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Ausstellung über jüdischen Widerstand:

"Nicht wie die Schafe zur Schlachtbank ...".

     
   

TATblatt.

     
Jüdischer Widerstand.
Eine Ausstellung von B'nai Brith Europa.
Noch bis zum 16. April 2003.
Volkshalle Rathaus Wien, Eingang Rathausplatz.
Täglich außer Samstag 10 bis 18 Uhr
(Ca. 2 Stunden sollten für den Besuch einberaumt werden).
Eintritt und Audio-Führung sind kostenlos.
 

"Bin gut angekommen ...", mussten in Lager deportierte Juden und Jüdinnen auf Postkarten an ihre Verwandten schreiben. Die vor ihrer Auslöschung Stehenden mussten so noch das Geheimnis ob ihres Verschwindens fortschreiben. Den Nazis lag viel an der Aufrechterhaltung der Lüge, die zum Beispiel mittels des Films "Der Führer schenkt den Juden eine Stadt" schon in die Welt gesetzt war. Die unglaubliche Wahrheit über die Verschleppung und Vernichtung zu verbreiten war somit die dringlichste Aufgabe für die Betroffenen. Ein bei seiner Deportation am Bahnhof von Bozen aus dem Zug geschmissener Brief Primo Levis sollte über sein und das Schicksal tausender Anderer aufklären. Ein Brief des Bundes jüdischer Arbeiter in Polen an die polnische Exilregierung in London von 1941 nannte erstmals eine Zahl von siebenhundert Tausend Ermordeten, er fand tatsächlich auch Aufnahme in britischen wie amerikanischen Medien, die ersehnte Hilfe blieb jedoch aus.
So konnten jüdische Angehörige von "Sonderkommandos" in Auschwitz (die z.B. das Verbrennen der Leichen nach der Vergasung durchzuführen hatten) nur weiter unter Lebensgefahr Berichte über das Erlebte und Erlittene verfassen und in der Umgebung des Lagers vergraben. Bis in die 80er - Jahre wurden immer wieder solche Verstecke von handschriftlich verfassten und oft mit Zeichnungen versehenen Berichten entdeckt.

Die Ausstellung.

Postkarten aus KZs, nachfragende Antworten besorgter Angehöriger, Hilfeschreie Verschleppter und AugenzeugInnenberichte von Folter und Mord sind zur Zeit in einer Ausstellung im Wiener Rathaus zu sehen. Die Bedingungen ihres Entstehens, die Tatsache, dass sie in verschiedenen Sprachen verfasst wurden und ihr oft schlechter Erhaltungszustand würden sie nun eigentlich zu eher anstrengenden Exponaten einer Ausstellung machen. Tatsächlich ist es den Verantwortlichen aber gelungen, diese Zeitdokumente in einer Weise zu präsentieren, die den Menschen dahinter und deren ergreifenden Schicksalen gerecht wird, soweit dies von einer Schau bewerkstelligt werden kann.
Die Ausstellung ist klein. Texte und Bilder sind mitunter von schlechter Qualität. Aber ihre Anordnung in sechs thematischen Bereichen folgt einer nachvollziehbaren Struktur, und die Aufbauten verstärken und verdeutlichen die zur Verfügung gestellten Informationen. Verschläge wie aus Baracken in Lagern, der Nachbau von Verstecken in Hinterhäusern und unter Treppenaufgängen oder ein stilisierter Wald als Ort der Flucht und des Kampfes von PartisanInnen machen die wenigen Quadratmeter zu einem Ort, an dem die Verzweiflung, die Beklommenheit und die Suche nach Sinn und Möglichkeiten von Widerstand im Angesicht des mörderischen Wahnsinns ein winziges Stück weit nachvollziehbar wird. Dass BesucherInnen mit einem Audio-Guide ausgestattet werden, vermag diesen Eindruck noch zu verstärken. Dieser liefert die nötige Information, da wo Bilder oder Texte noch Erklärung bedürfen. Diese ist jedoch so bemessen, dass ihr ohne große Mühe gefolgt werden kann. Eingeschobene Zitate, die an verschiedenen Stellen mit Videosequenzen einhergehen, erleichtern das Zuhören zudem. Den größten Vorteil für BesucherInnen bietet dieses System aber im Tempo, das so jedeR selbst bestimmen kann. Auch die Reihenfolge kann frei bestimmt werden, und die Konzentration auf bestimmte thematische Bereiche bleibt möglich.

Die Ausstellung ist nicht frei von Widersprüchen. Mitunter werden Fragen aufgeworfen, die im Rahmen einer Ausstellung so wenig beantwortet werden können, wie die Jahrzehnte davor oder gar damals, als den Menschen diese Entscheidungen abgenötigt wurden. So bleibt nicht unerwähnt, dass manche unter den von den Nazis in den Ghettos eingerichteten so genannten "Judenräten" allzu bereitwillig mit den Herrenmenschen kollaborierten. Andere unterstützten in ihrer Position aber auch den Aufbau von PartisanInnengruppen.
Die Entscheidung zum bewaffneten Kampf warf sogleich aber neue dringliche Fragen auf. Die Flucht in die Wälder oder der Kampf in den Ghettos war nur den halbwegs gesunden und wehrfähigen Menschen möglich. Kranke, Alte und Kinder waren unweigerlich den Vergeltungsmaßnahmen der Nazis ausgeliefert. Es war also die Sorge um diese Leben und die Hoffnung auf Befreiung von außen, die die Menschen oft zuwarten ließ.
Anderen wiederum gelang die Flucht in die Wälder, wo sie in so genannten "Familiencamps" versuchten von den Nazis unentdeckt zu bleiben. Diese Lager verfügten über eine dorfähnliche Infrastruktur und sollten so das Überleben sichern. Gefahr ging dabei von allen Seiten aus. Ein Kilogramm Salz war für die notleidende Bevölkerung für die Denunziation von JüdInnen ausgesetzt (ihre Unterstützung bei Strafe verboten). In Polen machten nicht nur Nazis, sondern auch rechtsextreme Freischärler Jagd auf flüchtige Juden und Jüdinnen, und selbst in russischen PartisanInneneinheiten hatten jüdische MitkämpferInnen mit Vorbehalten zu kämpfen. Vorbehalte die auch alle Überlebenden des Holocaust trafen, die nach der Befreiung aus den Lagern durch ein verwüstetes Europa in Freiheit zu gelangen versuchten.

 

Zum Weiterlesen:

Rich Cohen, Nachtmarsch; S. Fischer Verlag 2000; Die Geschichte der jüdischen PartisanInnen von Wilna. >>Rezensiert in TATblatt +153.
Chaika Grossman, Die Untergrundarmee. Der jüdische Widerstand in Biaylstok. Ein autobiographischer Bericht. Fischer Tb-Verlag 2000. >>Rezensiert in TATblatt +158.
J. Tobias/P. Zinke, Nakam - jüdische Rache an NS-Tätern; Konkret Literatur Verlag 2000; Pläne zu und tatsächliche Vergeltungsmaßnahmen nach 1945. >>Rezensiert in TATblatt +162.

aus TATblatt Nr. +198 April 2003.    

 

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