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Abschiebungen als alltägliches Geschäft

In der Befragung der Crew-Mitglieder des Balkan-Air Fluges wurde deutlich, dass Abschiebungen für Fluglinien und FlugbegleiterInnen zum alltäglichen Geschäft gehören. Wenn Kritik an der Abschiebepraxis geübt wird, dann nur in Bezug auf Befindlichkeiten von Fluggästen und Bordpersonal. Die Fluglinien müssen dort angegriffen werden, wo es ihnen am meisten weh tut: an der finanziellen Basis.

Knebelungen (Verklebungen) und Fesselungen standen zumindest bis Mai 1999 in Österreich auf der Tagesordnung. Und dies, obwohl es ein rechtskräftiges Urteil des UVS aus dem Jahr 1996 gibt, in dem das Verkleben der Atemwege ausdrücklich verboten wird. Heute stellt sich die Frage: Wie wird jetzt vorgegangen? Welche Maßnahmen werden, insbesondere bei so genannten "Problemabschiebungen" per Charterflugzeug des Internationalen Flugrettungsdienstes Austria (IFRA) angewandt? Dort gibt es keine ZeugInnen, der sogenannte Menschenrechtsbeirat, der zur Behebung von "Missständen" bzw. "Störungen" bei Abschiebungen gegründet wurde, wird in den Abschiebevorgang involviert.

Überprüft wird bloß die Durchführung auf "Menschenrechtskonformität", die Praxis selbst wird nicht in Frage gestellt. Trotz aller Verniedlichung durch einen hie und da zugezogenen "Menschenrechtsbeirat" bleibt doch festzuhalten, dass Abschiebungen unter Zwang niemals menschenrechtskonform verlaufen können, sondern stets einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Menschenrechte darstellen: Nur um eine Person außer Landes zu schaffen, wird die persönliche Freiheit geraubt, wird massiv körperlich bedroht, wird gequält und auch getötet. Schubhaft und Abschiebungen sind im Lichte der Menschenrechte unhaltbar. Im Prozess, bei dem es unter anderem um die Klärung der Todesursache von Marcus Omofuma geht, wird dies deutlich, wenn es lediglich um die Klärung geht, warum die Verklebung nicht rechtzeitig abgenommen wurde.

Die beschuldigten Beamten wussten vom Inhalt des ablehnenden Asylbescheides und ihnen musste klar sein, warum sich Marcus Omofuma wehrte. Der Widerstand kann daher insgesamt als Überlebenskampf gesehen werden. Daraus und aus den Schilderungen der Beteiligten an Abschiebungen - sowohl der Angeklagten, als auch der Flughafenpolizisten und der Crew der Balkan Air - wird ersichtlich, dass das Verkleben bewusst durchgeführt wurde und keineswegs einen Einzelfall darstellte.

Jedenfalls wird der weitere Verlauf des Prozesses zeigen, wie weit die staatliche Ausgrenzungs- und Abschiebepolitik gerechtfertigt wird und welche Maßnahmen als akzeptabel erachtet werden. Ein Freispruch für die drei Fremdenpolizisten würde nicht nur das Inkaufnehmen von Toten bei Abschiebungen rechtfertigen. Der Prozess wird aufzeigen, welche Praktiken staatlicher Organe von der Mehrheitsbevölkerung gebilligt werden.

 

aus TATblatt Nr. +183 vom 14. März 2002

 
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