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Nationale Projekte: Ehre & Treue

Nicht angeklagt sollen dieser Tage diejenigen "KameradInnen" werden, die bei einem Festumzug im Rahmen der Kärntner Landesfeierlichkeiten zum 80. Jahrestags der Volksabstimmung, die Kärntens Verbleib bei Österreich erzwungen hatte, ein Transparent mit der Aufschrift "Meine Ehre heißt Treue" getragen haben. Die Verfahren gegen die beiden traditionsbewussten Kärntner wurden Ende November schließlich eingestellt, da die beiden angeblich nicht gewusst hätten, dass sie einen SS-Leitspruch mit sich herumschleppten.

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Unter dem Gewirr zahlreicher Traditionsfahnen und Spruchbänder mit Parolen wie "Jung Heil - Für Volk, Heimat und Pflug" oder "Bis hierher und nicht weiter kamen die serbischen Reiter" konnte einE ORF-JournalistIn während der Live-Übertragung des Umzuges im Fernsehen auch ein Transparent mit der Aufschrift "Meine Ehre heißt Treue" ausmachen. Nur Wenige Monate zuvor hatte der niederösterreichische FPÖ-Landesvorsitzende Ernest Windholz seine ParteikumpanInnen bei seiner Antrittsrede mit dem Spruch "Unsere Ehre heißt Treue" begrüßt. Windholz hatte durch seinen "Sager" für ein erhebliches Medienecho gesorgt. Fast könnte mensch davon ausgehen, dass sich dies auch bis nach Kärnten herumgesprochen haben könnte.

Normalitäten & Kontinuitäten

Die Staatspolizei scheint dies auf jeden Fall vorausgesetzt zu haben, war doch das Transparent Grund genug für Ermittlungen bzw. einen Eintrag im aktuellen Verfassungsschutzbericht unter dem Kapitel "Rechtsextremismus". Darüber hinaus zeichnen die Ergebnisse der Ermittlungen aber ein wohl wenig überraschendes Sittenbild des Selbstverständnisses und des politischen Bewusstseins Kärntner PolitikerInnen. So wurde die inkriminierte Fahne bereits 1993 in einem offiziellen Festakt an den Kameradschaftsbund verliehen, und auch mit kirchlichen Segen bedacht – dies natürlich in Anwesenheit hochrangiger Kärntner Polit-Prominenz. Für den Festakt am 22. August 1993 gab es nämlich prominenten Ehrenschutz: vom damaligen Landeshauptmann Christof Zernatto (ÖVP) über LH-Stellvertreter Peter Ambrozy (SPÖ) bis hin zu Jörg Haider.

Viele Mitglieder des Kameradschaftsbundes verstehen daher die Welt nicht mehr: "Kaa Mensch hat sich damals aufg'regt", kommentiert der Schriftführer der KB-Ortsgruppe Kappel/Krapffeld, Günther Egger das nunmehr eingestellte Verfahren. Es gebe außerdem einen "Haufen" solcher Fahnen. Der Spruch sei ja schon Jahrhunderte alt und "ist leider durch die SS belastet worden", so die geschichtsträchtige Interpretation eines "Zeitzeugen".

Diese "Erklärung" dient nun auch der StaatsanwältInnenschaft zur willkommenen Begründung zur Verfahrenseinstellung. Zwar handle es sich bei dem Spruch um "klassisches NS-Material", und bei Verwendung sei durchwegs auch ein Tatbestand nach dem NS-Verbotsgesetz gegeben. Man könne einem "einfachen KB-Mitglied" jedoch keinen Vorwurf machen, da "das Fahnenband hochoffiziell 1993 in Anwesenheit von Politikern wie Haider und Zernatto gespendet worden ist", so der Chef-Staatsanwalt in Klagenfurt, Dietmar Pacheiner: "Besagte Einstellung erfolgte nur, weil eine tätergewollte Wiederbetätigung nicht verlässlich nachzuweisen war."

Sittenbild österreichischer Justiz

Chef-Staatsanwalt Pacheiner ist dabei auch kein unbeschriebenes Blatt. Leitete er doch nicht nur die Untersuchungen zur Spitzelaffäre in Kärnten, auch Anfang des Jahres war er mit einem weiteren einschlägigen Verfahren befasst worden. Im April des Jahres hatte Pacheiner die Forderung der jüdischen Gemeinde Italiens, den österreichischen Staatsbürger und ehemaligen SS-Offizier Wilhelm Schubernigg auszuliefern abgelehnt. Der 86-Jährige Kärntner Schubernigg hätte in Italien wegen der Hinrichtung von 335 ZivilistInnen als "Vergeltungsmaßnahme" für den Angriff von PartisanInnen auf eine SS Einheit vor Gericht zur Rechenschaft gezogen werden sollen.

Dieses Ansinnen wurde von Staatsanwalt Pacheiner schlussendlich mit der Begründung zurückgewiesen, dass die Ermittlungen der Kärntner Behörden solange nicht abgeschlossen werden könnten, als medizinische Gutachten bestätigen würden, dass Schubernigg nicht vernehmungsfähig wäre. "Österreich deportiere seine eigenen Staatsbürger nicht", kommentierte der nationalbewusste Pacheiner seine Entscheidung vor einer eher verstörten internationalen Presse weiter. (The Daily Telegraph, 20.04.2001)

Definitionsmacht & Sprache

Auf Grund der auch in Kärnten nicht ganz unumstrittenen Einstellung des Verfahrens gegen die beiden KameradInnen ist auch in Lokalblättern wie der "Kleinen Zeitung" ein heftiger Streit um Geschichtsbewusstsein und Sprache entbrannt. Seit Bekanntwerden des Urteils ist dabei so gut wie kein Tag vergangen, in dem nicht zumindest ein LeserInnenbrief sich dieses Themas annimmt.

Etwas was der "Kleinen Zeitung" nicht ganz geheuer sein dürfte, war es dem Chefredakteur Wolfgang Rausch nachdem die Diskussion eigentlich schon im vollen Gange war, doch zumindest einen Kommentar wert. Unter dem Titel "SS-Fahne: Das "Hintertürl" ist zu" fühlte sich Rausch folglich berufen all zu kritische Kommentare zu relativieren und dem Kameradschaftsbund sein Vertrauen auszusprechen.

Ach ja, ein Detail am Rande, zur Zeit weilt die im Vorjahr beschlagnahmte Fahne noch in Polizeigewahrsam, KB-Ortsobmann Helmut Proprentner "will sie aber zurück" bekommen. In Kärnten sollte das ja wohl nicht allzu schwer fallen.

aus TATblatt Nr. +179 vom 14. Dezember 2001

 
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