TATblatt


Frauenvolksbegehren:

"Alles was recht ist!"

Innerhalb nur eines Jahres ist es der ursprünglich sehr inhomogenen Gruppe "Unabhängiges Frauenforum" gelungen, einen Forderungskatalog zur Durchsetzung von Frauenrechten zu erarbeiten und diesen zu einem innenpolitischen Thema zu machen. Allein die Debatte über den Forderungskatalog hat österreichweit Wellen geschlagen; und nicht nur das: Der Versuch, konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der sozialen und politischen Situation von Frauen zu formulieren und durchzusetzen, wird auch in anderen Ländern - etwa in Italien und der BRD - mit großem Interesse beobachtet. In Italien wird bereits versucht, eine ähnliche Aktion zu starten. Diese Woche liegt das Frauenvolksbegehren in ganz Österreich zur Unterschrift auf.

(TATblatt)

Die Reduktion der mannigfaltigen Erscheinungsformen sozialer und politischer Benachteiligung von Frauen auf elf, als "umgehend umsetzbar" erscheinende Forderungen zu reduzieren, fiel den Aktivistinnen des UFF!, wie eine ihrer Sprecherinnen einräumt, nicht leicht. Der nun diese Woche in den Gemeinde- und Bezirksämtern aufliegende Text beschränkt sich letztlich auf Forderungen, die einerseits eine große Unterstützung erwarten lassen, zum anderen aber auch auf eine entscheidende Verbesserung der Situation von Frauen abzielen.

Zu den Forderungen im Einzelnen:

(der genaue Forderungskatalog findet sich am Schluß dieser Seite)

Einleitung: Staatsziel Gleichberechtigung in der Verfassung

Die Verankerung der Gleichheit von Frauen und Männern in der Bundesverfassung bedeutete einen qualitativen Sprung gegenüber der derzeit geltenden Rechtslage. Der im B-VG festgeschriebene Gleichheitsgrundsatz verpflichtet die Republik lediglich, alle BürgerInnen beim Vollzug der Gesetze gleich zu behandeln. Das Diskriminierungsverbot der Europäischen Menschenrechtskonvention verpflichtet ebenfalls nur Staaten, ohne der Einzelnen im Alltag rechtliche Mittel zur Bekämpfung von Diskriminierung zur Verfügung zu stellen. Die Festschreibung der Gleichberechtigung als sogenanntes "Staatsziel" hingegen würde die Republik dazu verpflichten, einen nicht bestehenden Zustand mit geeigneten Mitteln herzustellen. Die Republik wäre nicht mehr nur verpflichtet, geschlechtsspezifische Diskriminierung in ihrem eigenen Handlungsbereich abzustellen, sondern müßte auch dafür Sorge tragen, daß Frauen ganz allgemein, in der Wirtschaft und im Privatbereich, nicht diskriminiert werden.

Die Bedeutung der "Staatsziele" in der österreichischen Verfassung ist erheblich gesunken, seitdem u.a. auch die Beschränkung der Zahl der Taxilizenzen zu einem solchen erklärt wurde. Auch hatte die Erklärung des "umfassenden Umweltschutzes" zu einem Staatsziel im Jahr 1983 keine besondere Auswirkung auf die Politik der Regierung.

Allein die Tatsache, daß Letzteres bisher noch nicht juristisch eingefordert wurde, reicht aber nicht zur Annahme, daß eine Staatszielbestimmung für die Katz' ist. Sie bietet zumindest juristische Ansätze zur Durchsetzung weiterreichender Vorstellung und schafft einen gerichtlich durchsetzbaren Rechtsanspruch auf Gleichbehandlung in Österreich. Ein Gleichbehandlungsgebot könnte schließlich auch ein Vehikel zur Durchsetzung der Rechte anderer diskriminierter Gruppen darstellen (etwa bei der Frage der Bezahlung von Frauen ohne österreichische Staatsbürgerinnenschaft usw.).

ad 1. Förderungen, Öffentliche Aufträge

GegnerInnen des Volksbegehrens kritisieren diese Forderung mit Hinweis auf die Bauindustrie, in der so gut wie keine Frauen beschäftigt sind. Der Einwand ist ebenso billig wie dumm. Der Bauindustrie gegenüber stehen Bereiche wie die Lebensmittelindustrie oder die Textilindustrie, in der fast ausschließlich Frauen beschäftigt sind, deren Vorgesetzte, Betriebsräte etc jedoch Männer sind. Diesen Unternehmen muß ein effektiver "Anreiz" geboten werden, die Männerkumpanei zu beenden.

ad 2. Gleicher Lohn, Mindestlohn

Frauen verdienen im Durchschnitt um 39% weniger als Männer. Dies liegt ganz wesentlich in der gesellschaftlichen Bewertung der Arbeit begründet: Bereiche, in denen vor allem Frauen beschäftigt sind (FriseurInnen, Textilbranche,...), werden generell niedriger bewertet als sog. Männerberufe. Mehr als ein Drittel aller berufstätigen Frauen verdienen weniger als 15000 Öschis brutto. Ein "Schicksal", das sie nur mit 7% der berufstätigen Männer teilen. Ein gesetzlich festgesetzter (wertgesicherter) Mindestlohn würde die Lohndifferenz wohl kaum abschaffen, aber doch binnen kurzer Zeit deutlich reduzieren.

