftes bzw. des Kassenbereiches noch einmal die Möglichkeit umzukehren, so zu tun, als ob etwas vergessen wurde, um danach die Aktion wenn notwendig abzubrechen.

Eine Alternative, SupermarktdetektivInnen abzuschütteln, wäre, direkt auf diese zuzugehen und nach irgendeiner supermarktrelevanten Auskunft zu bitten. Die meisten werden recht peinlich berührt sein, so offensichtlich als Angestellte enttarnt worden zu sein, um sich dann aus taktischen Gründen zurückzuziehen.

Vor allem im Kassenbereich versucht DiebIn jedoch auch sonstige peinliche Zwischenfälle zu vermeiden. Gerade am Körper versteckte Dinge sollten doch so gut verborgen sein, dass sie nicht gerade vor den Augen des/der KassierIn oder der an der Kassa wartenden Kundschaft auf den Boden fallen, wie auch schon das eine oder andere Mal beobachtet werden konnte.

Spaß mit Detektoren

Immer öfter haben auch Supermärkte Detektoren bei den Ausgängen positioniert, um LadendiebInnen das Leben zu erschweren. Die scheinbar simpelste Möglichkeit ist es daher natürlich grundsätzlich darauf zu achten, keine Produkte mit entsprechenden Etiketten beim Verlassen des Geschäfts bei sich zu tragen.

Simple Methoden sind zwar gut, wie wir wohl alle wissen, nicht aber immer die Naheliegensten. Viel konsequenter ist es für gefinkelte DiebInnen, doch gleich den Detektor, somit die Risikoquelle an sich, zum Ziel des Wirkens zu machen. Elementarstes technisches Wissen um die Funktion von technischen Geräten sollte genügen, um die größten Schwachstellen dieser Gerätschaften zu analysieren.

- Stromzufuhr: Detektoren gehören zur Familie der Elektrogeräte und funktionieren folglich ohne Strom nicht. Nun gibt es für LadendiebInnen zwei Möglichkeit sich diese Schwachstelle zu Nutzen zu machen. Erstens, durch das Ziehen des zugehörigen Steckers aus der Steckdose (die sich oft in sträflicher Nähe zum Detekor befindet) wird auch diese schöne elektronische Abwehrmaßnahme untauglich gemacht. Gibt es weit und breit keine Steckdose in der Nähe, wäre die zweite Methode das Durchtrennen des Stromkabels mit mechanischer Hilfe (wenn auch hier auf die grundlegenden Gefahren eines solchen Hantierens hingewiesen werden muss).

- Technisches Versagen: Detektoren haben nun einmal auch an sich nicht unfehlbar zu sein. Gerade diese Eigenschaften kann mensch sich aber auch im Kampf gegen die Maschine zueigen machen. Gerade beim oftmaligen Betreten eines Geschäftes lösen LadendiebInnen zunächst wissentlich ein bis zwei Mal einen Fehlalarm aus. Wird bei den ersten ein, zwei Malen unter den finsteren Gesichtern der Angestellten noch ein rituelles Öffnen der Taschen folgen, wird auch der/die eifrigste MitarbeiterIn nach dem dritten – scheinbar grundlosem Fehlalarm – wahlweise entnervt reagieren und das Gerät eigenhändig abschalten, oder das ganze - peinlich berührt – mit Humor zu tragen versuchen. Ist dies erst einmal geschehen, gibt es praktisch "freie Bahn" für jegliche Transportaktivitäten heraus aus dem Geschäft.

- Umgehen des Detektors: Neben den kleinen Marotten dieser Geräte, die wir ja schon kennen gelernt haben, sind Detektoren auch sonst alles andere als unfehlbar. Schon dem Einsatz von robusteren Kühltaschen hat der Warendetektor nichts entgegenzusetzen, da die Tasche die Wellen des Detektors effektiv abblockt.

Oft sind Detektoren aber auch gar nicht angeschalten, sondern sollen vielmehr lediglich zur Abschreckung von unprofessionellen Kleinkriminellen dienen. Durch einen einfachen Test mit einem Walkman lässt sich bei einigen Geräten sogar feststellen, ob diese nun in Betrieb sind oder nicht. Beim Durchschreiten des Geräts mit einem ein- und auf Radioempfang geschaltetem Walkman, verrät sich der aktive Detektor durch ein kurzes, einschlägiges Rauschen oft selber.

Wachpersonal

Gerade in den letzten Jahren erlebte die professionelle Security-Branche wohl einen nicht zu übersehenden Boom. Ob in U-Bahnen, Bahnhöfen oder Kaufhäusern, dem Terror von privaten Sicherheitsdiensten lässt sich praktisch nicht entkommen. Gerade auch im Bereich vielfrequentierter Supermarktfilialen gehört es offensichtlich zum "Guten Ton", sich schwerbewaffnete Angestellte in Uniform zu halten, gilt es doch potentiellen Aneignungen schon im Vorfeld abschreckend gegenüberzutreten. Neben dieser eher harmloseren Variante gibt es aber auch eine zweite Gruppe von Personal, das dem Sicherheitswahn von Supermarktketten entspringt: den/die LadendetektivIn.

