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VA Tech: Weltweite Schwierigkeiten

Die Kraftwerksbaufirma VA Tech gerät international immer mehr in Schwierigkeiten. Zahlreiche Industrieländer, auf deren Mittäterschaft die skrupellosen ManagerInnen der VA Tech bisher bauen konnten, sind am Sprung, ihre bisherige Außenhandelsförderungspolitik einer grundsätzlichen Revision zu unterziehen. Gleichzeitig wird auf Baustellen gestreikt und demonstriert. Die prekärste Lage herrscht in der Türkei, dem Hauptexportland der VA Tech, wo der Markt einbricht.

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Als eine von vielen Aktionen fand im Februar eine Radfahrt japanischer UmweltaktivistInnen zur Baustelle des San Roque Dammes auf den Philippinen statt. Die AktivistInnen protestierten damit gegen die Teilfinanzierung des Dammes durch die japanische Regierung. Doch wo Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung sind, da ist auch die VA Tech. Das Gebiet auf der Insel Luzon ist seit Jahrzehnten Einsatzort von Armee und Todesschwadronen, die den Widerstand gegen zahlreiche Staudammprojekte brechen sollen. Tausende Familien würden durch den Damm aus ihrem Gebiet vertrieben. Am 16. März fand daher, wie schon so oft, eine Demonstration der Betroffenen statt. Obwohl der Damm größtenteils fertiggestellt ist, gab es diesmal jedoch auch etwas zu feiern. Die japanischen Finanziers verkündeten kurz zuvor, daß sie "wegen der Proteste" das zu diesem Staudamm gehörende Bewässerungsprojekt nicht finanzieren werden. Philippinische Zeitungen stellten daher fest, daß die Kampagne gegen den San Roque Damm, die auch international getragen wird, stark an Schwung gewonnen hat. Den Errichtern könnte kurz vor Fertigstellung des Dammes das Geld ausgehen und der Bau eine Investitionsruine werden. Philippinische Organisationen haben als Schluß der Kampagne zum Ziel, den San Roque Damm trotz Fertigstellung nie in Betrieb gehen zu lassen. Als Vorbild dient dabei das AKW Bataan, das ebenfalls nie in Betrieb ging.

Doch noch ist es nicht so weit. Auf der Baustelle geht es brutal zu. Am 12. März traten 1.000 der insgesamt 4.000 BauarbeiterInnen in Streik, weil alle beteiligten Subunternehmen die Gewerkschaften bedrohen und die Arbeiter unfair behandeln. Arbeiter sind etwa gezwungen, während der Pausen unbezahlt zu arbeiten. Für die VA Tech sind solche Zustände nichts Neues und auch kein Grund zur Abschreckung. Ende der 70er Jahre baute die VA Tech (damals Vöest und Elin) das Kraftwerk Agus I, wo auf der Baustelle Arbeiter von Killerkommandos hinter eine Mauer gezerrt und erschossen wurden. Trotzdem zogen sich Vöest/Elin erst zurück, als zwei Elin-Angestellte auf dem Weg zur Baustelle von MNLF-Guerilleros erschossen wurden.

Türkei-Debakel

In der Türkei zeichnet sich für die VA Tech der Zusammenbruch ihres wichtigsten Marktes ab. Nach dem Scheitern des Ilisu-Dammes ist nun auch der Yusufeli-Damm schwer gefährdet. Das Milliardenprojekt Yusufeli soll am Coruh-Fluß nahe Georgien errichtet werden. Waren bei Ilisu (siehe >>Tb +178 und >>Tb+183)KurdInnen von ethnischer Säuberung bedroht, so sind es bei Yusufeli 30.000 GeorgierInnen. Ansonsten sind die ökologischen und sozialen Katastrophen ähnlich.

Aus diesem Grund haben britische Umweltorganisationen, die erfolgreich die Beteiligung britischer Firmen an Ilisu verhinderten, Yusufeli zum nächsten Kampagnenziel auserkoren. Doch schon an dem Tag, an dem Friends of the Earth den offiziellen Beginn der Kampagne mit einer Demo vor den Werkstoren der Firma Amec angekündigt hatte, erklärten Amec und kurz darauf eine zweite potentiell beteiligte britische Firma öffentlich, das Projekt nicht weiter zu verfolgen. Dadurch wird es auch keine britische Finanzierung des Projekts geben.

Als Folge dieser Entscheidung brach in der türkischen Regierung Panik aus. Über türkische Zeitungen verbreiteten Offizielle, daß es nunmehriges Ziel sei, das durch den britischen Ausfall entstandene Finanzierungsloch durch eine verstärkte Beteiligung anderer potentieller Lieferanten zu füllen. Insbesondere denke die Türkei dabei an Frankreich; es werde Kontaktaufnahmen mit allen geben.

