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Terror gegen zivilen Ungehorsam

Was Osama Bin Laden und George Bush begonnen haben, soll nun auch in Österreich zum Abschluss gebracht werden

TATblatt

Terrorbekämpfung ist wieder "in" seit den Anschlägen vom 11. September 2001. Weltweit wird an neuen Definitionen des Begriffs "Terror" gearbeitet. Neue Strafnormen passieren gleich en bloc die nationalen Parlamente. Mit dem Begriff des Terrorismus zielen die GesetzgeberInnen jedoch weniger auf die Verhinderung von Flugzeugattentaten auf Hochhäuser als viel mehr auf die Kriminalisierung außerparlamentarischer Opposition (in Großbritannien hat es etwa "Reclaim the Streets" auf die Liste der terroristischen Vereinigungen geschafft, "Food Not Bombs" ist in des USA knapp davor) und die Durchsetzung bereits lange beabsichtigter Repressionsmaßnahmen. Ein Zug, auf den nicht unerwartet nun auch FPÖ und ÖVP aufspringen.

"Demnächst" will Justizminister Dieter Böhmdorfer, kündigte er bei einem Vortrag vergangene Woche an, einen Begutachtungsentwurf für ein Strafrechtsänderungsgesetz 2002 versenden. Es soll das "Anti-Terror-Paket", aber auch weitere Strafrechtsänderungen, enthalten.

Die Anti-Terror-Maßnahmen sehen neben den neuen Tatbeständen auch eine "Sammelqualifizierung" für terroristische Straftaten vor. Eine Reihe "normaler" Delikte soll damit, wenn die Straftaten "terroristisch" begangen werden, mit einem um die Hälfte erhöhten Strafsatz bedroht werden. In Großbritannien fallen bereits Blockaden von Eisenbahnstrecken und gegebenenfalls Besetzungen von Firmengelände darunter.

Die einzelne Person hat dabei relativ wenig Gelegenheit, sich mit ihrem Verhalten für eine Protestform zu entscheiden, die nicht unter den Begriff "Terrorismus" fallen: Die terroristische Aktion qualifiziert sich nämlich über das Ziel des Protests unter Einbeziehung anderer, möglicherweise gegen das selbe oder ähnliche Protestziele gerichtete Aktionen. Zur Verdeutlichung: Die Besetzung eines Firmengeländes, dessen EigentümerInnen etwa für menschenrechtswidrige Praktiken in Ländern der sogenannten "dritten Welt" verantwortlich gemacht werden, ist dann als "terroristisch" einzustufen, wenn das Unternehmen unter anderem auch Angriffsziel militanter Aktionen war.

Die "Sicherheitsbehörden" reagieren damit auf die Erkenntnis, dass angesichts neuer Organisationsformen in der Zivilgesellschaft "gewalttätige Gruppen" und "nicht gewalttätige Gruppen" nicht von einander zu trennen sind. Anstatt aber - etwa über Verbandsklagen - neue Interventionsmöglichkeiten für concerned citizens zu schaffen, wird faktisch Protest von vorne herein mit totschlag-Strafdrohungen verhindert. Sei nur hinzugefügt, dass der Versuch der Sammelkriminalisierung in GB und den USA eher zu einen Zusammenrücken potentieller concerned citizens geführt hat; und zu einem enorm gestiegenen Agressionspotential...

Einem Beschluss des EU-MinisterInnenrates von vergangenem Sommer folgend (und damit eindeutig nicht auf Osama Bin Laden, sondern nach Göteborg und Genua auf die Globale Außerparlamentarische Opposition zielend) soll von der im österreichischen Strafrecht vorgesehenen Bandenregelung abgegangen werden und der Begriff der kriminellen Vereinigung hervorgehoben werden. Was auf ersten Blick als rein semantische Änderungen aussieht, ist eine massive Veränderung des österreichischen Strafrechts. Im Gegensatz zu Banden, die dem StGB und der Judikatur folgend auf Begehung mehrerer Straftaten abzielt, können kriminelle Vereinigungen bereits aus einer Straftat konstruiert werden, wenn das Delikt auf längere Dauer angelegt ist. In der Praxis ist damit für klassische Gewaltdelikte nicht viel gewonnen (es könnte ja etwa auch der Strafrahmen für Entführungen oder Erpressungen angehoben werden). Für Gruppen, die illegale Aktionen auf sehr niedrigem Level planen (das kann z.B. der Versand von gefaketen Briefen sein, wie er in der Steiermark in den letzten Jahren häufig praktiziert wurde), ist damit die rote Linie zur langjährigen Strafdrohung überschritten

Doch damit nicht genug: Gleich in einem Aufwaschen miterledigt werden sollen bereits lange von FPÖVP verfolgte Projekte wie etwa die Erleichterung von nachträglichen Rufdatenerfassungen: Zur Anordnung einer solchen wird - so Böhmdorfers Absichten umgesetzt werden - der einfache Verdacht reichen. Was wieder wie eine semantische Neuerung wirkt, hat weitreichende Auswirkungen: Den einfachen Verdacht wird dann selbstverständlich ein Untersuchungsrichter feststellen können. Die Anordnung einer Rufdatenerfassung erfolgt dann über einen Untersuchungsrichter und nicht mehr über einen Dreiersenat nicht mit dem Fall betrauter Richter.

Teil der Strafgesetznovelle 2000 sollen dann noch die Bestimmungen der "cyber-crime-convention" werden, über die im TATblatt bereits ausführlich berichtet wurde.

Die Terrornovelle gegen außerparlamentarische Opposition wird - so Böhmdorfer - Ende Februar in die Begutachtung gehen.

aus TATblatt Nr. +182 vom 21.Februar 2002

 
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