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    Wipe Out Wef 2003.
Das war Davos.
     
   

TATblatt.

     
Rund 6.000 Menschen wollten Ende Jänner in der Schweiz gegen das Jahreshaupttreffen des WEF und den drohenden Krieg im Irak protestieren. Bis in den Skiort selbst gelangten aber auch heuer nur einige hundert Personen.   Da auch die Behörden aus dem organisatorischen Desaster im Jahr 2001 - beim letzten Treffen des WEF in der Schweiz - gelernt hatten, war diesmal die Demo im Vorfeld zwar nicht verboten, sondern von den mit hohen Sicherheitsauflagen belegt worden. Ähnlich wie bei Fußballspielen sollten alle DemonstrantInnen nur einzeln durch Sicherheitsschleusen mit angeschlossener Polizeikontrolle hindurch den Skiort Davos betreten dürfen. So zumindest sahen es die Konzepte vor, die dem Oltener Bündnis, den OrganisatorInnen der Demonstration, vorgelegt worden waren.

Der Weg in die Berge.

Vor Ort sah dann jedoch alles anders aus, als die Polizei geplant hatte. Im Wissen, dass viele der anreisenden DemonstrantInnen nicht durch die Schleusen gehen würden, füllte sich am Samstag dem 25. Jänner um 10 Uhr in Zürich ein Sonderzug mit einer Demo-Delegation von 250 Personen, die nicht bereit waren, die Auflagen der Polizei zu akzeptieren. Bei der Polizeischleuse in Fideris - der nächsten Ortschaft vor Davos - war dann Schluss. Die DemonstrantInnen weigerten sich kollektiv den Zug für die Kontrollen zu verlassen. Gleichzeitig machten sich mehrere Busse der Gewerkschaften auf den Weg nach Fideris, wo sie die Forderung nach der Aufhebung der Kontrollschleusen unterstützten, indem sie die Straße nach Davos blockierten.
Durch den gemeinsam aufgebauten Druck, kam es in der Folge zu Verhandlungen zwischen den DemonstrantInnen und der Polizei, im Zuge derer nach rund einer Stunde eine Lösung gefunden werden konnte, die nicht nur für diesen Zug gelten sollte, sondern auch für alle weiteren: Die Abmachung lautete, dass drei PolizistInnen in zivil die Züge durchschreiten und ihnen verdächtig erscheinende Gepäckstücke kontrollieren könnten. Eine individuelle Kontrolle von AktivistInnen wurde abgelehnt. Diese Einigung löste auch bei den übrigen, zwischenzeitlich in weiteren Sonderzügen angereisten DemonstrantInnen, die in einem Polizeikessel in Lanquart - der nächstgelegenen Kleinstadt - festgehalten wurden, mehrheitlich Zustimmung aus.
Doch die Freude sollte nicht zu lange währen. Beim zweiten Zug in Fideris verlangte die Polizei entgegen der zuvor getroffenen Abmachung erneut, dass sich die Leute in die Schleusen begeben sollten. Rund 20 Personen folgten dieser Aufforderung, die restlichen 700 blieben erneut im Zug sitzen. Die Polizei weigerte sich nun, den Zug weiterfahren zu lassen.
In Davos war die Enttäuschung bei den mittlerweile 3000 Personen groß. Die Gewerkschaften und einige andere Gruppen entschieden sich, Davos wieder zu verlassen, weil die freie Meinungsäußerung unter diesen Umständen nicht gewährleistet war. Rund 2000 verbliebene Personen marschierten gegen 16.30 Uhr unter dem Motto: "Alles läuft verkehrt!" rückwärts zum Davoser Rathaus in Davos-Platz, um dort als symbolischer Akt die Demonstrationsbewilligung zurückzugeben.

Die DemonstrantInnen weigerten sich kollektiv den Zug für die Kontrollen zu verlassen.  