Sind elektronische Sicherheitsvorkehrungen noch relativ einfach zu umgehen, ist der/die LadendetektivIn eineR der HauptspielverderberIn eines jeden revolutionären Einkaufs. Für LadendiebInnen besonders penetrant störend erweisen sich dabei gerade die immer wieder stattfindenden "Planquadrate" in heimischen Supermärkten. Da natürlich nicht jede kleine Filiale einer großen Supermarktkette genug Geld aufbringen will sich eigenes Sicherheitspersonal zuzulegen, ist es bei größeren Ketten üblich geworden, dass Teams von LadendetektivInnen sich für einen kürzeren Zeitraum von ein paar Tagen in einzelnen Filialen einnisten. Sind erst einmal in allen Gängen Kameras montiert, dauert es meist nicht besonders lange, bis die ersten FladerantInnen geschnappt werden. Für den weiteren Fortlauf des Amtsweges stehen meist auch schon extra bereitgestellte PolizistInnen auf Abruf, die den/die DeliquentIn in ihre "Obhut" nehmen.

Diese Form der Diebstahlssicherung ist deshalb so erfolgreich, weil sie vor allem routinierte Stammkundschaft in Sicherheit wiegt. Mal ehrlich, wer würde schon vermuten, dass im Supermarkt seiner/ihrer Wahl von Heute auf Morgen eine kleine Armee von hochtechnisiertem Sicherheitspersonal nur darauf wartet, dass mensch sich auch nur einmal falsch bewegt. Gerade zur Vorbeugung solcher unliebsamen Überraschungen gilt für LadendiebInnen daher der leicht paranoide Grundsatz: Übermut tut selten gut! Wer sich im Supermarkt zu sicher ist, wird unvorsichtig und macht Fehler. Gerade durch genaue Beobachtung der Verkabelung an der Decke, lässt sich für den geübten Blick eine durchaus relevante Risikominimierung betreiben. Denn gerade bei solchen kurzfristigen "Planquadraten" werden Kabel natürlich in keinster Weise professionell und unauffällig verlegt.

Schlussbetrachtungen

Bleiben wir realistisch, es gibt einfach mal Tage wo einfach alles schief läuft und Ladendiebstahl ist in Österreich ein durch ständige Illegalisierung bedrohtes Gewerbe. Was tun LadendiebInnen also im Fall des Falles? Also der vorliegenden Literatur nach zu erst einmal Lügen. Je besser gelogen, je mehr Tränen geflossen, desto mehr Eindruck wird geschunden. Und auch der unerbittlichste Warenhausdetektiv ist in solch einer Situation schon einmal schwach geworden.

Wenn das alles nichts Helfen sollte, muss Plan B herhalten. Zähneknirschend gesteht LadendiebIn nunmehr ihre Verfehlung und schwört bei Gott und der Welt, dass dieser "einmalige Unfall" kein zweites Mal mehr vorkommen wird, noch je vorgekommen ist. Es zahlt sich in diesem Stadium auf jeden Fall aus mit dem/r WarenhausdetektivIn weitgehend zu kooperieren. Oftmals kommt es auch gar nicht zur Anzeige, wenn der entstandene Schaden gleich beglichen wird, die Pauschale für den entstanden Aufwand an Ort und Stelle bezahlt wird.

Welcher Weg weiter bestritten wird, hängt jedoch nicht nur von der Höhe des Schadens für den Supermarkt ab, sondern wesentlicher von der Firmenpolitik. Manchen Ketten ist der Amtsweg schlicht und einfach zu blöd. Kommt es doch zu einem Gerichtsverfahren gilt jedoch der Grundsatz, auch wenn am Amtsweg das "erste Mal" zumeist recht glimpflich ausgehen sollte, wird eine Wiederholungstat unter Umständen doch recht restriktiv (bedingte Freiheitsstrafe) geahndet.

Literatur

Dieser Artikel basiert nicht nur auf eigenen gewissenhaften Beobachtungen, sondern auch auf einschlägiger Fachliteratur. Zwei der bemerkenswertesten Texte zum Thema sind dabei:

- The Art of Shoplifting: >>>http://www.shine.net.au/shinemag/bguide/shoplifting.htm

Eine Wiederauflage eines in der StudentInnenzeitung "Rabelais" in Juli 1995 veröffentlichten Artikels, der seitdem am Index der australischen Behörden steht.

- J. Andrew Anderson: How To Steal Food From The Supermarket. Loompanics Unlimited, PO Box 1197, Port Townsend, WA 98368, USA

Ein Supermarktdetektiv plaudert aus seiner Berufserfahrung und verrät Tipps & Tricks wie er es am liebsten macht.

aus TATblatt Nr. +174 vom 20.September 2001

 
>>TATblatt-Inhaltsverzeichnis

©TATblatt, 2001
Alle Rechte vorbehalten
Nachdruck, auch auszugsweise, nur in linken alternativen Medien ohne weiteres gestattet (Quellenangabe und Belegexemplar erbeten)!
In allen anderen Fällen Nachdruck nur mit Genehmigung der Medieninhaberin (siehe Impressum)