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Im Namen der Menschenrechte:
Schubhaft und Sozialdienst.

     
   

TATblatt.

     
In der letzten Ausgabe des TATblatt veröffentlichten wir einen Offenen Brief der asylkoordination österreich, in dem diese den Adressaten Innenminister Strasser kritisierte, die Schubhaftbetreuungsverträge der bisherigen Vertragspartnerinnen des Innenministeriums (Caritas und Volkshilfe) gekündigt zu haben und stattdessen den erst kürzlich und eben zu diesem Zweck gegründeten Verein "Menschenrechte Österreich" alleine mit der künftigen Schubhaftbetreuung vertraut zu haben. Uns stellt sich die Frage: Welche Bedeutung hat dieser Wechsel?   Eine Auseinandersetzung mit Schubhaft und staatlich finanzierter Betreuung durch NGO's führten wir in der TATblatt - Schwerpunktnummer Flucht.Hilfe. Die grundlegende Problematik, die darin beschrieben wird, hat sich kaum geändert. EinE MitarbeiterIn von Zebra wünschte sich damals: "keine Schubhaft für Asylwerber(Innen) und dass das Innenministerium einsieht, dass Asylwerber(Innen) Rechtsberatung und Rechtsbeistand brauchen, und dass Minderjährige nicht mehr in Schubhaft genommen werden..." Doch mal der Reihe nach.

Was ist Schubhaft?

Schubhaft ist eine Haft, die ausschließlich "Fremden" zuteil werden kann. Ihr Zweck ist es, ein Verfahren zur Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes und die Abschiebung sicherzustellen. Sie wird in der Regel in eigenen Abteilungen von Polizeigefangenenhäusern (PGH) vollzogen. Schubhaft stellt keine Strafhaft oder eine richterlich verordnete Haft dar, sondern wird lediglich von der Verwaltungsbehörde ausgesprochen und durchgesetzt. Die Schubhaft sollte laut Gesetz grundsätzlich so kurz wie möglich dauern, längstens aber zwei Monate. Bei Ausnahmefällen kann sie jedoch auf bis zu sechs Monate ausgedehnt werden (§ 69 Fremdengesetz). In der überwiegenden Zahl der Inschubhaftnahmen wird die im Gesetz genannte Ausnahme jedoch zur Regel
Die Schubhaft kann auf sechs Monate ausgedehnt werden, wenn die Identität nicht geklärt ist, wenn ein Antrag auf Unzulässigkeit der Festnahme im Laufen ist oder die notwendigen Ein- und Durchreisepapiere nicht vorhanden sind oder nicht rechtzeitig beschafft werden können. Die meisten Gründe für eine Inschubhaftnahme sind illegaler Grenzübertritt, fehlende Dokumente oder der Verdacht von strafbaren Handlungen (etwa illegalisierte Beschäftigung).(1)
Als Alternative zur Schubhaft stehen „gelindere Mittel“ zur Verfügung - die Leute werden statt in einem Gefängnis in privaten Unterkünften untergebracht, unterliegen jedoch meist einer strengen Meldepflicht. Früher kam es oft vor, dass bei Familien die Männer in Schubhaft kamen und für die Frau mit Kindern das gelindere Mittel angewendet wurde. Und obwohl das Innenministerium stets beteuert, dass Minderjährige nicht in Schubhaft genommen werden, ist die Realität eine andere.
Schubhäftlinge werden oft gar nicht oder in keiner ihnen verständlichen Sprache über den Grund und die Dauer der Schubhaft informiert. Durch die Ausweglosigkeit der Situation sind Selbstmordversuche, Selbstverstümmelungen oder Hungerstreiks für viele die einzige Chance, der Schubhaft zu entkommen oder auf die Brisanz der eigenen Situation aufmerksam zu machen (1999 waren 849 Menschen in Hungerstreik). Vor allem bei akut drohender Abschiebung ist Hungerstreik die einzige Möglichkeit. Während früher rund zwei Wochen Hungerstreik für die Entlassung ausreichten, sind es mittlerweile durchschnittlich drei Wochen. Willkür ist bei der Erlassung von Aufenthaltsverboten an der Tagesordnung, oft ist schon ein "Verstoß gegen das Meldegesetz" ausreichend.(2)
Die rechtlichen Möglichkeiten, die Schubhäftlingen zur Verfügung stehen, sind sehr begrenzt. Es bedarf zumindest einer Person, die die notwendigen juristischen Schritte einleitet, die im besten Fall zu einer Entlassung aus der Schubhaft und der Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung - z.B. im Rahmen eines positiv entschiedenen Asylverfahrens - führen kann. Sehr oft werden Leute jedoch abgeschoben, ohne dass davon Notiz genommen wird.
Die Kritik von offizieller Seite, wie z.B. durch die UNHCR aber auch durch NGO's, betraf vor allem die mangelnde Transparenz der Inschubhaftnahme und die nahezu obligatorische Verhaftung von mittellosen AsylwerberInnen und unbegleiteten Minderjährigen. Ebenso waren Vollzug und Haftalltag immer wieder Gegenstand von Kritik. Das betraf sowohl die Besuchs- und Beschwerderechte, wie die sanitären, medizinischen und sozialen Bedingungen in der Schubhaft.
Den Behörden, deren vordergründigstes Ziel es sein dürfte, Menschen abzuschieben, lag und liegt jedenfalls nicht sehr viel an einer (rechtlichen) Betreuung. Die anhaltende Kritik an der Praxis der Schubhaft und sich häufende Fälle von Selbstverletzungen und Suizidversuchen veranlassten das Innenministerium nach Lösung zu suchen. Und so kam es zu Schubhaftbetreuungsverträgen mit Hilfsorganisationen, die den Schubhäftlingen „zur Seite stehen“ sollen.