Die Forderung nach einem Mindestlohn hat bisher den meisten Widerspruch erregt. Vertreter der Wirtschaftskammer fragten öffentlich, wer das bezahlen solle und warnten vor drohenden Insolvenzen und Betriebsverlagerungen. Das ist Wasser auf die Mühlen der UFF!-AktivistInnen: Anschaulicher kann nicht mehr vorgeführt werden, daß Frauen in Niedriglohnbranchen nicht als Leistungsträgerinnen, sondern als Kostensenkungsfaktor angesehen werden. Studien in den USA haben im Übrigen belegt, daß niedrige Löhne in Niedriglohnbranchen nicht gottgewollt sind, sondern gemacht: So etwa produziert die Textilbranche pro Beschäftigter nicht weniger Profit als andere Bereiche. Die Löhne sind lediglich Ergebnis unterschiedlicher Einnahmensverteilung (d.h., daß die EigentümerInnen von Produktionen im Niedriglohnbereich höhere Gewinne pro Beschäftigter einstreifen als in anderen Bereichen). Die Drohung mit der Auslagerung von Produktionsstätten wiederum ist a la longe eher hohl: Gerade in den klassischen Niedriglohnbereichen (Lebensmittel, Dienstleistungen, und entgegen weitläufiger Ansicht auch Textil, ...) ist geringe Distanz zwischen Produktion und Handel Absatzvoraussetzung!

Erwähnenswert wäre dann noch der von gewerkschaftlicher Seite vorgebrachte Einwand, daß Mindestlöhne in das Kollektivvertragsrecht der Gewerkschaften eingreifen; in ein "Recht" also, daß über Jahrzehnte hinweg nicht dazu geführt hat, daß in den betroffenen Bereichen auch nur halbwegs erträgliche Löhne gezahlt werden. Nun gut, es sei zur Kenntnis zu nehmen....

ad 3. Teilzeitarbeit, Geringfügigkeit

Von etwa 150.000 in prekären Arbeitsverhältnissen Beschäftigten in Österreich sind 110.000 Frauen. Da für sie keine Sozialabgaben zu bezahlen sind, erwerben sie keine Ansprüche auf Sozialleistungen. Die Zahl der in ungesicherten Verhältnissen Beschäftigten ist stark im Wachsen begriffen. Es wächst damit auch die Zahl derer, die über keinerlei oder (wie im Fall vieler Teilzeitbeschäftigten) nur unzureichende soziale Absicherung verfügen. Auch in diesem Fall ist die Drohung mit Arbeitsplatzverlust geradezu lächerlich: Die Reinigung in Österreich ansässiger Betriebe kann nicht in Billiglohnländer ausgelagert werden.

ad 4. Notstandshilfe

Die Einbeziehung des PartnerInneneinkommens bei der Berechnung der Notstandshilfe bzw der Ausgleichszulage trifft fast ausschließlich Frauen und dient zu nichts anderem, als Abhängigkeiten zu schaffen bzw aufrecht zu erhalten.

ad 5. Förderungsmaßnahmen für Frauen

Das Vorurteil der angeblich geringeren Qualifikation von Frauen ist - nebst männlicher Allmachtsphantasien - Resultat des für Frauen durch Haushalt, Kindererziehung etc. eingeschränkten Zugangs zu Fortbildungseinrichtungen.

ad 6. Kindererziehung und Beruf

Das Fehlen geeigneter Betreuungseinrichtungen trifft Frauen gleich mehrfach. In der Praxis tragen sie zum einen die volle Last der Kinderbetreuung, gleichzeitig wird diese Last (zB seitens des AMS, aber auch der ArbeitgeberInnen) als Repressionsmittel gegen sie eingesetzt. Grundsätzlich betrifft Kindererziehung Männer wie Frauen und muß für beide mit Berufstätigkeit vereinbar sein können. Damit in Zusammenhang steht auch die Frage der Qualität von Kinderbetreuungseinrichtungen.

ad 7. Karenzgeld

Elternpaare haben die theoretische Möglichkeit, den Karenzurlab zu teilen und so insgesamt zwei Jahre zu Hause zu bleiben. Diese Möglichkeit ist AlleinerzieherInnen mangels PartnerIn verwehrt.