Als Reaktion auf die von der Polizei gebrochene Abmachung, versuchten zur gleichen Zeit einige hundert DemonstrantInnen wenige Kilometer entfernt in Lanquart die in unmittelbarer Nähe zum Bahnhof gelegene Autobahn zu besetzen, was von der Polizei mit Gummigeschossen, sowie deutschen Wasserwerfern und einem großflächigem Tränengaseinsatz verhindert wurde.
Nachdem wegen der gegen einen Zug eingesetzen Wasserwerfer der Strom am Bahnhof abgestellt werden musste und kurz darauf überhaupt der ganze Bahnhof in einer Tränengaswolke versank, machten sich die nunmehr rund 1.500 DemonstrantInnen von Lanquart nach Bern auf, um dort weiterzudemonstrieren.

Polizei eskaliert Demonstration.

In Bern sollte eine spontane Demo gegen die polizeistaatlichen Maßnahmen in Landquart, Fideris und Davos, sowie gegen die Rückweisungen an der Schweizer Grenze stattfinden. Doch kaum formierte sich ein Demozug gegen 21 Uhr, wurde dieser auch schon vom bereitstehenden Wassserwerfer und mit Tränengas angegriffen. Rund 400 PolizistInnen aus Bern und anderen Polizeikorps drängten die Demonstranten in einem ersten Einsatz mit einem Wasserwerfer sowie mit Tränengas und Gummigeschossen gezielt von Bahnhof, Altstadt und Bundeshaus weg in Richtung des Autonomen Kulturzentrums Reithalle, woraufhin die Situation eskalierte.

Doch kaum formierte sich ein Demozug gegen 21 Uhr, wurde dieser auch schon vom bereitstehenden Wassserwerfer und mit Tränengas angegriffen.



Alles in allem war die diesjährige Demo aber ein beeindruckendes Beispiel
dafür, wie radikale Positionen im Rahmen des kollektiven Ungehorsams auch
in einem recht breiten Bündnis umgesetzt werden können.

 

Einige eingeschmissene Fensterscheiben, beschädigte Autos und brennende Barrikaden später, beruhigte sich die Situation gegen 2 Uhr wieder. Eine Hand voll DemonstrantInnen wurden auch vorübergehend festgenommen. Der als Folge des Polizeieinsatzes resultierende Sachschaden dürfte ca. 500.000 Franken betragen.

Alles in allem ...

Die Behörden bezeichneten ihr Sicherheitskonzept im Rückblick als erfolgreich. Im Unterschied zu 2001, als Zürich sich als Opfer der Polizeistrategie sah, wurde das Einsatzkonzept in Bern dieses Jahr nicht bemängelt. Einiges will die schweizer Polizei nächstes Jahr aber doch anders machen. So soll zum Beispiel 2004 die ganze Schweiz - nicht nur ein einzelner Kanton - als akutes Einsatzgebiet betrachtet werden. Auch auf gesetzlicher Ebene wollen einige Parteien ein Vermummungsverbot für die ganze Schweiz erlassen. Bisher gibt es von Kanton zu Kanton unterschiedliche Regelungen.
Auch die Haltung des Oltener Bündnis, das mit dem Konzept des kollektiven Zivilen Ungehorsams gegenüber den Polizeimaßnahmen vertrat, wurde in den Tag nach der Demo vor allem von den linken Parteien kritisiert. Während die SozialdemokratInnen dem Bündnis vorwarfen, durch die mangelnde Kooperationsbereitschaft mit der Polizei, eine "friedlich Großkundgebung" in Davos verhindert zu haben, verloren auch die Grünen keine Zeit sich von dem Bündnis zu distanzieren.
Alles in allem war die diesjährige Demo aber ein beeindruckendes Beispiel dafür, wie radikale Positionen im Rahmen des kollektiven Ungehorsams auch in einem recht breiten Bündnis umgesetzt werden können. Auch wenn das wohl im Vorfeld viel Arbeitet bedeutet hat.

     

 

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