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Cyberattack:

"Beweg deinen virtuellen Hintern und stell deinen virtuellen Körper neben die echten Körper der Tausenden, die sich auf den Strassen New Yorks bewegen werden, und hilf eine Vision voranzubringen, in der Menschen wichtiger als Profite sind." So stellten das Electronic Disturbance Theatre (EDT) und die Federation of Random Action ihren Aufruf zu einem groß angelegten "Netzangriff auf die kapitalistische Globalisierung", der in der Zeit vom 31. Jänner bis zum 4. Februar stattgefunden hat, vor. Anlass und Ziel der AktivistInnen war das WEF-Treffen, das im gleichen Zeitraum in New York stattfand.

Zuletzt hatte das EDT zur Online-Demonstration gegen Lufthansa im Sommer vergangenen Jahres mit mobilisiert (siehe auch TATblätter +167 und 168). Das EDT veranstaltete dabei schon 1998 eine der ersten virtuellen Sit-Ins, als es ein Internet-Werkzeug öffentlich bereitstellte, mit welchem mexikanische Regierungsserver zum Zusammenbruch gebracht wurden, um gegen die Massaker der mexikanischen Armee in Chiapas zu protestieren.

Während also dieses Wochende tausende Menschen weltweit auf den Straßen gegen Militarismus und kapitalistische Globalisierung demonstrierten, war die Homepage des WEF in der selben Zeit praktisch ununterbrochen nicht erreichbar, die Online-Demo also erfolgreich.

Hinter der Seite cyberwar.at, deren Untertitel bezeichnender Weise "Wissen, Manipulation, Macht" lautet, steht laut eigenen Angaben eine New-Economy-Firma, die sich auch damit rühmt für diverse Nachrichtendienste aktiv zu sein. In Form von Seminaren ("... in 10 Stunden bringen wir Ihnen bei wie Sie in 95% aller Systeme eindringen") wollen die BetreiberInnen von cyberwar.at ihr "geballtes Wissen" der Welt zur Verfügung stellen. Zur Verteidigung, Angriffs-Schulung gibt`s nur für Behörden. Unterhaltendes Detail am Rande: Kaum einen Tag nachdem die Seite einer breiteren Öffentlichkeit präsentiert worden war, war cyberwar.at auch schon gehackt worden (.. und in weiteren 10 Stunden wie Sie sich vor 99% solcher aller Angriffe schützen können ...").

Das was EU-Sanktionen nicht geschafft haben, US-Präventivschläge im Kampf für Menschenrechte und Zivilisation bisher verabsäumt haben, ist Anfang Februar endlich geschehen. Zumindest virtuell. Wer am 5.2. in der Früh den offiziellen Webauftritt der Republik Österreich http://www.austria.gv.at ansurfen wollte, erlebte ein angenehm-überraschendes Erscheinungsbild: Österreich offline. Die Seite war von einem/r HackerIn, der/die sich ThinkerCrow nennt, "defaced", sprich die Startseite also ausgetauscht worden. Die auf der Seite hinterlassenen Nachricht lässt einen primär politischer Hintergrund zwar eher unwahrscheinlich erscheinen, Spekulationen über sekundär anti-österreichische Motive jedoch zu.

Domainpiraterie:

verfassungsschutz.de

Eine US-Firma des Rechtsradikalen Gerhard Lauck muss die Rechte an den WWW-Adressen verfassungsschutz.de sowie bundesinnenministerium.com, .net und .org an die Bundesrepublik Deutschland abgeben. Schlichter der Weltorganisation für Geistiges Eigentum (WIPO) entschieden im Jänner in Genf, dass die Firma kein legitimes Interesse an den Adressen vorweisen könne und sie missbraucht habe. Zwei der Adressen hatten zu einer Website einer von Lauck geleiteten Neonazi-Gruppe in den USA geführt.

bundesheer.at

Anders gelagert ist der Fall um die Domain bundesheer.at. Das österreichische Heer muss nun scheinbar weiter verzweifelt um die gleichnamige Domain kämpfen. Erst Ende letzten Jahres hatte der OGH entschieden "wo Bundesheer draufsteht, muss auch Bundesheer drin sein" und ein vorläufig letztes Machtwort in dem nun schon länger anhaltendem Rechtsstreit um die Domain gesprochen (Siehe auch TATblatt +178). "Dem Namensträger muss ein berechtigtes Interesse daran zuerkannt werden, dass sein Name nicht gebraucht wird, um die Aufmerksamkeit auf Aktivitäten zu lenken, mit denen er nichts zu tun hat", hieß es damals im Gerichtsentscheid, der den Beklagten damaligen Besitzer, einen Tiroler Ex-Soldaten, von bundesheer.at dazu zwang die Domain wieder abzutreten.

Die Domain wurde nun schließlich wie gefordert freigegeben - und - noch am selben Tag von einer Wiener Web-Agentur registriert - das Bundesministerium hatte es versäumt, einen Antrag bei der österreichischen Vergabestelle nic.at zu stellen, um die frei-werdene Adresse registrieren zu können. Nach jahrelangen Rechtsstreitigkeiten schauen die Soldaten glatt also erst wieder durch die Finger. Wie der Streit um die Domain weitergeht, steht in den Sternen, der neue Besitzer behauptet von sich selbst jedenfalls kein "Streithansel" zu sein, doch so einfach verzichten wolle er auch nicht. Für weitere Unterhaltung ist damit also wohl gesorgt.

aus TATblatt Nr. +181 vom 2.Februar 2002

 
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