Bundespolizeidirektion Wien verhindert durch Gesetzesbruch Asylantrag
Um AsylwerberInnen allen Menschenrechtskonventionen zum Trotz abschieben zu können, scheint der Bundespolizeidirektion Wien jedes Mittel recht zu sein. Im Falle Anthony Onyeijs, der zuvor in Österreich über zwei Jahre unschuldig eingesperrt wurde, gehört zu diesen Mitteln auch offener Gesetzesbruch. Und es ist anzunehmen, dass dies kein Einzelfall ist.
Gemeinsam gegen Rassismus, bearbeitet TATblatt
Dem Anwalt von Onyeij, Mag. Wilfried Embacher, wurde - ebenso wie der Nationalratsabgeordneten Dr. Madeleine Petrovic und einem Vertreter einer Menschenrechtsorganisation - angeblich auf Weisung der Bundespolizeidirektion Wien gesetzeswidrig das Recht verweigert, Onyeij zu besuchen. So wurde diesem die letzte Möglichkeit genommen, noch vor seinem Deportationstermin einen neuen Asylantrag zu stellen. In diesem Zusammenhang sei auf die Aussage von Dr. Wilhelm Saurma (stv. Chefarzt der BPD Wien) in der Nachrichtensendung "Zeit im Bild 2" vom 16. Mai 2001 hingewiesen, der gefilmt wurde, als er während einer Polizeischulung den anwesenden BeamtInnen erklärte, dass es üblich sei, bei so genannten "Problemabschiebungen" die Schubhäftlinge vor der Deportation mit Beruhigungsmitteln zu behandeln. Es ist nicht auszuschließen, dass auch das - oder irgendeine andere Form nicht für die Öffentlichkeit bestimmter Zwangsbehandlung - ein Grund gewesen sein könnte, warum niemand Onyeij zu Gesicht bekommen durfte.
Eilabschiebung
Anthony Onyeij wurde am Samstag, den 27.10. um fünf Uhr früh - nicht einmal 24 Stunden nachdem er und sein Anwalt davon informiert worden waren - zusammen mit zwei anderen Schubhäftlingen in einer eigens gecharterten Maschine nach Lagos/Nigeria abgeschoben. Unseren Informationen zufolge wurde er nach seiner Ankunft in Lagos nicht, wie aufgrund seiner politischen Verfolgung und des nigerianischen Dekrets 33 (siehe weiter unten)befürchtet wurde, verhaftet. Der Bundespolizeidirektion Wien und der Wiener Fremdenpolizei war die Gefahr einer möglichen Verhaftung in Nigeria jedenfalls bekannt.
Protest
Auch wenn die Abschiebung dadurch nicht mehr verhindert werden kann, protestiert gegen diese rassistische und menschenverachtende Vorgangsweise!
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E-Mail:
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Hintergrund
Anthony Onyeij (geboren 1976 in Agbor/Nigeria), der wegen der politischen Verfolgung seiner Familie aus Nigeria nach Österreich flüchtete, wurde am 27.9.1999 bei einer rassistischen Razzia im Flüchtlingsheim Zohmanngasse in Wien ("Operation Spring 2"), so wie alle anderen BewohnerInnen des Heimes mit dunkler Hautfarbe, unter dem Vorwand "Drogenhandel" verhaftet.
Während zahlreiche andere Opfer der Operation Spring 1 und 2 und nachfolgender Polizeiaktionen unschuldig oder wegen sehr geringfügiger Delikte zu langjährigen Haftstrafen (bis zu 13 Jahren) verurteilt wurden, widersprach sich der - von der Polizei gekaufte - anonymisierte Kronzeuge AZ1 im Falle Onyeijs derartig auffällig und unleugenbar, dass sogar die österreichische Justiz nicht umhin konnte, Anthony Onyeij am 6. November 2000 von allen Vorwürfen freizusprechen. Er war somit auch offiziell mehr als 13 Monate unschuldig in Untersuchungshaft, nach österreichischem Gesetz würde ihm dafür ca. eine halbe Million Schilling an Haftentschädigung zustehen. Über seinen Entschädigungsantrag wurde aber erst gar nicht entschieden, sondern mit Hochdruck die Abschiebung vorbereitet. Onyeij wurde noch am Tag seines Freispruchs in Schubhaft überstellt. Bei seiner Deportation am 4. Dezember 2000 weigerte sich Anthony Onyeij, das Flugzeug zu betreten, woraufhin die Abschiebung abgebrochen wurde und er unter der Anklage "Widerstand gegen die Staatsgewalt" nach Korneuburg erneut in Untersuchungshaft überstellt wurde. Auf eine Voruntersuchung oder Befragung der Flugzeugbesatzung verzichteten Gericht und Staatsanwaltschaft. Bei seiner (vorerst) letzten Verhandlung am Landesgericht Korneuburg bestand Onyeijs Verteidiger, Mag. Embacher, neuerlich auf der Einvernahme der Besatzung des Abschiebeflugzeuges. Daraufhin war das Gericht durch Fristablauf gezwungen, Onyeij Anfang Juni zu "enthaften". Er wurde jedoch wieder nicht freigelassen, sondern ein weiteres mal in Schubhaft überstellt.
Mag. Embacher stellte daraufhin einen Antrag auf "Unzulässigkeit der Abschiebung", da Anthony Onyeij schon alleine aufgrund des nigerianischen Dekrets 33, das für Menschen, die "den Namen Nigerias in Verruf bringen", eine fünfjährige Gefängnisstrafe vorsieht, in Nigeria erneut von Haft bedroht wäre. Dieser Antrag wurde per Bescheid vom 25.10.2001 abgelehnt!
Dekret 33
Das Dekret 33, das noch aus der Zeit der nigerianischen Militärdiktatur stammt, wird hauptsächlich im Zusammenhang mit Suchtgiftdelikten, aber auch generell nach Haftstrafen im Ausland angewendet und wird laut Informationen nigerianischer Menschenrechtsorganisationen nach wie vor exekutiert. Amnesty International bewertet die Haftbedingungen in nigerianischen Gefängnissen als "lebensbedrohlich". Die Menschenrechtsorganisation "Civil Liberties Organisation" berichtet von über 10.000 Todesfällen in den letzten fünf Jahren. Allein im Bundesstaat Lagos sterben in den Gefängnissen rund 20 Menschen wöchentlich (!) auf Grund von Unterversorgung, unbehandelten Krankheiten und Seuchen. Weitere Informationen unter >>>http://united.action.at
aus TATblatt Nr. +176 vom 2. November 2001
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