ad 9. Verlängerung der Behaltepflicht

Zur Zeit wird der überwiegende Teil der WiedereinsteigerInnen nach einer Karenzierung mit Ende der Behaltefrist gekündigt. In dieser Zeit können sie keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld erwerben. Die Verlängerung auf 26 Wochen garantiert zum einen das Arbeitslosengeld und bildet zum anderen einen "Anreiz", RückkehrerInnen doch zu beschäftigen. Schon allein die sechsmonatige Behaltefrist wird den Druck auf ArbeitgeberInnen, sinnvolle Arbeitsplätze für WiedereinsteigerInnen zu suchen/schaffen/erhalten, wesentlich erhöhen!

ad 10. Pensionen

Rund 20% der Frauen haben keine eigene Pension und sind daher im Alter nicht ausreichend abgesichert. Die Vorstellungen des UFF!-AktivistInnen gehen in Richtung Volkspension.

ad 11. Pensionsantrittsalter

Die Angleichung des Pensionseintrittsalters ergibt sich nach Ansicht des VfGH aus dem Gleichheitsgrundsatz. Dem gegenüber steht eine eklatante Ungleichheit zu Lasten von Frauen bezüglich Arbeitsleistung, Bezahlung usw.

Die Forderungen des Frauenvolksbegehrens stellen nicht nur auf politische Gleichstellung von Frauen ab, sondern enthalten auch eine sozialpolitische Dimension (etwa die garantierte Mindestpension, Behaltepflicht, Notstandshilfeberechnung,...) die auf eine grundsätzliche Änderung der herrschenden Rahmenbedingungen hinauslaufen. Sie stellen mit Sicherheit die weitestreichende und umfassendste Zusammenstellung sozialer und politischer Forderungen der letzten Jahre dar. Und darüberhinaus haben sie eine - zumindest theoretische - Chance auf Umsetzung.


Das Frauenvolksbegehren im Wortlaut

Die Unterzeichnerinnen des Frauenvolksbegehrens fordern den Beschluß folgender bundesgesetzlicher Maßnahmen: Die Gleichstellung von Mann und Frau ist im Bundes-Verfassungsgesetz zu verankern. Die Republik Österreich (Bund, Länder, Gemeinden) verpflichtet sich damit zum aktiven, umfassenden Abbau der Benachteiligung von Frauen. Die tatsächliche Gleichberechtigung ist insbesondere durch folgende gesetzliche Maßnahmen herzustellen:

1. Unternehmen erhalten Förderungen und öffentliche Aufträge nur, wenn sie dafür sorgen, daß Frauen auf allen hierarchischen Ebenen entsprechend ihrem Anteil an der Bevölkerung vertreten sind.

2. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit ist anzustreben. Deshalb ist ein Mindesteinkommen von 15.000 Schilling brutto, das jährlich dem Lebenskostenindex angepaßt wird, zu sichern.

3. Teilzeitarbeit und geringfügige Beschäftigung sind arbeits- und sozialrechtlich der vollen Erwerbstätigkeit gleichzustellen.

4. Keine Anrechnung des Partnerinneneinkommens bei Notstandshilfe und Ausgleichszulage.

5. Die Gleichstellung der Frauen muß auch durch staatliche Bildungsmaßnahmen gefördert werden. Die Bundesregierung hat geschlechtsspezifische Statistiken zu den Themen Beruf und Bildung zu erstellen und jährlich zu veröffentlichen.

6. Jeder Mensch hat das Recht, Beruf und Kinder zu vereinbaren. Daher hat der Gesetzgeber für die Bereitstellung ganztägiger, qualifizierter Betreuungseinrichtungen für Kinder aller Alterstufen zu sorgen. Tagesmütter sind auszubilden und arbeits- und sozialrechtlich abzusichern.

7. Zwei Jahre Karenzgeld für Alleinerzieherinnen.

8. Gesetzlich garantierter Anspruch auf Teilzeitarbeit für Eltern bis zum Schuleintritt ihres Kindes mit Rückkehrrecht zur Vollzeitarbeit.

9. Ausdehnung der Behaltefrist am Arbeitsplatz nach der Karenzzeit auf 26 Wochen.

10. Jeder Mensch hat das Recht auf eine Grundpension, die nicht unter dem Existenzminimum liegen darf. Wenn eine Lebenspartnerin nicht erwerbstätig ist, hat der/die andere dafür Pensionsbeiträge zu zahlen. Kindererziehung und Pflegearbeit wirken pensionserhöhend.

11. Keine weitere Anhebung des Pensionseintrittsalters für Frauen, bevor nicht tatsächliche Gleichberechtigung in allen Bereichen gegeben ist.

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aus: TATblatt Nr. plus 74 (7/97) vom 10. April 1997
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