Schubhaftbetreuungsverträge.

Im Jahre 1998 wurde von Seiten des Bundesministerium für Inneres (BMI) mit diversen Betreuungseinrichtungen in den einzelnen Bundesländern so genannte Schubhaftbetreuungsverträge ausgehandelt. Ziel der Verträge war es, österreichweite, regelmäßige, humanitäre, soziale und psychosoziale Betreuung, sowie rechtliche Beratung sicherzustellen. In allen Bundesländern konnten im Rahmen der Verhandlungen Nicht-Regierungsorganisationen (NGO's) damit beauftragt werden. Die wichtigsten Punkte der Schubhaftbetreuung waren: Alle Schubhäftlinge sollten innerhalb der ersten Woche kontaktiert werden, jene, die eine Betreuung wünschen, sollten regelmäßigen Besuch in der Haft erhalten. Die Schubhaftbetreuung sollte die Versorgung mit Hilfsgütern sicherstellen (wie etwa Hygieneartikel, Lesestoff, Tabakwaren u.ä.). Auf Wunsch der Schubhäftlinge sollten die SchubhaftbetreuerInnen sie auch zu ärztlichen Untersuchungen begleiten können. Weiters sollten die BetreuerInnen rechtliche Informationen vermitteln und die Schubhäftlinge über anhängige Verfahren informieren. Schließlich sollte auch die Vorbereitung auf Entlassung oder Abschiebung durchgeführt werden.
In den ersten neun Monaten war den Schubhaftbetreuungsorganisationen der Zugang zu den Schubhäftlingen generell gestattet, die Organisationen erhielten von Seiten der Behörde die Neuzugangslisten zugestellt, sodass sie dem Auftrag, Schubhäftlinge innerhalb der ersten Woche zu besuchen, großteils nachkommen konnten. Dies wurde mit Oktober 1998 eingestellt. Die Begründung von Seiten der Behörde war, dass die Zusendung der Neuzugänge aufgrund von Datenschutzproblemen nicht länger möglich sei. In weiterer Folge musste der erste Schritt von den Schubhäftlingen ausgehen, die jedoch maximal durch ein kurzes Informationsblatt über die Möglichkeit einer Betreuung informiert werden und mit ihrer Unterschrift erklären müssen, dass sie eine Betreuung wünschen. (1)

Rechtliche Beratung?

