TATblatt


Kill a Multi

Neues vom Kampf der Guten gegen die bösen Mächte

Die Multis haben es nicht leicht. In den Ländern, in denen sie gerne expandieren würden, ist ihr Personal aus Angst vor Racheakten der Betroffenen häufig nicht mehr bereit, auf die Arbeitsstelle zu gehen. In den Herkunftsländern ihrer Kapitaleinlagen umlagern Umwelt- und MenschenrechtsaktivistInnen ihre Generalversammlungen, Firmensitze, Tankstellen und Läden und bringen KonsumentInnen und AktionärInnen auf dumme Gedanken. Gerade die bekanntesten und weltweit mächtigsten der Multis, wie Shell oder BP, reagieren zunehmend panisch auf den Widerstand der kleinen Stiche.

IPS, Financial Times, u.a.; TATblatt

"US-amerikanische Ölfirmen haben lange Zeit den Faktor der unstabilen fremden Regierungen einbeziehen müssen, wenn es große Investitionen von Kapital und Ausrüstung betraf. Aber nun finden sie heraus, daß der neue Fokus der Risiken die Politik zuhause ist", schreibt die International Herald Tribune, einer der führenden weltweiten Propagandaorgane des Großkapitals. Sie bezieht sich damit in erster Linie auf den Multi Unocal, der Anlaß für die US-BürgerInnenrechtsbewegung war, Sanktionen gegen Burma zu fordern und auch durchzusetzen. US-Firman dürfen seit Ende Mai keine Neuinvestitionen in Burma tätigen, und zahlreiche Städte (New York, San Francisco u.a.) und der Bundesstaat Massachusetts haben Gesetze erlassen, die überhaupt Firmen von öffentlichen Aufträgen ausschließen, die mit Burma Geschäfte machen. Eines der bekanntesten Opfer dieser Bestimmungen ist Mitsubishi.

Die IHT geht davon aus, daß das, was Unocal passiert ist, auch weiteren Ölkonzernen passieren wird, und daß die wahlscheinlichsten potentiellen Ziele Investitionen in Nigeria und Indonesien sind. Was da noch kommt, davon können die Niederlassungen von Multis in Großbritannien ein Lied singen.

Ende Mai fand die Jahreshauptversammlung Shell Transport and Trading, der britischen Shell, statt, und das unter größtem Trubel. Zahlreiche Gruppen, wie Friends of the Earth oder amnesty international, hatten von Shell gefordert, ein unabhängiges Überwachungsorgan über die Umwelt- und Menschenrechtspolitik des Konzerns bei der Generalversammlung zu beschließen. Shell hatte diese Resolution natürlich als "nicht notwendig" abgelehnt. Trotzdem veröffentlichte der Konzern schon vor der Hauptversammlung einen Bericht über die Firmenpolitik, der von drei der wichtigsten Gegner - nämlich Project Underground (USA), Rainforest Action Network (USA) und Oilwatch, dem Zusammenschluß von hunderten Gruppen von Ölmutis Betroffener, aus Ecuador - verfaßt worden war und der auf dem Titelbild ein blutbespritztes Shell-Logo zeigte. Britischen AktivistInnen gelang es dann auch bei der Hauptversammlung, daß zehn Prozent des Aktienkapitals für ein solches unabhängiges Organ stimmten. Vor dem Gebäude, in dem die Hauptversammlung stattfand, demonstrierten medienwirksam zahlreiche Leute. Draußen wie drinnen wurden des langen und breiten die Neuigkeiten über Shell in Nigeria, das neue 5000 qkm große Bohrgebiet in Peru, sowie generell die Umwelt- und Klimapolitik der Firma diskutiert. Angegriffen wurde etwa die Mitgliedschaft von Shell in der US-Lobbyvereinigung "Global Climate Coalition", die in den USA generell Maßnahmen gegen Treibhauseffekt und Klimakollaps abzuwehren versucht. An dieser Stelle tat sich für das Shell-Management eine neue Front auf, als ein wichtiger Investor, die größte Lebensversicherungsgesellschaft Großbritanniens, Prudential, die zuvor die Einrichtung eines Überwachungsorgans abgelehnt hatte, die Mitgliedschaft in der Lobbyvereinigung kritisierte. Prudential gab als Grund dafür an, daß die globale Erwärmung eine zunehmende Gefahr für ihre Geschäfte ist.

Britische Finanzexperten sind sich mittlerweile einig, daß die Erfahrungen von Shell mit Nigeria und der Brent Spar traumatisch waren. Das Ansehen ist mittlerweile derart angekratzt, daß auch der kommerzielle Erfolg darunter leidet.

