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Alternative Ausbeutung.
Streik bei Veloce-Botendienst.

Mit Streiks reagierten die RadlerInnen des Botendienstes Veloce in Wien am 25. März und am 1. April auf immer unzumutbarere Arbeitsbedingungen. Unmittelbarer Anlass waren Preiserhöhungen für die KundInnen, die in weitaus geringerem Ausmaß als üblich und vereinbart an die FahrerInnen weitergegeben wurden. Da die FahrerInnen unter prekären Verhältnissen als selbstständige UnternehmerInnen für Veloce tätig sind, handelte es sich dabei in der herrschenden Sprachregelung um so genannte wilde Streiks, die jedoch von der Gewerkschaft der Privatangestellten indirekt unterstützt wurden. Bei einer Streikversammlung am 25. März war GPA-Vorsitzender Sallmutter allerhöchstpersönlich erschienen. Am 1. April wurde von der Gewerkschaft sogar Streikgeld versprochen.

TATblatt.

Die RadlerInnen von Veloce müssen für ihre Betriebsmittel selbst aufkommen: das Fahrrad selbst mitbringen, die mit Werbung vollgepflasterten Rucksäcke und Jacken selbst kaufen. Honorare werden oft erst Wochen nach der erbrachten Arbeitsleistung ausbezahlt, dafür verlangt die Geschäftsführung dann auch noch Bearbeitungsgebühr. Eine Transportversicherung wird vom Honorar abgezogen, die Versicherungsverträge sind den FahrerInnen allerdings nicht bekannt.
Die Streikenden fordern daher nun auch die Offenlegung der Versicherungsverträge. Zudem fordern sie die Bezahlung des vollen Anteils am Umsatz sowie an der Preiserhöhung, eine Angleichung der Gehälter von AnfängerInnen an jene von bereits länger Beschäftigten, die Bezahlung der Gehälter am Monatsanfang sowie die Rückerstattung von Mobiltelefonkosten für Gespräche mit dem Unternehmen.
Nach dem ersten dreistündigen Warnstreik am 25. März räumten sie der Geschäftsführung eine Frist zum Einlenken bis zum 1. April ein. Da diesbezügliche Gespräche erfolglos verliefen, wurde am 1. April bereits fünf Stunden lang gestreikt. Weitere Steigerungen sind abzusehen.
Unter anderem hoffen die RadlerInnen auch auf eine Beteiligung der AutofahrerInnen von Veloce, die es, wie nicht unbedingt überaus bekannt, auch gibt. Gegenüber den RadlerInnen hatte die Geschäftsführung gar gedroht, bei Bedarf auf die RadlerInnen künftig ganz verzichten und nur mehr mit Autos fahren zu wollen.
Gegenüber der APA zeigte sich Geschäftsführer Brandstätter von den Streiks „unbeeindruckt“. Er beschuldigte die Streikenden, die „Arbeitsplätze“ zu gefährden, und dass sie sich selbst „außerhalb des Unternehmens gestellt“ haben.
Gesetzlich gar nicht mögliche Streiks prekär beschäftigter „Selbstständiger“ werden somit langsam gewerkschaftssalonreif. Im Dezember 2003 hatten die MitarbeiterInnen des Staffs von Radio Orange 94.0 noch weitgehend ohne externe Unterstützung mehrere Tage gegen die ihrer Meinung nach ungerechtfertigte Vertragsauflösung eines Kollegen, die Form ihrer Beschäftigungsverhältnisse und für eine Strukturdiskussion im freien Radio gestreikt. Ein großer Teil der früheren Belegschaft lehnte in der Folge ab, weiter für den von ihm abgelehnten neuen Vorstand des Radios zu arbeiten, und kündigte. Inzwischen wurden bei Orange 94.0 die meisten noch bestehenden Dienstverhältnisse in besser bezahlte Angestelltenverhältnisse umgewandelt.
     

aus TATblatt Nr. +209, April 2004.

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