Es besteht gar kein Zweifel, daß darunter auch wieder die VA Tech sein wird. Am Coruh-Fluß sind derzeit zwei Kraftwerke in Bau, Borcka und Muratli. Diese beiden Kraftwerke sind Teil des Gesamtprojekts am Coruh, wobei der Yusufeli-Damm der wichtigste ist. Borcka und Muratli werden ausschließlich von türkischen und österreichischen Firmen gebaut. Es sind dies die VA Tech, Voith, die Verbundplan (eine Firma des Stromkonzerns Verbund) und die Baufirma Strabag (eine Firma der Bauholding von Hans Peter Haselsteiner). Die Finanzierung erfolgt durch internationale Banken, von österreichischer Seite sind es die Erste, und die Raiffeisen Zentralbank (RZB), die staatlichen Exportgarantien stellt die Kontrollbank.

Der Vorwurf der ethnischen Reinigung des Gebietes und der ökologischen Zerstörung trifft für alle Projekte am Coruh zu, da das gesamte Flußtal durch die Kraftwerkskette zugestaut werden soll. In dem Flußtal leben nur GeorgierInnen, ökologisch ist es äußerst wertvoll mit Beständen an Luchsen, Bären, Wölfen und mindestens 160 endemischen (nur dort vorkommenden) Pflanzenarten.

Dubiose Verhältnisse

Ebenfalls in der Türkei liegt die Baustelle des Berke-Dammes, und auch hier baut für 10 Mio. US$ seit der Auftragsvergabe 1993 die VA Tech. Der Berke-Damm ist selbst für türkische Verhältnisse ein Kapitel für sich. Ende März ist laut den Turkish Daily News geplant, das Kraftwerk zu eröffnen. Bei der Eröffnungsfeier werden sich Angehörige der Familie Uzan einfinden, die in der Türkei wegen der dubiosen Verbindungen zwischen ihrem familieneigenen Mobiltelefonunternehmen Telsim und dem Telekommunikationsmulti Motorola in die Schlagzeilen geraten sind. Bei zwei Holdinggesellschaften der Uzans fanden im Jahr 2000 Hausdurchsuchungen statt. Durch Manipulationen waren AktionärInnen betrogen worden. Außerdem hatte der familieneigene Fernsehsender Star gegen die Konkurrenzfirma Ericsson agitiert, indem Ericsson Unterstützung für kurdischen Separatismus bzw. die PKK nachgesagt wurde. Weitere Geschäftskonkurrenten der Familie Uzan beklagten öffentlich, daß sie bedroht wurden.

In türkischen Medien wird vorsichtig formuliert, daß es die Geschäfte dieser Familie und der Skandal um Telsim seien, warum ausländische Investoren ihr Vertrauen in türkische GeschäftspartnerInnen verloren haben. Die Uzan-Familie, die aus familieneigenem Vermögen in den Bau investiert hat und Inhaber der Elektrizitätsgesellschaft Cukurova (dem Errichter von Berke) sind, wird Berke offiziell eröffnen und verteilt derzeit Einladungen an PolitikerInnen. Mit Spannung wird erwartet, wer eine Einladung erhält und wer zur Eröffnungsfeier auch tatsächlich kommen wird. Das wird ein wichtiger Indikator sein, inwieweit die Machenschaften der Uzans von oben gedeckt sind. Immerhin kritisieren auch türkische Wirtschaftsmedien, daß Cukurova Elektrik durch eine lange Phase der Obstruktionspolitik verhindert hat, daß andere Errichtungsgesellschaften Kraftwerke in der Region bauen konnten.

Bezüglich der Errichtungskosten rätseln auch InsiderInnen, was bei Fertigstellung herauskommen wird. Daß es massive Kostenüberschreitungen gibt, ist erwiesen. Ursprünglich hätte Berke 1996 fertiggestellt werden sollen. Seitdem gab es einige Firmenwechsel bei den ausländischen Auftragnehmern mit jeweils weiteren Kostenerhöhungen.

Da fällt es letztlich für VA Tech und Konsorten auch nicht mehr ins Gewicht, daß der Berke Damm in einer tektonisch äußerst instabilen Gegend liegt und daß auch türkische geologische Untersuchungen eine Zunahme der Probleme mit Erdbeben erwarten.

Es ist nicht das erste Projekt der VA Tech, bei dem solche Bedingungen herrschen, und es wird nicht das letzte sein, bei dem die Kontrollbank und damit die Republik Österreich das Risiko für die dubiosen Auftragsbedingungen übernehmen.

