TATblatt


Gegen den Burschenschafter-Kommers

Zerschlagt alle Männerbünde

Samstag, 16.5. 18.30: Die Demonstration gegen den Kommers setzt sich mit ca. 500 TeilnehmerInnen in Bewegung. Das Leittransparent verkündet die Botschaft: "Zerschlagt alle Männerbünde!" Ein massives Polizeiaufgebot setzt auf totale Überwachung. Vor dem Burgtor wartet ein Großaufgebot mit technischen Hilfsmitteln aller Art. In der Hofburg tummeln sich Burschenschafter mit Damenbegleitung. Es kommt zu keinen direkten Konfrontationen zwischen Burschenschaftern und AntifaschistInnen - das Konzept heißt: Deeskalation.

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Die eintreffenden DemonstrantInnen wurden vor der Universität Wien durch ein großes Polizeiaufgebot begrüßt. Vor dem U-Bahnabgang war eine Sperrkette aufgezogen, die meisten DemonstrantInnen wurden dort von den BeamtInnen nach Waffen durchsucht. Die BeamtInnen baten höflichst um Einsicht in Jackentaschen und mitgebrachte Rucksäcke. Einige wenige Antifas protestierten dagegen und wurden daraufhin etwas härter angefaßt. Personen, die aus einer anderen Richtung zur Universität kamen, entkamen meist den Durchsuchungen. Es spazierten jedoch immer wieder PolizistInnen durch die Kundgebung und beschlagnahmten Getränkedosen und Flaschen.

Gegen 18.30 setzte sich die Demonstration über die Ringstraße Richtung Hofburg in Bewegung. Um die Demonstration kreisten nicht nur uniformierte PolizistInnen, sondern auch eine größere Zahl von mehr oder weniger unauffälligen ZivilbeamtInnen. Auf dem Weg zum Burgtor zeigte sich bereits, daß die Polizei die Hofburg weiträumig abgesperrt hatte. Alle Zugänge zum angrenzenden Volksgarten waren abgesperrt. Der Zugang zur Hofburg wurde beim Burgtor mit Sperrgitter abgesperrt. Dahinter hatte eine Reihe von BeamtInnen Stellung bezogen. Hinter der Sperrkette hatte ein Überwachungswagen Stellung bezogen. Auf dem Dach des Kleinbusses war eine Kamera auf einer etwa drei Meter hohen, drehbaren Säule befestigt. Auf dem Dach des Wagens war weiters ein Richtmikrofon befestigt. Innerhalb des Burgtors waren einige Reserveeinheiten der Polizei stationiert, sowie die beiden Wasserwerfer. Auf der anderen Seite der Ringstraße hatten ebenfalls zwei Reihen von BeamtInnen mit Kampfausrüstung Stellung bezogen.

Gegen 19.00 kam die Demonstration zum Burgtor. Unter den PolizistInnen und den zahlreich anwesenden JournalistInnen kam kurz Nervosität auf, als die Demonstration von der Ringstraße Richtung Burgtor einschwenkte. In dieser Situation war die eintreffende Demonstration vollständig eingekesselt. Drei Meter vor der Polizeikette blieb die Demonstration stehen, das Spektakel begann. Innerhalb von wenigen Minuten entspannte sich die Einsatzleitung der Polizei und zog einen großen Teil der BeamtInnen aus der unmittelbaren Umgebung der Kundgebung wieder ab.

Das Spektakel selbst war eine eher lasche Veranstaltung. Es kam kaum Stimmung auf, der Sound war viel zu leise, um von einer Techno-Party reden zu können, lediglich einige PolizistInnen zogen sich aufgrund der direkten Beschallung etwas zurück. Die Burschenschafter in der Hofburg sind wohl kaum gestört worden.

So wurde das Spektakel etwas früher als geplant abgebrochen. Es hatten schon etliche Leute die Kundgebung verlassen. Ca. 500 machten sich auf den Weg zu den Burschenschafterbuden. Nach einem längerem Spaziergang ging die Demonstration an der ersten Burschenschafterbude vorbei, ohne diese wirklich zu registrieren. Die Rechtsextremen warteten vergeblich in ihrem Heim. Vor der Bude der Teutonia kam es zu einer kurzen Zwischenkundgebung, bei der zwei Leuchtraketen in Richtung des Burschenschafterhauses abgeschossen wurden. Für einige Minuten kam etwas Stimmung auf.

Am geplanten Endpunkt der Demonstration hatte die Polizei alle Straßen abgesperrt. Es kam zu einer kurzen Beratung und nach Absprache mit dem behördlichen Einsatzleiter wurde die Demonstration aufgelöst. Die VeranstalterInnen riefen die DemonstrationsteilnehmerInnen noch zum gemeinsamen Abgang in Richtung der nächsten U-Bahnstation auf. In dieser Situation setzten einige DemonstrantInnen auf eine seltsam absurde Weise Eigeninitiative. Sie riefen die DemonstrationsteilnehmerInnen zu einer Sitzblockade auf und nach und nach beteiligten sich immer mehr DemonstrantInnen daran. Am Endpunkt der insgesamt vierstündigen Protestaktionen zeigte sich erstmals eine Art von subversivem Agieren, auch wenn der Ort dieser Sitzblockade völlig absurd gewählt war und keine Person wußte, warum sie eigentlich stattfand. Nach einigen Minuten setzte sich dann doch der Demonstrationszug Richtung U-Bahnstation Lerchenfelderstraße in Bewegung, begleitet von einigen PolizistInnen. Die vorherige Sitzblockade hatte die DemonstrantInnen irgendwie aufgeweckt und alle möglichen Personen und Gruppen gaben per Mundpropaganda neue Ziele für die Demonstration aus. Einige wollten zum Gürtel marschieren, andere noch einmal bei der Hofburg vorbeischauen. Bei der U-Bahnstation blockierte jedoch eine Polizeikette den Weitermarsch und so wurde die Demonstration doch noch planmäßig aufgelöst. Die DemonstrantInnen gingen in kleinen Gruppen ab. Es kam zu keinen weiteren Zwischenfällen.

siehe auch:
"Einige Überlegungen zu den Anti-Kommers-Aktivitäten"
und in früheren TATblättern:
"Wider das gegenrevolutionäre Übel" in TATblatt +94
"Einige Überlegungen zu den Anti-Kommers-Aktivitäten" in TATblatt +96

aus: TATblatt Nr. +98 (10/98) vom 22. Mai 1998
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