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    ORANGE-94.0-Redakteurin in Türkei inhaftiert


Sandra Bakutz, Redakteurin der Sendung "Anatolien Radio" auf ORANGE 94.0, dem freien Radio in Wien, wurde am 10. Februar unmittelbar nach ihrer Ankunft am Atatürk-Flughafen von Istanbul verhaftet. Nach 24-stündiger Polizeihaft wurde sie einem Haftrichter vorgeführt und später in jenes Gefängnis für politische Gefangene in Gebze überstellt, welches aufgrund der dortigen Haftbedingungen wiederholt Gegenstand ihrer journalistischen Kritik war. Da ihr Fall kurz darauf von der Oberstaatsanwaltschaft Ankara übernommen wurde, kann sie auch bereits wenig später nach Ankara überstellt worden sein.

Sandra Bakutz war als Mitglied einer internationalen Delegation in die Türkei geflogen, um als Beobachterin an einem Verfahren gegen linke Oppositionelle teilzunehmen. Sie wollte am 11. Februar einem Prozess gegen 64 in einer am 1. April 2004 gestarteten Massenverhaftungswelle inhaftierte Oppositionelle beiwohnen. Die Repressionswelle wird mit angeblich auf einer Diskette gefundenen Namen von AktivistInnen begründet, welche von AnwältInnen der Verhafteten als plumpe Fälschung bezeichnet wird. Der Prozess wurde mittlerweile auf 16. Mai vertagt. Rund 250 Angehörige, die sich am 11. Februar vor das Gerichtsgebäude begeben hatten, wurden von den Sicherheitskräften mit Schlagstöcken und Gasspray angegriffen. Es gab mehrere Festnahmen, wobei die Festgenommenen nach einer längeren Fahrt in den Polizeiwagen wieder freigelassen wurden. Sechs Personen wurden verletzt.

Über die konkreten Anschuldigungen gegen Sandra Bakutz und die Haftgründe kann derzeit im Wesentlichen nur spekuliert werden. Weder ihren AnwältInnen noch dem österreichischen Außenministerium liegen schriftliche Begründungen oder Anklageschriften vor. Nach inoffiziellen Aussagen gegenüber einem Anwalt stützt sich die Konstruktion einer Unterstützung der in der Türkei verbotenen DHKP/C (Revolutionäre Volksbefreiungspartei/Front) auf einen Artikel in der Tageszeitung Hürriyett und eine angebliche Teilnahme an einer - legalen - Demonstration in Brüssel, vermutlich im Jahr 2000. Damals war Sandra tatsächlich in Brüssel, hatte allerdings nachweislich an Gesprächen mit EU-Abgeordneten teilgenommen. Ein Haftbefehl soll bereits ohne ihr Wissen seit mehreren Jahren vorliegen. Der Verdacht liegt nahe, dass, wie so oft in der Türkei, eine kritische Journalistin als Terroristin denunziert, durch monatelanges Warten auf einen Prozess und eine Strafdrohung von zehn bis 15 Jahre Haft unter Druck gesetzt und so zum Schweigen gebracht werden soll.

Bislang hatte lediglich kurz nach ihrer Verhaftung der österreichische Konsul in Istanbul sowie während ihrer Haft in Gebze ein Anwalt Kontakt mit Sandra Bakutz. Laut deren Aussagen gehe es Sandra den Umständen entsprechend gut. Es gebe keine Anzeichen von Folterungen. Über den Anwalt gelangte auch ein Brief Sandras an die Öffentlichkeit.

Die Unterstützung durch das österreichische Außenministerium und die österreichischen Vertretungen in der Türkei bewertete die in Wien für Sandra tätige Anwältin als überraschend gut. Allerdings seien auch diesen die Hände gebunden, weil vonseiten der türkischen Behörden keine Informationen kommen.

Zuletzt hieß es, dass auch die Staatsanwaltschaft in Ankara bereits die Enthaftung Sandras beantragt habe. Dennoch blieb sie nach einer am 24. Februar stattgefundenen Haftprüfung weiter im Gefängnis.

aktuelle Informationen sowie Unterstützungsmöglichkeiten finden sich auf der Website von ORANGE 94.0: >> o94.at

Prozesstermin: 30. März

     

aus TATblatt Nr. +218, März 2005.

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