Abschied von den Exportgarantien?

In einigen Ländern ist bereits eine Umorientierung der Außenwirtschaftspolitik in Sicht, die in mehreren Richtungen geht. Zum einen bröckelt der öffentliche Konsens in jenen Ländern, in denen es starke Widerstandsgruppen gibt, auch in der Bevölkerung rasch ab. Insbesondere Großbritannien ist hier zu nennen, aber auch Schweden oder Italien. Die schwedische Regierung hat über das Außenministerium eine Stellungnahme veröffentlicht, aus der ein Abgehen von der bisherigen Exportförderung als Teil einer angeblichen Entwicklungspolitik abzulesen ist. In dieselbe Kerbe schlagen auch die bisher unverbindlichen, aber doch durchgeführten Umwelt- und Sozialverträglichkeitsprüfungen für Exportkredite in einigen Ländern.

Aus den USA kommt eine andere, doch nicht minder das bisherige System gefährdende Linie. Dort ist es auf Druck der Abgeordnetenhäuser ohnehin schon seit Jahren Pflicht, daß ein exportgefördertes Projekt noch vor der Entscheidung und daß die Stimmabgabe des US-Repräsentanten in multilateralen Entwicklungsbanken (Weltbank, ADB, AfDB usw.) veröffentlicht werden muß. Nun hat die US-Regierung vor kurzem die Forderung platziert, daß die Weltbank in raschen Schritten vom Prinzip der Förderung von Entwicklung durch Kredite auf das Prinzip nicht rückzahlbarer Zuschüsse übergehen soll, was von der EU wütend abgelehnt wurde. Schließlich werken die meisten EU-Länder noch immer mit dem Modell der geheimen Kreditvergaben in Kofinanzierung von Entwicklungsbanken mit Exportkrediten, während die USA dadurch einen Wettbewerbsnachteil haben. Es ist jedoch abzusehen, daß das bisherige Modell in absehbarer Zeit einen grundlegenden Wandel durchmachen wird, und der wird über die reformunfähige Betonbürokratie Österreichs wie ein Sturm hereinbrechen. Schließlich ist Österreich bezüglich Informationsübermittlung absolutes Schlußlicht.

Prekäre Finanzen

In ihrem erst vor kurzem erschienenen Geschäftsbericht für 2001 zeigt sich die rasch fortschreitende Krise der VA Tech überdeutlich. Das Anlagevermögen ging um zehn Prozent zurück, was heißt, daß verkauft wurde um die Zahlungsfähigkeit zu verbessern. Die Verbindlichkeiten an Banken stiegen um 37% auf 888 Mio. Euro. Gleichzeitig wurden massiv Rückstellungen aufgelöst. Schließlich und endlich wurde die Seite der Aktiva nur durch eine Steigerung der Beteiligungen verbessert. Kurz gesagt: Die Banken pumpen zusätzliches Geld in die VA Tech, obwohl dort in unglaublichem Ausmaß Reserven locker gemacht werden. Im Geschäftsbericht heißt die derzeitige Strategie "generelle Cashfokussierung".

Gehalten wird die Bilanz durch eine Steigerung der Aufträge (im Volumen, nicht im Ertrag) und eine drastische Steigerung der Forderungen des Unternehmens an Dritte. Das deckt sich mit schon vorher in der "Presse" veröffentlichten Meldungen, daß die VA Tech auf enormen Forderungen (aus Exportfinanzierungskrediten) sitzt. Nachdem es keine Veröffentlichungen gibt, welche Forderungen das im Detail sind, kann vermutet werden daß ein erheblicher Prozentsatz davon schwer bis nicht einbringlich ist. Wenn die Türkei nun als Lieferland ausfällt, weil andere Länder ihr Exportfinanzierungssystem umstellen und daher Projekte scheitern, weil aus Ländern mit demokratischen gesinnten Öffentlichkeiten Projekte nicht mehr finanziert werden können, dann ist ein Ende im Desaster nahe. Selbst die Bank Austria, die nicht einmal mehr eine österreichische Bank im eigentlichen Sinne ist und deren Mutterkonzern finanziell ebenso angeschlagen ist, wird ihre Prioritäten ändern müssen. Diese Änderung wird eines bedeuten: Die Zerschlagung der VA Tech und den stückweisen Abverkauf. Das ist schon lange fällig und eine ökologisch und sozial verträgliche Lösung, die gerade beim deutschen Baukonzern Philipp Holzmann, einem der Kooperationspartner der VA Tech beim Euphrat-Staudamm Birecik, praktisch vorgelebt wird.

aus TATblatt Nr. +184 vom 28.März 2002

 
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