Bei den Verträgen 1999 und 2000 stand vor allem der Punkt "rechtliche Beratung" im Kreuzfeuer der Kritik. Argumentierten die NGO's, dass ohne rechtliche Information und Beratung die Arbeit nicht ordnungsgemäß durchgeführt werden könne, so war die Tätigkeit einiger SchubhaftbetreuerInnen den Verantwortlichen im BMI ein Dorn im Auge. Der frühere Sektionschef Matzka schrieb in einem Papier, dass wesentlich weniger Probleme entstehen würden, wenn die SchubhaftbetreuerInnen nicht so rührig wären und ständig Rechtsmittel für die Schubhäftlinge einbrächten. Matzka sprach, in gewohnter Offenheit, vom Missbrauch von Rechtsmitteln (wie Asylantrag, Berufungen).
Dass genau diese Differenzen zur Auflösung von Verträgen führte, beweist der in Graz ansässige Verein Zebra, der zwar anfangs einen Vertrag zur Schubhaftbetreuung bekam, der jedoch nach einigen Monaten wieder aufgelöst wurde. Die Begründungen Manfred Matzkas enthielten u.a., dass die BetreuerInnen für ihre KlientInnen Berufungen gegen Entscheidungen einbrächten und dass für AsylwerberInnen Scheinadressen angegeben würden, wobei letzteres nicht zutraf.(3)
Die eigentlichen Differenzen traten schon 1997 während der Verhandlungen zur Schubhaftbetreuung auf, in denen sich das BMI wünschte, dass es lediglich zu rechtlicher Betreuung und Beratung kommen solle, jedoch keine Rechtmittel eingebracht werden sollten. Was nichts anderes bedeutete, als die Schubhäftlinge lediglich auf ihre bevorstehende Deportation vorzubereiten und das Konfliktpotential so weit möglich zu reduzieren. Im Gegensatz zu Zebra - die ihre Schubhaftbetreuung auch ohne Vertrag fortsetzen - haben die anderen Schubhaftbetreuungsorganisationen diese Bedingungen akzeptiert und die Verträge unterschrieben. Schon damals war klar, dass sich das BMI die PartnerInnen nach Gutdünken aussuchen konnte.(4)
Die eigentliche Aufgabe der Schubhaftbetreuung war somit definiert: Den Inhaftierten die Vorzüge ihrer Deportation schmackhaft zu machen und präventive Maßnahmen zur Minimierung des Konfliktpotentials zu setzen. Die Qualität von Schubhaft wurde dabei vom Innenministerium an der (niedrigen) Zahl von Hungerstreiks und Suizidraten gemessen - und diese Erfolge wurden öffentlichkeitswirksam "gefeiert".
In Wien teilten sich vom 1. März 1998 bis zur Aufkündigung des Vertrages mit Ende Februar 2003 Caritas und Volkshilfe den vertraglich geregelten Schubhaftsozialdienst. Das BMI förderte das Projekt und ermöglichte sechs MitarbeiterInnen eine feste Anstellung. Andere Organisationen, wie der Flughafensozialdienst, Asyl in Not, Amnesty International und die Flüchtlings- und Deserteursberatung, führen ebenso Schubhaftbetreuung durch, jedoch meist ehrenamtlich und ohne den erleichterten Zugang, den offizielle VertragspartnerInnen genießen.
Mit 3. März 2003 hat der von Günter Ecker gegründete Verein "Menschenrechte Österreich" die offizielle Betreuung der Schubhäftlinge in Wien, die in den PGH Rossauer Lände und Lerchenfelder Gürtel untergebracht sind, übernommen. Die bisherigen BetreuerInnen kommentieren dies folgendermaßen: "Nun hat das Innenministerium den Vertrag nicht verlängert, von einem Tag auf den anderen wurde die Arbeit von 5 Jahren eines ganzen Teams in Frage gestellt. Ein anderer Verein wurde erst kurz vorher gegründet und bekam den Vertrag. Nicht nur die Tatsache, dass 7 Mitarbeiter von Caritas und Volkshilfe von heute auf morgen ihren Arbeitsplatz verloren haben, vor allem aber die Vorgangsweise des Ministeriums hat uns schockiert. Fragen, was mit den 100 Klienten und Klientinnen geschieht, die zur Zeit in unserer Betreuung waren, sind nicht geklärt. Manche warten auf Antwort von uns, manche auf Kleidung. Sie wissen nicht, dass wir sie nicht vergessen haben, sondern dass wir einfach nicht mehr für sie weiterarbeiten dürfen."(5)

Ein heikles Thema.

