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Geschichtslügen und "Trauer" am 8. Mai

Die im Wiener Korporationsring (WKR) zusammengeschlossenen deutschnationalen Studentenverbindungen planen gemeinsam mit dem Ring Freiheitlicher Studenten (RFS) und dem Ring Volkstreuer Verbände (RVV) Aktionen für den heurigen 8. Mai. Dieser gilt im burschenschaftlichen Milieu nicht als Tag der Befreiung vom Nationalsozialismus, sondern als Tag der "totale[n] Niederlage", wie es die Burschenschaft Olympia in ihrer "Festschrift" offen bekennt.

Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands, TATblatt

Für 18 Uhr 30 war ursprünglich eine Podiumsdiskussion unter dem Titel "Selbstachtung statt Selbsthass - Neuer Umgang mit der Zeitgeschichte" an der Universität Wien geplant. Um 20 Uhr 30 wollen die national-freiheitlichen Korporierten, die ungefähr zu zwanzigst schon die Neonazi-Kundgebung gegen die "Wehrmachtsausstellung" am 13. April verstärkt haben, von der Universität wieder auf den Heldenplatz marschieren. Dort ist eine "Heldenehrung" geplant, bei welcher der FPÖ-Nationalratsabgeordnete Wolfgang Jung (pB! Albia, Bad Ischl) eine "Totenrede" halten soll.

Die Podiumsdiskussion soll an der Universität stattfinden, obwohl sie vom Rektor untersagt worden ist. An ihr sollen nicht nur FPÖ-Volksanwalt Ewald Stadler (aS! Skalden, Innsbruck) und Josef Feldner (Kärntner Heimatdienst) teilnehmen, sondern auch der deutsche Rechtsextremist Claus Nordbruch. Der in Südafrika lebende "Publizist" trat wiederholt bei Veranstaltungen der Nationaldemokratischen Partei (NPD) in Erscheinung und hat sogar vor dem neonazistischen Milieu "keine Berührungsängste", wie er in einem Interview mit der mittlerweile verbotenen Deutschen Division von Blood & Honour unumwunden kundtat.

Den Kontakten Nordbruchs zum organisierten Neonazismus ist es wohl zuzuschreiben, dass die Podiumsdiskussion und das "Heldengedenken" bereits im März auf der Internetseite Sturm 18 (die Zahl steht für Adolf Hitler) der Kameradschaft NordHessen angekündigt wurde.

Die Podiumsdiskussion und das "Heldengedenken" des national-freiheitlichen Milieus in Wien ist nicht isoliert zu betrachten: In der deutschen Neonaziszene hat sich bereits ein Nationales Ehrenkomitee 8. Mai, welches zu Aktionen an diesem Tag aufruft, etabliert.

Im "Forum" des Wikinger-Versandes, wo schon massiv zur Kundgebung am 13. April aufgerufen worden ist, heißt es dazu: "Das große Ringen um die Freiheit unseres Volkes endete mit der Kapitulation der deutschen Wehrmacht. [...] Von den Besatzern eingesetzte Verräter am eigenen Volk sind dabei, die Opfer unseres Volkes zu verhöhnen, die Ehre unserer tapferen Soldaten zu beschmutzen und letztlich die Seele unseres Volkes zu zerstören. Der 8. Mai ist nunmehr zum Tag der Ehre gemacht worden. Wenn die Verräter am 8. Mai die Niederlage des deutschen Volkes feiern, werden wir mit unserem Ehrendienst auch an diesem Tag den nationalen Widerstand ins Volk tragen!"

Die derzeitige Vorsitzende des WKR, welches die Veranstaltung an führender Stelle organisiert, ist die einschlägig bekannte Burschenschaft Olympia. Sie machte sich schon in der Vergangenheit für "Revisionisten" stark. So heißt es in ihrer "Festschrift": "Wenn ein Deutscher über einzelne 'sensible' Fragen der Geschichte nur in den von den Umerziehern und ihren deutschen Helfern vorgegebenen Bahnen denken und sprechen darf, stellt dies eindeutig einen Mangel an Meinungs- und Redefreiheit und somit auch ein Fehlen der Freiheit der Wissenschaft und ihrer Lehre dar." Die behördlichen Schritte gegen die Leugnung des Holocaust und andere Geschichtsfälschungen werden dort als "Rückfall in eine längst überwunden geglaubte Zeit der geistigen Unfreiheit" bezeichnet. Der FPÖ-Nationalrat und Olympe Martin Graf meinte zum NS-Verbotsgesetz: "Es muss in einer demokratischen Welt zulässig sein, ein Gesetz, das die Meinungsfreiheit und die politische Tätigkeit einschränkt, zu kritisieren." (Format 21/2000)

Die Olympia formulierte ihre Gedanken zum 8. Mai in der bereits erwähnten "Festschrift": "Gleich nach Kriegsende setzte die von den Siegern betriebene systematische Umerziehung (reeducation) ein, die einen intensiven Wandel des Denkens, der Empfindungen und Verhaltensweisen erreichen wollte und auch erreichte. Alle Ideen und Überzeugungen, die nach Meinung der Sieger zu der politischen, moralischen und charakterlichen Korrumpierung der Deutschen geführt hatten, sollten ein für allemal ausgerottet werden. [...] Die entstandene geistig-kulturelle Bewusstseinslücke wurde durch die Etablierung der westlich-pluralistischen Gesellschaftsform 'ausgefüllt'."

Gegen die Deutschnationalen

Die dumpfen Veranstaltungen der Burschenschaften am 8. Mai rufen heuer nicht zum ersten Mal Widerstand hervor: bereits 1998 schrieb das TATblatt (+98): "Am 8. Mai, dem Jahrestag der militärischen Zerschlagung Nazideutschlands, treffen sich traditionellerweise Burschenschaften und deutschnationale Verbände, um der Niederlage des Vaterlandes und seiner Verstorbenen zu gedenken. Die Verehrung gilt den TäterInnen des Nationalsozialismus, die für völkische Ideale ihr Leben gaben: ‚Wir gedenken den Gefallenen unseres Volkes in den beiden großen Kriegen des 20. Jahrhunderts und den zahlreichen Vertriebenen und Ermordeten’, für die der Staat nichts übrig habe, so der Festredner der burschenschaftlichen Kundgebung am Burgtor. Gemeint sind mit letzteren nicht die Opfer des Faschismus, sondern die sog. ‚Volksdeutschen’ im Sudetenland und anderen Teilen Ost- und Mitteleuropas."

Heuer wird durch die Demonstration vom 13. April eine weit größere Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit erwartet:

Eine Menschenkette um die Uni soll Veranstaltungen der Burschis auf der Uni verhindern;

Treffpunkt für eine antifaschistische Blockade gegen den geplanten Fackelzug der Burschenschaften ist um 18 Uhr beim Schottentor;

Proteste von Grünen, SOS-Mitmensch und anderen sind am Heldenplatz, bei der Oper und in der Innenstadt geplant.

Genaueres wird wohl tagesaktuell dem Internet entnehmen zu sein:

>>>www.doew.at (neues von ganz rechts)
>>>www.gegennazis.at.tf
>>>www.at.indymedia.org

aus TATblatt Nr. +186 vom 2. Mai 2002

 
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