Bisher relativ glimpflich weggekommen ist der Ölmulti Conoco, der die Jet-Tankstellen (auch in Österreich) betreibt. Doch Anfang Juni besetzten Greenpeace-AktivistInnen die Zentrale in London und blockierten den Haupteingang. Conoco soll der erste Konzern sein, der nördlich der Shetlands (in Schottland) in einem neuen Ölfeld im Atlantik Ölplattformen errichten will. Greenpeace verwies anläßlich der Besetzung u.a. darauf, daß Ölexploration dort selbst von Shell öffentlich abgelehnt werden. Etwa zur selben Zeit blockierten wütende Fischer den Hafen von Sullom Voe auf den Shetlands, der nur von BP benutzt wird, weil BP die zugesagten Entschädigungszahlungen für einen Ölunfall nicht bezahlt.

Greenpeace International hat deklariert, daß sie weltweit jede neue Ölexploration stoppen wollen. Dazu wird GP International für alle nationalen Greenpeace-Gruppen, die Aktionen gegen Plattformen im Meer durchführen wollen, Schiffe bereitstellen.

An Land geht der Kampf gegen die Ölmultis mit unerschiedlichen Mitteln weiter. In Venezuela fördert BP im Orinoco-Delta, in dem seltene Tierarten wie Flußdelphine vorkommen. Nun ist ein zweites Fördergebiet in der Region probeweise in Betrieb, das von der staatlichen Petroleos de Venezuela gemeinsam mit BP, Conoco, Enron, Amoco und Louisiana Land betrieben wird. Die indigenen Warao-IndinanerInnen wurden von BP und Konsorten wieder einmal kräftig übers Ohr gehauen. Zahlungen von BP an die anliegende Stadt Pedernales sind im Sumpf der Korruption versickert, Prostitution, Vergewaltigungen, Alkoholismus und Geschlechtskrankheiten machen sich wie in allen diesen Fällen breit. Doch der lokale Widerstand wächst, und auch der Abgeordnete der Region im nationalen Parlament tritt öffentlich gegen die Praktiken der Multis auf.

Daß es damit oft nicht reicht, beweist Kolumbien. In den Ölfeldern von Cupiagua und Cusiana befinden sich die weltweit möglicherweise größten Ölfelder, auf die westliche Konzerne Zugriff haben, mit einem Gesamtwert von 36,8 Milliarden US$ (etwa 400 Milliarden Schilling). Die Ölmultis - BP, Total, Triton und die staatliche Ecopetrol - zahlen an die kolumbianische Armee regelmäßig eine Abgabe zur Fortführung des Krieges gegen die Bevölkerung und die Guerilla, wobei sich BP sogar eine eigene Einheit der kolumbianischen Armee leistet. Schon 1985 erklärte die Guerillagruppe ELN die Ölfelder zu "militärischen Zielen". Ecopetrol meldete 1996 60 Sprengstoffanschläge auf Ölpipelines. Die Nationale Planungsbehörde DNP berichtet von 229 Angriffen auf die Ölinfrastruktur zwischen 1990 und 1994, die 815 Millionen US$ kosteten und zu 60% von Ecopetrol getragen wurden. Die Zahlungen der Multis an die Armee zur Weiterführung des Krieges gegen die Guerilla werden zwar nicht veröffentlicht, aber einer der ausländischen Multis gab an, im Monat 8 Millionen US$ dafür auszugeben. Trotz dieser enormen Investitionen von Konzernen in Armee und Todesschwadronen hat BP im April die Erschließungsarbeiten für das Piedemonte-Gasfeld aufgeben müssen.

In Europa gerät BP seit den Enthüllungen über die Privatarmee in Kolumbien auch bezüglich anderer Punkte ins Kreuzfeuer der Kritik. Vorsorglich hat sich BP aber, anders als Shell, sofort aus der Lobbyistengruppe Global Climate Coalition zurückgezogen, als dies bekannt wurde.

Eine Gruppe hat jedoch schon mehr als eindeutig Stellung bezogen, wen sie unterstützt. Die Europäische Kommission hat am 23. Juni eine Beschwerde gegen das Gesetz des US-Bundesstaates Massachusetts vor der Welthandelsorganisation WTO eingebracht, weil die armen europäischen Konzerne, die wie Siemens auch in Burma Geschäfte machen, von Aufträgen in Massachusetts ausgeschlossen werden. Die EU meint "wiewohl sie über die Menschenrechte in Burma besorgt ist, dürfen solche Gesetze nicht auf Nicht-US-Gruppen ausgedehnt werden, und sie können demokratische Reformen behindern". Die Beschwerde wurde vom Handelsbeauftragten der EU, Sir Leon Brittan, eingereicht, der aus Großbritannien kommt, jenem Land, das nicht nur Hawk-Kampfbomber nach Indonesien zur Aufstandsbekämpfung in Osttimor, sowie Wasserwerfer für Demos in Jakarta, sondern auch komplette Folterkammern in arabische Länder exportiert. Die Handelsbeauftragte der USA, Charlene Barshefsky, wies das Ansinnen der EU zurück.


aus: TATblatt Nr. plus 80/81 (13/14/97) vom 10. Juli 1997
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