Womit wir bei einem heiklen Thema angelangt wären. Zahlreiche NGO's, aber auch Einzelpersonen betätigen sich immer wieder ehrenamtlich im Bereich der Schubhaftbetreuung. Doch sehr oft ist es mittlerweile so, dass die in Flüchtlingsberatungsorganisationen (erwerbs)arbeitenden Personen ihre Tätigkeiten als Beruf auffassen - und entsprechende Bezahlung dafür wollen. Ich will hier nicht die Arbeit der SozialarbeiterInnen in Frage stellen, sondern die vielschichtige Problematik praxisorientierter, humanitärer Hilfe ansprechen und wie diese sehr oft zum Teil der staatlichen Abschottungspolitik wird.
Da im Bereich der vertraglichen Schubhaftbetreuung als Geldgeberin das BMI fungiert, ist eine gewisse Abhängigkeit nicht von der Hand zu weisen. Was sich auch dadurch erklärt, dass die Organisationen trotz Kritik die Verträge im Jahr 1998 unterzeichneten.
In einer Diskussion, die sich aufgrund der Aussendung der asylkoordination u.a. im widerst@ndMUND entwickelte, wird die Problematik deutlich. Dort wurde der seit Ende letzten Jahres aus NGO-Zusammenhängen wegen seines offensichtlichen Verhältnisses zu den Behörden ausgeschlossene Günter Ecker massiv kritisiert, sehr wohl aber auch seine "fachliche Qualifikation" verteidigt: "Dass er sich schließlich mit in der Wiener Schubhaftbetreuung auf Punkt und Beistrich an den Vertrag halten wird (sodass also Fleißaufgaben wie Rechtsberatung unter den Tisch fallen könnte), macht seine Bewerbung per se noch zu keiner schlechteren - die Kritik ist hier bei ihm an der falschen Adresse, sondern gebührt allein dem Minister, dem die Rechtsberatung von Schubhäftlingen offenbar nicht wichtig ist, sodass sie kein Bestandteil seiner Ausschreibung war bzw. nicht den Ausschlag gegeben hat." (6)
Über die fachliche Qualifikation des Herrn Ecker will ich mich hier nicht auslassen, doch sei erwähnt, dass er in zahlreichen seiner Aussendungen immer wieder seine Qualifikationen betont. So endet die Selbstbeweihräucherung in der Presseaussendung (PA) zur Übernahme der Schubhaftbetreuung in Wien folgendermaßen: "Günter Ecker begleitete die letzten vier Charterabschiebungen nach Nigeria und in den Kongo als unabhängiger Menschenrechtsbeobachter gemäß den Empfehlungen des Menschenrechtsbeirats" (dessen Mitglied er übrigens auch ist).
Weiters lesen wir in der Presseaussendung Eckers: "Ein besonderes Anliegen ist dem Verein Menschenrechte Österreich die Betreuung von Schubhäftlingen in Hungerstreik, insbesondere wenn diese gemäß der Anhalteordnung in einer Krankenzelle in Einzelhaft angehalten werden. Ein unbürokratischer Zugang der BetreuerInnen zu Schubhäftlingen in Hungerstreik konnte vereinbart werden." Einen Kommentar spare ich mir und verweise stattdessen auf die oben angeführten Ziele der Schubhaftbetreuung.
Nebenbei werden noch Erfolge wie eine Verlängerung der wöchentlichen Betreuungszeiten angeführt und die gute Kooperation mit der Gefängnisleitung hervorgehoben. So "bestätigte Günter Ecker der Behörde eine Bereitschaft zur Verbesserung der Situation der Schubhäftlinge."

Schubhaft abschaffen.

Viele werden sich jetzt wohl fragen, wie es möglich ist, so lange über Schubhaft zu schreiben und dabei kein einziges Mal diese Institution selbst in Frage zu stellen? Ganz einfach: Darum ging es in der ganzen Debatte auch nicht. Und hier liegt auch eines der Probleme in der Schubhaftbetreuung. Wie soll eine NGO, die offizielle Schubhaftbetreuung durchführt, diese Praxis grundsätzlich in Frage stellen?
Deutlich wird dies an einem ganz anderen Punkt antirassistischer Arbeit(?). Die "Feministischen Migrantinnen" veröffentlichten Ende 2002 ein "Manifesto FeMigra", in dem sie einige ihrer grundsätzlichen Position präsentierten. Eine der Forderungen richtete sich "An alle mehrheitsösterreichischen Mitarbeiter/innen in Migrant/innenorganisationen: Ihr sollt eure Arbeitsplätze an Migrant/innen abtreten. Eure Arbeitsplätze sollen adäquat durch Migrant/innen besetzt werden. Denn ein/e wahre/r Integrationsarbeiter/in ruht nicht eher, als sie/er ihren/seinen Job einer/m Migrant/in abgetreten hat. Nur dann hat sie/er für wahre Integration gesorgt."(7)
Abgesehen jetzt, dass ich nicht annehme, dass allein dadurch ein Ende der Schubhaft in greifbare Nähe kommt, fand ich es doch interessant, dass es gerade dieser Satz in dem Manifesto war, der für Aufregung bei MitarbeiterInnen von NGO's sorgte.

Anmerkungen:

(1)www.zebra.or.at/lexikon
(2)www.no-racism.net
(3)Als offizielle Begründungen mussten Umbaumaßnahmen im Gefangenenhaus und die dadurch angeblich verringerte Besuchskapazität herhalten.
(4)wie damals in einer Aussendung von Zebra formuliert
(5)www.caritas-wien.at/249.htm
(6)www.no-racism.net/MUND
(?)Ob es sich tatsächlich um einen "ganz anderen Punkt antirassistischer Arbeit handelt, sei hier mal gleich wieder in Frage gestellt.
(7) Bunte Zeitung Nr. 5, Dezember/Jänner 2003
Die TATblatt-Schwerpunktnummer Flucht.Hilfe erschien im September 1999 >>Intro und Inhaltsübersicht

aus TATblatt Nr. +198 April 2003.    

 

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