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Ausnahmezustand:
Serbien, die Zweite.

     
   

TATblatt.

     
Der Ausnahmezustand wurde kurz vor Ostern beendet. Er dauerte eineinhalb Monate. Offiziell wurden in dieser Zeit über 10 000 politisch-ökonomische GegnerInnen verhaftet. Gegen 3400 werden Schnellverfahren eingeleitet, mindestens 800 sind noch in U-Haft. Wurde der Ausnahmezustand wirklich beendet?  

Nun, offiziell schon, zumindest was den Tourismus betrifft. Dazu meinte Polizeiminister Mihajlovic: "Die Polizei wird mit der Jagd nach den Verbrechern weitermachen, als wäre der Ausnahmezustand noch in Kraft". Die restriktiven Bestimmungen des Ausnahmezustandes (totales Versammlungs- und Veranstaltungsverbot, Mundverbot, etc.) sind aufgehoben. Serbien ist mittlerweile eines der sichersten Ländern Europas geworden, da die Anzahl der angezeigten Verbrechen extrem gefallen ist. Die Bevölkerung zeigt aber eine extreme Ignoranz und fühlt sich nach allen Umfragen immer noch unsicher von wegen Überleben und ihrer persönlichen Zukunft. Oppositionsführer sind entweder im serbischen U-Haft, in Haager U-Haft oder vorübergehend noch draußen. Da Kritik jetzt wieder erlaubt ist, nimmt sie allmählich zu, allerdings nur von Gruppierungen die bereits juristisch angegriffen werden. Andere wagen es noch nicht zu kritisieren oder aber sie haben kein Interesse daran. Viele aus dem ehemaligen Regime und der Opposition werden wahrscheinlich zu jahrelanger Haft verurteilt. Noch ist aber nichts klar, weil viele der Verhafteten noch nicht offiziell angeklagt wurden und weil eine vielfache Vermehrung der Verfahren angekündigt wird. Polizeiminister: "Wir werden uns in nächster Zeit viel mehr auf wirtschaftliche Verbrechen konzentrieren". Die Regierung gibt sich große Mühe alles öffentlich und rechtlich gedeckt zu machen. Ihnen wird niemand vorwerfen können, dass sie AlbanerInnen einfach so erschossen oder Oppositionelle ohne Anklage verhaftet haben.
So geht es von einer polizeilichen Säuberung in eine juristische über. JedeR könnte noch für irgendetwas angeklagt werden (zB. "Geistige Mittäterschaft/Anstiftung zum Mord an Zoran Djindjic" und "Kontakte zum Zemuner Klan", bzw. "Terrorismus" für AlbanerInnen) - d.h. um die 7-8 Millionen Menschen sind noch potentielle Angeklagte. Natürlich steigt das Risiko bei politisch engagierten Personen drastisch. Die Bekämpfung der Opposition wird jetzt von einer fast rein polizeilichen (und manchmal militärischen) vielmehr zu einer juristischen Angelegenheit werden, also einer Harmonisierung mit den EU-Standards.
Parteiverbote sind derweil ausgeschlossen, Massenenteignungen könnten immer noch passieren, aber nur durch viele einzelne Schnellverfahren, also frühestens im Juni. Dies betrifft nur solche, die Eigentum haben, also macht sich kaum jemand in Serbien darüber Sorgen.
Die Regierung sitzt jetzt fest an der Macht. Sogar die albanische Guerilla ist so angeschlagen, dass sie schon lange keinen größeren Angriff mehr gewagt hat. Die Massenentlassungen laufen immer noch auf Hochtouren, mit nur geringem Widerstand.
Die Regierung hofft nicht nur auf eine gute Tourismus-Saison, sondern auch auf eine größere Privatisierungswelle, da die Sicherheit für Investitionen nun endlich gewährleistet ist.

     

aus TATblatt Nr. +199 Mai 2003.

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