TATblatt


Repression gegen "Revolutionsbräuhof":

Wie alles anfing

Seit bald zwei Jahren wird gegen den Revolutionsbräuhof - RBH - wegen "Teilnahme an einer Staatsfeindlichen Verbindung", "Aufruf zu Strafbaren Handlungen", "Herabwürdigung der Republik" und "Gründung einer kriminellen Vereinigung" ermittelt (Paragraphen 277 [75, 169], 282/1, 246/1, allenfalls 278, 278a). Erst vor kurzem haben die Beschuldigten Akteneinsicht nehmen können - und sind heute im Prinzip so schlau wie vorher.

(Gastbeitrag des Revolutionsbräuhofs)

Am 24. April 1995, mitten in der schönsten Ebergassing-Hysterie, sendet der FPÖ-Stadtrat Lothar Gintersdorfer eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft. Gintersdorfer ersucht um Überprüfung, ob die Plakate "Chefs Ende" und "Anarchie statt Österreich" das Strafgesetz verletzen. Diese beginnt zu ermitteln. Federführend ist dabei die Staatsanwältin Schuhmeister-Schmatral. Am 10. Mai 1995 erscheint in der "Neuen Kronen-Zeitung" ein Artikel gegen uns aus der Feder von Gerhard Walter, seines Zeichens Lokalredakteur. Ein angeblicher "Bestellbogen" für ebenso angebliche "Aufkleber" wird in dem Artikel abgedruckt: Diese sollen - o die "Kronen-Zeitung" - zu "Attentaten auf den Bundeskanzler aufrufen". Das Blöde ist bloß, daß diese Kleber außerhalb der "Kronen-Zeitung" bloß virtuell zu existieren scheinen - sonst sind sie nämlich nirgendwo gesehen worden. Nun wird auf Hochtouren ermittelt. "Generalien" von Verdächtigen erhoben, Infotische observiert, Plakatständer fotographiert.

Trotzdem wird das Büro für Staatschutz den Artikelverfasser Gerhard Walter erst Monate später, am 12. Jänner 1996, vernehmen: "Den Aufkleber und einige andere Druckwerke des Revolutionsbräuhofes [...] habe er im Mai 1995 [...] an der Uni Wien von [...] einem Beamten aus dem Sicherheitsapparat erhalten. Bezüglich der Identität seiner Informanten, machte er keine Angaben und berief sich dabei auf das Mediengesetz (Redaktionsgeheimnis)." (Aus dem Polizeibericht)

Dieser Gerhard Walter ist kein völlig unbeschriebenes Blatt. In der AUF-Zeitschrift, "Das Blaulicht", Ausgabe 1/95, schreibt er auf Seite 3 unter dem Titel "Respekt, Vertrauen und Geheimniskrämerei" über die Zusammenarbeit von "Kronen-Zeitung" und Exekutive: "Für uns und wohl auch für Sie ist Vertrauen die Grundlage jeglicher Zusammenarbeit. Und der steht, das möchten wir hier festhalten, eigentlich wenig im Wege. Niemand kann einen 'Krone'-Redakteur zwingen, seinen Gesprächspartner zu nennen. Das Redaktionsgeheimnis ist ein ehernes Gesetz. Fest steht: Wir haben noch nie jemanden verraten und dafür so manche rechtskräftige Verurteilung in Kauf genommen." Die AUF ist die FPÖ-Gewerkschaftsfraktion in der Polizei. Nebstbei: Walter verkehrt in FPÖ-Kreisen.

Blenden wir aber nochmals zurück. Jener Herbst '95 ist auch sonst ein politisch ereignisreicher. Es sind Nationalratswahlen ausgeschrieben. Die Fortsetzung der Großen Koalition gilt als ungewiß. Eine FPÖ-Regierungsbeteiligung ist in Reichweite. Der RBH schätzt dies als bedrohlich ein und meint, "eine schwarz-blaue Koalition wäre kein bloßer Kanzlerwechsel, sondern möglicherweise die Vorstufe zu einem autoritären Regime". Folgerichtig rufen wir - für AnarchistInnen vielleicht ungewöhnlich, aber angesichts der Situation durchaus naheliegend - zur Wahl von SPÖ, der Grünen und des Liberalen Forums auf.

Nun kocht die Volksseele. Artikel in "Presse" und "Kurier" folgen, die in offenen Verbotsforderungen gipfeln. Und auch unser Freund Gintersdorfer läßt sich nicht lumpen. So schreibt er in einer Presseaussendung am 17. November 1995: "Dieser Wahlaufruf des linksextremistischen Revolutionsbräuhofes, [...], geschieht aber auch aus wohlverstandenen Eigeninteresse. Denn nur eine Stärkung der Linken und damit ein Weiterverbleib des befreundeten und mit ihnen sympathisierenden Innenminister Einem kann garantieren, daß sie staatlicherseits unbehelligt bleiben."

Die Drohung sitzt.

Erstens kommt es anders. Zweitens als man denkt.

Zunächst gewinnt die SPÖ die Wahlen mit Bomben und Granaten.

Dann aber nimmt die fragwürdige Gerechtigkeit ihren Lauf: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Am 28. November 1995 erläßt Untersuchungsrichterin Christiana Moser zwei Hausdurchsuchungsbefehle, am 28. Dezember 1995 Richterin Dr. Birgit Kail zwei weitere. Erst am 23. Jänner 1996, nach den Wahlen, werden alle vier vollzogen.

Frühmorgens um 6.00 Uhr werden die Anarchistische Buchhandlung in der Hahngasse, weiters ein ehemaliges Parteibüro von uns, sowie zwei Privatwohnungen durchsucht.

Beschlagnahmt werden drei EDV-Anlagen, 343 Disketten und Berge von schriftlichen Unterlagen. Für den 23. Februar 1996 werden 17 Personen zum Büro für Staatschutz auf richterlichen Auftrag vorgeladen.

Wir wehren uns. Politisch. Presseaussendung, Flugblätter, am 23. Februar 1996 findet vor der Bundespolizeidirektion während der Verhöre eine kleine Kundgebung und zeitgleich im Café Landtmann eine Pressekonferenz statt. Alle Vorgeladenen verweigern die Aussage.

"Die im hs. Amte durchgeführten Niederschriften mit den beteiligten Personen erbrachten keine Ergebnisse", wird ein Bericht des Büros für Staatsschutz am 9. 5. 1996 lapidar vermerken.

Wohl deswegen folgt am 7. 3. 1996 eine zweite Welle Hausdurchsuchungen. 19 Privatwohnungen von angeblich beim RBH Aktiven werden durchsucht. Wieder werden einige Computer, jede Menge Datenträger und Unmengen schriftlicher Unterlagen beschlagnahmt.

Nicht bloß Flugblätter, Zeitungen und Plakate, auch eine Musik-CD mit dem verdächtigen Titel "anarchy" muß dran glauben. Ebenfalls kassiert wird das Handbuch des Rechtsextremismus, eine handgeschriebene Collage mit Texten von Brecht und selbstfreilich das gefährlichste Buch von allen: Das Strafgesetzbuch.

Danach geht es an die Auswertung. Die dauert. Und kostet. S 142.936,-- allein die Dekodierung zweier Rechner. Erst im Juni 1996 wird das Gros der beschlagnahmten EDV Stück für Stück zurückgegeben, nicht aber das sonstige Zeug. Das dunstet bis heute in der Aservatenkammer.

Am 15. März 1996 wird uns erstmals eingeschränkte Akteneinsicht gewährt und zwar eingeschränkt mit der eindrucksvoll rechtsstaatlichen Begründung, daß "die sofortige Kenntnis des gesamten Akteninhaltes, d.h. sämtlicher Erhebungsergebnisse den Zweck der Erhebungen gefährden würde, da aufgrund der Vielzahl der Beteiligten die Erhebungen noch im Gange sind".

Heißt das, daß WIR nicht wissen dürfen, warum gegen uns ermittelt wird, weil SIE noch nicht wissen, was sie uns anhängen sollen?

Unser Anwalt erhält also die Durchsuchungsbefehle und Beschlagnahmeprotokolle, die bereits während der Durchsuchungen hergeben wurden. Und sonst nichts.

Wir legen Beschwerde ein. Am 24. Juli 1996 gibt die Ratskammer am Landesgericht Wien unserer Beschwerde statt und stellt ausdrücklich fest: "Nach Durchsicht des Aktes ist nicht erkennbar, daß besondere Umstände vorliegen, die eine Ausnahme einzelner Aktenstücke zur Einsichtnahme rechtfertigen [...]".

Die Monate gehen ins Land. In der Strafsache tut sich nicht viel, außer daß die Aktenkopie nicht und nicht rausgerückt wird. "Der Akt ist nicht da/in der Kopierstelle/beim Staatsanwalt/es hat ihn nie gegeben" - und unter allergrößter Überwindung: "Ich weiß von nichts".

Im Dezember 1996 erhalten wir endlich einige tausend Seiten, die sich das Gericht kostenfreundlicherweise mit S 6000,-- entgelten läßt - und sind noch ratloser als vorher.

Deswegen das alles? Deswegen 23 Hausdurchsuchungen? Deswegen Beschlagnahmen, Verhöre, Ermittlungen?, Ermittlungen, die mittlerweile Unsummen verschlungen haben müssen?

Was bleibt? Unterm Strich wohl nichts, jedenfalls nach der Aktenlage, so weit wir sie zur Verfügung haben. Das Verfahren muß wohl trotzdem weitergehen. Jedenfalls ist es bis heute nicht eingestellt. Wie es weitergeht?

Das wird wohl sehr von der politischen Konjunktur abhängen. Jedenfalls scheint es uns hier nicht verkehrt, von einem rechts-rechtem Netzwerk zu sprechen. Von einem eigenartigen Zusammenspiel, wo ein Rädchen wie geschmiert ins andere greift. Wo wir auf merkwürdige Art wohl zu Bauernopfern für die rechts-rechte Machtübernahme geworden sind.

Und wenn man bedenkt, was mit so absurden Anschuldigungen schon an Repression auf offenbar völlig rechtsstaatliche Weise möglich war, kann man sich wohl auf noch einiges gefaßt machen.

Wir sehen zu schwarz? Mitnichten. Wir sehen es relativ realistisch.

Es muß nicht so kommen? Natürlich nicht. Wenn es gelingt, das politische Klima radikal zu kippen. Die rechte Offensive zu stoppen. Und das sollte auch im Interesse vieler sein, die keine AnarchistInnen sind.

Revolutionsbräuhof (RBH)


aus: TATblatt Nr. plus 74 (7/97) vom 10. April 1997
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